Solidarität mit dem Protest gegen die Mullah-Diktatur!
Bis vor kurzem kaum vorstellbar: Seit Wochen überzieht im Iran eine Welle von islamkritischen Kundgebungen und Demonstrationen das Land. Ziel des landesweiten Protestes ist die seit 1979 herrschende Kaste turbantragender bärtiger Männer, die sich zur Sicherung ihrer Macht auf eine streng fundamentalistische Auslegung des Korans beruft. Wer es wagt, gegen die religiöse Mullah-Diktatur zu opponieren, wird von einer Sittenpolizei rigoros verfolgt, inhaftiert, gefoltert oder umgebracht. Opfer sind vor allem junge Frauen und Mädchen, die sich gegen das Tragen des islamisch vorgeschriebenen Kopftuchs zur Wehr setzen. Denn für die Mullahs gilt der Hijab als Zeichen religiöser Sitte und Moral, den meisten Frauen jedoch als hässliches Symbol ihrer Unterdrückung und Unterwerfung.
Auslöser der landesweiten Protestwelle war der Tod einer jungen Frau. Die 22-jährige Kurdin Jina Mahsa Amini war am 16. September in Teheran unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen. Kurz zuvor war sie von der iranischen Religionspolizei festgenommen und inhaftiert worden, weil sie ihr Kopftuch nicht vorschriftsmäßig getragen hatte. Wenige Tage nach ihrer Festnahme wurde Mahsa Amini, angeblich mit einem Herzinfarkt und Hirnschlag, ins Krankenhaus eingeliefert, wo ihr Tod festgestellt wurde. Zeugen wollen gesehen haben, dass sie zuvor mit schweren Schlägen gegen den Kopf traktiert, demnach letztlich umgebracht worden war.
Mittlerweile vergeht kaum ein Tag, an dem sich im Land nicht Protest regt. In mehr als 80 Städten kam es zu Demonstrationen. In den ersten Reihen dabei vor allem mutige Frauen. Sie recken den Sittenwächtern die blutrot angemalten Hände entgegen, rufen Parolen wie: „Frauen, Leben, Freiheit!“ und „Nieder mit der islamischen Republik!“ Für alle sichtbar verbrennen sie ihre Kopftücher, schneiden sich demonstrativ die Haare ab. Vor laufenden Kameras wurden sogar verhasste Mullah-Turbane symbolisch in den Dreck getreten, einem Mullah im Vorbeigehen der Turban vom Kopf gefegt.
Längst haben sich den Kundgebungen der Frauen auch Studenten, Schülerinnen und Schüler angeschlossen, die sich tapfer den bewaffneten Schergen des Mullah-Regimes entgegenstellen. Mittlerweile regt sich auch unter den Arbeitern der Widerstand. Tausende streikten und demonstrierten. In Teheran forderte eine Gruppe von Intellektuellen und Anwälten öffentlich die Freilassung aller politischen Gefangenen. Als die Polizei mit Tränengas angriff, reagierten sie mit Rufen wie „Nieder mit dem Diktator!“. Mehrere Anwälte wurden verhaftet.
Überall in der Welt, wo sich schon Tausende von Iranerinnen und Iranern auf der Flucht vor der islamistischen Despotie in Sicherheit gebracht haben, wird der wachsende Widerstand gegen das Mullah-Regime mit größter Aufmerksamkeit und Sympathie verfolgt. „Viele meiner Bekannten und ich sind besorgt und aufgeregt“, schrieb die aus dem Iran stammende Monireh Kazemi dem Humanistischen Pressedienst. „Wir lesen und konsumieren jede Nachricht, jedes Video, wir verfassen Appelle, Petitionen, rufen zu Demos auf und überlegen uns Aktionen. Und wir staunen über Aktivitäten von Schauspielerinnen, Autorinnen, Künstlern und Journalisten, die sogar Locken und Haarbüschel einsetzen. … Durch den Zusammenhalt ist der politische Islam im Iran am Ende“.
Schon im August hatte Maryam Namazie, die aus dem Iran stammende britische Frauenrechtlerin in einem Interview gegenüber dem bekannten französischen Magazin „Charlie Hebdo“ geäußert: „Weil die überwiegende Mehrheit der iranischen Bevölkerung jung ist, wird es eines Tages zum Zusammenstoß mit den Fundamentalisten kommen." Wie recht sie hatte! Als Sprecherin des Rats der der Ex-Muslime Großbritanniens wurde Maryam Namazie bekanntlich für ihr Engagement „für gleiche Rechte und gegen Privilegierung oder Diskriminierung im Namen der Religion … für das Recht, Religion zu kritisieren und gegen die Einmischung in private Angelegenheiten im Namen der Religion“ im September vom IBKA mit dem Preis „Sapio“ ausgezeichnet.
Beherzt – und aus Protest barbusig – demonstrierte die britische Frauenrechtlerin übrigens auch am 14. Oktober in Köln gegen den ersten Muezzin-Ruf der dort neu errichteten DITIB-Moschee. In der ersten Reihe mit dabei Mina Ahadi, Sprecherin des Zentralrats der Ex-Muslime in Deutschland. Und selbstverständlich galt die Kundgebung auch der „Solidarität mit den Frauen im Iran“. Als gebürtige Iranerin ist Mina Ahadi immer in den ersten Reihen mit dabei, wenn es gilt, die neu aufgeflammte iranische Protestbewegung solidarisch zu unterstützen. So in Hamburg, wo am 1. Oktober mehr als 4000 Exil-Iranerinnen und Iraner mit den Rufen „Weg, weg, weg! Mullahs müssen weg!“ und „Nieder mit der islamischen Republik!“ durch die Innenstadt zogen.
Einstweiliger Höhepunkt der europäischen Solidaritätsbewegung war am 22. Oktober der Protestmarsch von rund 80.000 Menschen durchs Berliner Regierungsviertel. Von solchen Massen-Manifestationen ließen sich auch die sonst in religionskritischen Angelegenheiten eher zurückhaltenden Medien überzeugen. Schon Tage zuvor meinte die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bereits „Erste Risse in den Reihen des Regimes“ festgestellt zu haben und schrieb ganz richtig: „Die Führung der Islamischen Republik hat nach wie vor keine andere Antwort auf die Proteste als Gewalt“.
Selbstverständlich, gegen solche Gewalt, ausgeübt von einer Macht, die sich mit der reaktionärsten und fundamentalistischen Version ihrer Religion verbündet hat, können wir Religionsfreien und Atheisten nur solidarisch sein! Wir haben das Glück, in einer freiheitlich demokratischen Gesellschaft zu leben. Doch sogar hierzulande werden unsere, wie es im Politischen Leitfaden des IBKA heißt, „Rechte und Interessen … immer wieder beschnitten oder übergangen“. Der IBKA „hält es für die Pflicht jeder Gesellschaft, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der einzelne Mensch seine Rechte verwirklichen und sich entfalten kann.“
Unterstützen wir die iranische Protestbewegung auch in unserem Land! Frauen, Leben, Freiheit! – Nieder mit der islamischen Republik! – Für eine freie offene Gesellschaft!
Tom Brandenburg, IBKA Hamburg