Offener Brief zur Predigt Kardinal Meisners zum internationalen Soldatengottesdienst

OFFENER BRIEF

Predigt Kardinal Meisners zum internationalen Soldatengottesdienst am 11.01.2007

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Fritz Schramma,

durch Veröffentlichungen in den Medien erfuhren wir von Ihrer Teilnahme am sogenannten „Internationalen Soldatengottesdienst“ am Donnerstag, den 11.01.2007, im Kölner Dom. Der Landesvorstand NRW des IBKA e.V. (Internationaler Bund der Konfessionslosen und Atheisten) stellt Ihnen die Frage, wie Sie die, unserer Auffassung nach, volksverhetzenden Aussagen von Herr Meisner gegen Nicht- und Andersgläubige mit Ihrer Funktion als demokratisch gewählter Vertreter aller Kölner Bürgerinnen und Bürger in Einklang bringen wollen? Wir wissen nicht, ob Ihnen die Predigt zu diesem Anlass zuvor bekannt war, dennoch denken wir, dass Ihnen spätestens im Anschluss daran klar werden musste, dass Herr Meisner einen Großteil der Bevölkerung aufs Übelste beschimpft und diffamiert. Bei näherer Betrachtung der Predigt sollte auch dem Laien auffallen, dass es hier in erster Linie darum geht den Heilsegoismus der Katholischen Kirche zu verteidigen, sowie alle Anders­denkenden im wahrsten Sinne des Wortes zu verteufeln. In seiner Einleitung zitiert Meisner den als „Heiligen“ verehrten Kirchenlehrer Augustinus mit einer ziemlich unverfänglichen Aussage; weitaus bedeutsamer ist hingegen die Einstellung des Augustinus zum Krieg: Er war geradezu ein Befürworter von „heiligen“ Angriffskriegen; von seinem Hass auf alle Andersdenkenden (Juden, Heiden, Ketzer) ganz zu schweigen. Zitat des Augustinus: "Was hat man denn gegen den Krieg? Etwa dass Menschen, die doch einmal sterben müssen, dabei umkommen?". Auch wenn dieses Zitat nicht Teil der Predigt war, wie können Sie kritiklos hinnehmen, dass die sogenannten Friedenseinsätze der Bundeswehr in irgendeiner Weise mit diesem Kirchenlehrer in Verbindung gebracht werden? Von ähnlich beeindruckender Menschenverachtung ist Herrn Meisners Einteilung der Menschen in „gut“ (Christen) oder „böse“ (alle anderen Menschen) geprägt. Man ist entweder „Bruder in Christus“ oder „Genosse im Antichrist“, eine andere Möglichkeit lässt Herr Meisner nicht zu. Bezieht man dies auf die spätere Aussage: „Was eröffnet sich hier für ein Einübungsfeld für die Angehörigen der Bundeswehr!“, fragt man sich zwangsläufig, ob Herr Meisner hier einem Krieg gegen die Ungläubigen, den Genossen des Teufels, das Wort redet. Wie vertragen sich diese Aussagen Ihrer Meinung nach mit dem verfassungsgemäßen Auftrag der Bundeswehr? Demokratische Werte und die Säkularisierung werden als Untergangsszenarien dargestellt: „Ich frage: Sind denn unsere europäischen Gesellschaften durch Säkularisierung stabiler geworden? Wir werden antworten müssen: Ganz im Gegenteil!“ Dies ist unverfrorene Geschichtsfälschung: Gerade die Kirche hat die Bildung der Menschen bekämpft; ebenso die Demokratie, freie Meinungsäußerung, Religionsfreiheit, sexuelle Selbstbestimmung, soziale Gerechtigkeit ... bis in dieses Jahrhundert hinein. Mithin also die Grundwerte einer jeglichen modernen Zivilisation. Diese Werte bilden ganz klar und nachweislich eine stabile Basis für das Zusammenleben der Menschen im 21. Jahrhundert, im Gegensatz zu dem für Aufgeklärte mittelalterlich anmutenden Aberglauben an „himmlische Mächte“. Warum lassen Sie, Herr Schramma, es ohne Kritik zu, dass selbst altruistische nichtreligiöse Menschen aufs Übelste verleumdet werden: "Menschlichkeit ohne Gottesglauben verkommt in Brutalität"? Der Landesvorstand NRW des IBKA e.V. sieht hierin vor allem nichtgläubige Menschen sowie auch Mitarbeiter nicht kirchenbestimmter , humanitärer Organisationen wie z.B. Rotes Kreuz, Arbeiterwohlfahrt, Kinderschutzbund oder Ärzte ohne Grenzen zu "brutalen Bestien" diffamiert. Es fällt in der Tat schwer sich zu entscheiden, welcher Absatz der Predigt Herrn Meisners den absoluten Höhepunkt der Menschenverachtung darstellt. Zu guter Letzt werden zwei Minimalanforderungen unseres Zusammenlebens, die freie Meinungsäußerung nebst der sozialen Gerechtigkeit zu antichristlichen Götzen erklärt, die das christliche Gottesbild ersetzt hätten. Die rhetorische Frage „Würden unsere Gesellschaften nicht ganz anders aussehen, wenn diese Götter vom Thron gestürzt würden?“, lässt sich leicht beantworten, wenn man ein paar Jahrhunderte ins „dunkle Mittelalter“ zurückblickt... Die Annahme der Existenz einer übernatürlichen Wesenheit - für Herrn Meisner der von ihm bevorzugte Gott - beruht auf einer Übereinkunft, deren wissenschaftlicher Beweis bis heute aussteht. Somit basieren seine Argumente auf spekulativen Annahmen und entbehren für viele Menschen europäischer Gesellschaften jeglicher Bedeutung, die ihr Glück innerhalb des Diesseits begründen und den Himmel lieber „den Engeln und den Spatzen“ überlassen. Entsprechend bedeutungslos ist Kardinal Meisners dualistische Anschauung, eine göttliche Wertigkeit einer ungläubigen Wertlosigkeit entgegenzusetzen; so beispielsweise einen katholischen Lebens- und Leidenszwang höher anzusetzen als dem unheilbar Kranken die Möglichkeit eines selbstbestimmten Sterbens oder einer - selbst vergewaltigten und minderjährigen - Frau die Abtreibung zuzugestehen. Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Fritz Schramma, wie bringen Sie es mit der Ihnen obliegenden Aufgabe in Übereinstimmung, der Vertreter aller Bürger der Stadt Köln zu sein, und diese, unserer Auffassung nach menschenverachtende antidemokratische Predigt unwidersprochen zu akzeptieren? Weiterhin fragen wir, wie ist es möglich ist, dass Herr Meisner kritiklos im Schutze eines Gottesdienstes (§167 StGB), einen Großteil der Bevölkerung derartig verächtlich beschimpfen kann, zumal er sein beträchtliches fünfstelliges Gehalt von der öffentlich-rechtlichen Hand, also von allen Steuerzahlern und nicht nur von den Kirchenmitgliedern bezieht. Wir geben zu bedenken, dass kein Drittel der Deutschen der Katholischen Kirche angehört. Wir bitten um Ihre persönliche, inhaltliche Stellungnahme.

Mit freundlichen Grüßen, Holger Buhr Pressesprecher des Landesvorstandes NRW des IBKA e.V.