Der IBKA in den Medien: "Kritisches Tagebuch"
Aus: IBKA Rundbrief Dezember 2002
In etlichen Zeitungen und im Internet wurde - vor allem nach einer kurzen dpa-Meldung - bereits im Vorfeld auf den Internationalen Kongress des IBKA und die Verleihung des Erwin-Fischer-Preises hingewiesen. Interessiert beobachtet wurde der Kongress von den beiden WDR-Hörfunk-Journalisten Hans-Detlev v. Kirchbach und Elmar Klevers. Herr v. Kirchbach schrieb dem IBKA im Anschluss an die "sehr gelungene Veranstaltung": "Es grenzt in der Tat schon an einen Skandal, daß eine Bevölkerungsgruppe, die zumindest in den ‚neuen' Bundesländern regional die Mehrheit darstellt, die Gruppe der Konfessionslosen nämlich, für die Politik und ... für die sog. Rechtsordnung weithin noch als Nullsumme firmiert. Es gibt also noch viel zu tun im Sinn und Geist Erwin Fischers..."
Am 23. September 2002, also einen Tag nach der IBKA-Mitgliederversammlung erschien im WDR 3 Hörfunk in der Sendung "Kritisches Tagebuch" um 19.05 Uhr ein 8-minütiger Beitrag mit Originaltönen von der Verleihung des Erwin-Fischer-Preises an Taslima Nasrin und Interviewausschnitten mit der Preisträgerin. Das Interview der WDR-Journalisten mit Taslima Nasrin wurde am Rande der IBKA-Veranstaltung in Speyer geführt. Mit freundlicher Genehmigung von Herrn v. Kirchbach möchten wir an dieser Stelle den WDR-Bericht dokumentieren:
"Kritisches Tagebuch", WDR 3 Hörfunk, 23. September 2002
Heute hören wir, was Hans-Detlev von Kirchbach gestern von Taslima Nasrin erfuhr, als die den Erwin-Fischer-Preis des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten entgegennahm.
Anmoderation: Wie gut die Bücher der Schriftstellerin Taslima Nasrin wirklich sind, das war nie ein Thema in der Berichterstattung über ihre Verfolgung durch Fundamentalisten in Bangladesch. Unabhängig von der Last ihres Emigrantendaseins wird man ihre literarische Arbeit wohl noch lange nicht beurteilen. Im Vordergrund steht das Schicksal einer Person, die es wagt, in einem muslimischen Land ihre Ungläubigkeit zuzugeben. Nicht nur in Bangladesch ist das eine Unmöglichkeit. Dies als unerträgliche Zumutung zu empfinden, heißt nicht unbedingt westliche Maßstäbe anlegen, wie das Beispiel Taslima Nasrin ja zeigt. Und wie ungern ihre Meinungen auch gehört werden mögen, die Sonderstellung der Unkritisierbarkeit gibt es nun mal für keine Religion. Hören Sie Hans-Detlev von Kirchbach.
Taslima Nasrin: "Ich möchte mich herzlich dafür bedanken, dass Sie mich mit dem Erwin-Fischer-Preis auszeichnen. Vielen Dank. Ich bin wirklich erfreut, eine solche Ehrung zu erhalten."
Mit diesen Dankesworten Taslima Nasrins für die Verleihung des Erwin-Fischer-Preises erreichte die Jahresversammlung des IBKA, des Internationalen Bundes der Konfessionslosen und Atheisten, in der Domstadt Speyer ihren spektakulären Höhepunkt. Weniger spektakulär als diskret vollzog sich dagegen die polizeiliche Sicherheitsüberprüfung des Tagungshotels. Die aber war auch erforderlich. Denn die Preisträgerin kann sich ihres Lebens nirgends vollkommen sicher sein. 1998 gingen Fernsehbilder von Massendemonstrationen Hunderttausender aufgepeitschter muslimischer Männer um die Welt, die den Tod Taslima Nasrins forderten, nachdem diese ihrer sterbenskranken Mutter zuliebe aus dem Exil kurzfristig nach Bangladesch zurückgekehrt war. Der Hass der Glaubensfanatiker scheint nicht verwunderlich. Hatte die Abtrünnige doch, wie nicht nur die Islamisten in ihrem Heimatland befanden, sondern auch die bekannte Islamwissenschaftlerin Annemarie Schimmel urteilte, durch ihren Roman "Lajja", "Scham", die religiösen Empfindungen gläubiger Muslime strafwürdig verletzt. 1993 verhängte ein "Rat der Soldaten des Islam" gegen die Autorin des unerwünschten Berichts über die Folgen religiösen Fanatismus die Fatwa, einen Mordaufruf im Namen Allahs, der noch heute besteht. Schon vor diesem Roman hatte die heute 40-jährige Ärztin und Schriftstellerin mit ihrem Eintreten für Meinungsfreiheit und Frauenrechte und ihrem Bekenntnis zu atheistischer Weltanschauung den Hass religiöser Eiferer auf sich gezogen. Die Regierung von Bangladesch verbot ihre Bücher und erließ Haftbefehle gegen sie.
