Peter Henkel: "Ach, der Himmel ist leer"

Veranstaltungsbericht der vom Regionalverband Freiburg des IBKA e.V. am 21.10.2009 mit Peter Henkel durchgeführten Lesung.

Eine ungehaltene Predigt

Peter Henkel bei der Lesung

Am 21. Oktober las Peter Henkel in Freiburg aus seinem Buch „Ach, der Himmel ist leer“. Wir zitieren hier eine Passage aus dem Schlusskapitel, der fiktiven Ansprache eines Atheisten, einer „ungehaltenen Predigt“, wie Henkel in einem schönen Wortspiel formuliert. Denn so ungehalten er in seiner Schrift bisweilen über die Borniertheit von Kirchenfürsten und beamteten Theologen urteilt, so verkneift er sich doch – sogar in dieser nicht gehaltenen Schlussansprache – den Ton des besserwisserischen Predigers. ( Autor: Michael Rux )

Auszug aus dem Schlusskapitel von Peter Henkel's Buch:

Verehrte Anwesende, es ist eines aufgeklärten Menschen unwürdig, sich der Illusion des Glaubens hinzugeben. Machen wir uns nichts vor: Gott existiert nicht. Was existiert, das ist das Bedürfnis von Menschen nach Schutz, nach Bedeutung und nach Orientierung. Solchen Sehnsüchten kommt der Glaube entgegen wie kaum etwas anderes. Es ist ein für Unzählige hilfreiches und nützliches Konstrukt, das seit zwei Jahrtausenden Menschen fasziniert und zu vielem befähigt hat und sie vermeintlich in eine erhabene Beziehung bringt zur sogenannten Schöpfung.! Eines, das obendrein die oft quälende Frage nach dem Sinn unseres Daseins zu beantworten scheint.

Und doch ist es ein menschengemachtes Konstrukt. "Denn nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel steht, sondern der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde" – so hat es im 19. Jahrhundert der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach gesagt, und um der Wahrheit willen täten wir Menschen gut daran, uns dieser nüchternen Einsicht nicht zu verschließen.

Nein, Gott ist nicht tot, wie Nietzsche sagte, sondern: Er hat nie gelebt. Was gelebt hat und bis heute lebt, das sind religiöse Bedürfnisse des Menschen und die Macht religiöser Traditionen. In der Wirklichkeit ist es aber eben nicht so, dass der Durst des Wanderers in der Wüste ein Beweis dafür wäre, dass dort vorn eine Oase wartet. Und in der Wirklichkeit ist es auch nicht so, dass Menschen des 21. Jahrhunderts für wahr halten müssen, was früher wie selbstverständlich weitergereicht wurde von Generation zu Generation.

Ehe in der Religion Trost gesucht wird und Stärkung, stellt sich diese Kardinalfrage: Soll der Mensch denn überhaupt glauben, dass so etwas wie Gott tatsächlich existiert? Wer diese Frage meidet oder meint, sie umgehen zu können, der verhält sich nicht anders als der einsame Springer auf dem Zehnmeterturm, der sich nicht einmal mit einem Seitenblick vergewissert, ob dort unten Wasser im Becken ist.

Wer sich die Frage nach Gott vorlegt und sie unvoreingenommen anzugehen versucht, der muss sich am Ende durchringen zu dieser Antwort: Nein, er existiert nicht. Wohlgemerkt, jeder darf hinzufügen: Ich wollte, es wäre anders, aber ich will mich nicht belügen. Wunschdenken kann mitunter das Leben leichter machen, ist aber prinzipiell nicht die angemessene Haltung. Weder im Alltag noch bei der Sache mit Gott.

Es ist auch falsch zu behaupten, der Mensch als Individuum brauche den Glauben an Gott oder überhaupt an ein geheimnisvolles höheres Wesen wie die Luft zum Atmen. Wahr ist vielmehr: Aufrechter Gang ist auch ohne solchen Glauben möglich, ebenso ein erfülltes Dasein. Vielleicht wird die Gattung Mensch irgendwann einmal lernen, ohne himmlische Hilfsmittel auszukommen. Denn je mehr sie über die Welt in Erfahrung bringt, umso geringer wird – vielleicht! – die Versuchung, Wissenslücken stopfen zu wollen mit Übernatürlichem.

Und es ist ebenso ein Irrtum, dass Religion auf immer unentbehrlich sei für das Zusammenleben der Menschen. Moral, recht verstandene Moral ist auch anders begründbar, nämlich diesseitig. Entgegen dem, was hochrangige Kirchenfunktionäre in Rom und anderswo behaupten, muss eine humanistische, eine bewusst menschenfreundliche Moral keineswegs ein schlechterer Wegweiser sein, ein schwächerer Anker.

Viele, die sich der religiösen Illusion verweigern, leben das heute schon vor. Wer wollte ernsthaft behaupten, sie wären schlechtere Menschen als Gläubige?

Und schließlich: Wohin unhinterfragter Glaube führen kann, das erleben wir heute. Religionskriege in aller Welt fordern tagtäglich Tausende von Menschenleben. Muslime, Hindus und andere Gläubige schlachten einander ebenso ab wie Menschen, die sie als Ungläubige bezeichnen. Aber Christen sollten sich vor Hochmut hüten. Nach angeblichen Zwiegesprächen ihres Präsidenten mit Gott begannen die USA bald nach der Jahrtausendwende einen Krieg im Mittleren Osten, nachdem ein anderer, auf seine Weise Gläubiger, es für richtig und von seinem Gott Allah gewünscht erklärt hatte, mitten in New York mehr als 2 000 Menschen in den Tod zu reißen. Dass Katholiken und Protestanten einander umbrachten, war bis vor wenigen Jahren mitten in Europa, in Irland, entsetzlicher Alltag. Erst vor 400 Jahren verwüstete der Dreißigjährige Krieg den Westen unseres Kontinents.

Immer waren und sind Menschen am Werk, die sich auf vermeintlich heilige Schriften berufen, Texte, die viele hundert Jahre alt sind und von denen Menschen allen Ernstes behaupten, es müsse ihnen geglaubt und gehorcht werden. Sie alle täuschen sich, und sie werden getäuscht. Sie alle verkennen eine ganz anders geartete, nämlich gottlose Wirklichkeit.“

( Flyer zur Veranstaltung: Download(PDF) )

Zu Peter Henkel's Buch "Ach, der Himmel ist leer"

Peter Henkel bei der Signatur seines Buches

Im Untertitel verspricht das höchst lesenwerte Buch „lauter gute Gründe gegen Gott und Glauben“. Henkel hält Wort. Sein faktenreiches Buch hat er geschrieben „für Gleichgesinnte“, die mit ihm „aufatmen und sich wappnen können“. Er wendet sich mit seinem Werk aber auch „an Gläubige, jedenfalls solche, die sich eine gewisse Offenheit bewahrt haben oder denen gelegentlich sogar schwant, dass sie einem schönen Irrtum erliegen“. Nicht zuletzt hat er es verfasst für „Schwankende, die ernsthaft auf der Suche sind“.


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Peter Henkel. Ach, der Himmel ist leer. Lauter gute Gründe gegen Gott und Glauben.
Frieling Verlag. Berlin 2009. Broschiert, 176 Seiten. ISBN 978-3-8280-2703-9. 10,90 Euro.

(Fotos aufgenommen von: Andreas Kamke und Hartmut Ortlieb; 21.10.2009)