Festveranstaltung zur Verleihung des Erwin-Fischer-Preises 2002 an Taslima Nasrin
Aus: IBKA Rundbrief Dezember 2002
Im Rahmen des Internationalen Kongresses wurde in einer Festveranstaltung im Tagungshaus in Speyer am 21. September 2002 der Erwin-Fischer-Preis an die Schriftstellerin und Ärztin Frau Dr. Taslima Nasrin verliehen.
Bereits vor Beginn der Veranstaltung ging ein Blitzlichtgewitter der Pressefotografen und der fotografierenden Gäste auf die Preisträgerin und die IBKA-Vorständler nieder.
Die Jazzband Else's New Orleans Gumbo eröffnete und begleitete den Abend mit einer professionellen, engagierten und zum Genre passend leicht "schrägen" Musikdarbietung, welche das Publikum im gut gefüllten Saal fast ausnahmslos begeisterte. Nur wenige hätten sich lieber etwas "Feierlicheres" - im offenbar bevorzugt klassischen Stil - gewünscht.
Durch das Programm führte Erika Krück - um der Preisträgerin und dem internationalen Publikum gerecht zu werden - in Deutsch und Englisch.
Die Preisbegründung des IBKA trug Beiratsmitglied und Erwin-Fischer-Preisträgerin des Jahres 2000, Frau Dipl.-Psych. Ursula Neumann, vor. In ihrer Rede ging sie auf das bisherige Leben, vor allem auf die Kindheit, von Taslima Nasrin ein. Nicht die Verfolgung selbst sei das Preiswürdige, sondern vor allem der Mut, zur eigenen Meinung zu stehen, dabei die Angst zu überwinden und dies auch unter Verfolgung konsequent durchzuhalten.
Am Ende ihrer Rede erwähnte Ursula Neumann auch die Kritik, die die Preisträgerin nicht nur von den fundamentalistischen Verfolgern, sondern aus einer anderen Ecke erreichte, "z.B. durch jene unsägliche Frau Schimmel", die den Vorwurf machte, Taslima Nasrin hätte die "kleine Gruppe fundamentalistischer Muslime" erst auf den Plan gerufen. "Motto: Wer von seinen Menschenrechten Gebrauch machen will, hat das gefälligst nur da zu tun, wo es niemanden stört", wie es Ursula Neumann treffend formulierte.
Die anschließende Laudatio hielt Frau Christa Stolle, die Geschäftsführerin der Frauen- und Menschenrechtsorganisation Terre des Femmes. Dabei würdigte sie vor allem Taslima Nasrins Einsatz für die Menschenrechte mit dem "Stift als Waffe", indem Nasrin in ihrem Werk keinen Zweifel an der Religion als Quelle von Ungleichheit und Ungerechtigkeit lässt. Hierbei würde Nasrin die Religion als ein Unterdrückungsinstrument gegen Frauen, Andersdenkende und Arme entlarven.
Christa Stolle kam in ihrer Ansprache auch auf das beliebte "Argument" zu sprechen, dass jede Bevölkerungsgruppe in Übereinstimmung mit ihrer "eigenen Kultur", ihren religiösen und kulturellen Werten leben soll. Dem erteilte sie mit den Worten von Nafis Sadik, der ehemaligen Exekutivdirektorin des UN-Bevölkerungsfonds, eine klare Absage: "Wir dürfen uns nicht dem Gewicht von Pseudoargumenten beugen, die sich auf Kultur oder traditionelle Werte berufen. Was Frauen unterdrückt und versklavt, kann nicht als kultureller Wert bezeichnet werden. Kultur und Tradition haben die Aufgabe, einen Rahmen für menschliches Wohlbefinden zu schaffen. Wenn sie gegen uns eingesetzt werden, müssen wir sie zurückweisen." Dieses Zitat löste bei den Zuhörern im Raum spontan zustimmenden Applaus aus.
Taslima Nasrins Dankesrede wurde zu einer Abrechnung mit den Religionen und ganz besonders mit dem Islam. So sieht sie keinen Unterschied zwischen Religion und religiösem Fundamentalismus, wie er sich zum Beispiel am 11. September 2001 in New York zeigte. Dies demonstrierte Nasrin an beispielhaften Koranzitaten, die nicht Liebe fordern, sondern zum Hass und Kampf aufwiegeln, denn zu Toleranz rief Mohammed nur zu Beginn seiner religiösen Karriere auf, als er lokal noch in der Minorität war. Daneben wies Nasrin nach, dass der Koran die Unterordnung der Frau unter den Mann verlangt.
Angesichts des religiösen Fanatismus fragte Taslima Nasrin, was man in Zukunft dagegen tun könne, wobei sie aber jeglicher Gewalt als Gegenmittel - z.B. Bomben auf Afghanistan oder Irak - eine strikte Absage erteilte, was das Publikum mit Applaus honorierte. Sie sei aber der "festen Überzeugung, dass Meinungsfreiheit, Demokratie, Menschenrechte und die Rechte der Frauen niemals koexistieren können - mit Religion!"
Taslima beendete ihre Rede mit der Erinnerung an das schöne Lied von John Lennon: "Imagine there's no heaven..."
Nachdem zum Abschluss noch einmal die Else's New Orleans Gumbo die Gäste begeisterte, klang der Abend mit einem Sektbuffet und interessanten Gesprächen erst spät aus.
Alle Reden zum Erwin-Fischer-Preis 2002 werden im Frühjahr in einer Festschrift veröffentlicht. Diese wird auf Beschluss der IBKA-Mitgliederversammlung dem im Jahr 2001 verstorbenen IBKA-Beiratsmitglied, Frau Dr. Ingrid Kämmerer, gewidmet.