"So arbeiteten Fundamentalisten und Regierung Hand in Hand gegen mich. So war ich gezwungen, mein Land zu verlassen", erzählt Taslima Nasrin.
Seit neun Jahren lebt sie im europäischen Exil und streitet mit Buchveröffentlichungen und Medienauftritten weiterhin für Menschen- und vor allem Frauenrechte, die, so meint sie als Konsequenz ihrer eigenen Erfahrungen, nur durch eine strikte Trennung von Religion und Staat durch ein Zurückdrängen religiöser Herrschaftsansprüche zu erreichen sind. Für den IBKA, der sich international für Trennung von Staat und Kirche einsetzt, Grund genug, Taslima Nasrin mit einem Preis auszuzeichnen, der nach dem - je nach Lesart - berühmtesten oder auch berüchtigtsten kirchenkritischen Juristen der bundesdeutschen Rechtsgeschichte benannt ist. Denn Dr. Erwin Fischer, 1996 im Alter von 92 Jahren verstorben, zog als Rechtsanwalt und Gelehrter jahrzehntelang gegen - nach seiner Meinung - verfassungswidrige Kirchenprivilegierungen und religiöse Machtdominanz zu Felde. Allen voran gegen die staatliche Eintreibung der kirchlichen Mitgliedsbeiträge durch die weltweit einmalige Kirchensteuer, gegen konfessionellen Religionsunterricht an staatlichen Schulen und gegen steuerfinanzierte Militärseelsorge. So war es für den Konfessionslosenbund nur konsequent, einen Preis zu stiften, mit dem Arbeit im Geiste Erwin Fischers gewürdigt werden soll. Im letzten Jahr erhielt ihn der umstrittene Schriftsteller und Kirchenhistoriker Karlheinz Deschner. Mit Taslima Nasrins Auszeichnung sollte nun auch auf die Situation von Glaubensfreiheit und Menschenrechten in der islamischen Hemisphäre hingewiesen werden, in der, so meint die Preisträgerin, ein Prozess der Aufklärung und Säkularisierung noch aussteht. Schließlich bestehe an der Aufrechterhaltung religiöser Verblendung auch ein massives Machtinteresse.
Taslima Nasrin: "Sie nutzen die Religion, um Zustimmung von den unwissenden Menschen zu bekommen. Die Religion ist ein Werkzeug, um die Leute unwissend und dumm zu halten. In den islamischen Ländern werden die Fundamentalisten immer stärker, und die Armen leben mit der Religion, in der Hoffnung, irgendwann ein gutes Leben zu bekommen. So wollen die religiösen Politiker die Armen zum Narren halten, damit sie das Leben hinnehmen sollen, das Gott ihnen gegeben hat."
Einen reformierten, liberalen Islam, der einen säkularen Staat akzeptieren könnte, vermag sich Taslima Nasrin nicht vorzustellen. Das Problem ist für sie die Religion selbst. Die Fundamentalisten, Eiferer, Selbstmordattentäter, sie können, meint Nasrin, nicht als Randerscheinungen abgetan werden, sie verkörpern auf ihre Weise konsequent den Geist des Glaubens.
Taslima Nasrin: "Der Islam selbst ist eine Religion, die keinerlei Demokratie, keine Menschenrechte, keine Ausdrucksfreiheit, keine Frauenrechte zulässt. Das ist das grundlegende Prinzip des Islam."
So warnt sie vor einer Ausweitung des islamischen Einflusses in Europa, der zugleich eine Verstärkung religiös konservativer Einflüsse insgesamt nach sich ziehen werde. Mit Unbehagen betrachtet sie daher auch den Versuch einer großen muslimischen Organisation in Deutschland, bundesweit religiöse Kinderinternate einzurichten, von denen sie nichts anderes als fundamentalistische Indoktrination erwartet. In ihrer Ansprache riet sie dazu, multikulturelle Toleranz nicht mit Naivität gegenüber religiös begründeten Herrschaftsansprüchen zu verwechseln, und rief zu einer Globalisierung der Vernunft auf.
Taslima Nasrin: "Ich sehe keinen Unterschied zwischen Religion und religiösem Fundamentalismus. Einige so genannte Liberale zeigen Sympathie mit allen Religionen. Im Namen der Meinungsfreiheit leisten sie der weltweiten Ausdehnung der Religionen Vorschub. Und nun? Wir schauen dieser unglaublichen Erkrankung von Millionen Menschen zu. Wir leben im 21. Jahrhundert und schauen diesem Wahnsinn zu. Wir alle müssen träumen, müssen Dogmen und Doktrinen bekämpfen, müssen daran arbeiten, die Erde zu einem friedlichen, vernünftigen, aufgeklärten Ort zu machen, wo das Leben wahrhaft zivilisiert, wahrhaft menschlich sein wird."