Papst Pius XII. und der Mord an den europäischen Juden

Als Hitler 6 Millionen Juden ermordete, schwieg der Papst. Um dieses Schweigen zu rechtfertigen, wurde mehrfach auf das Beispiel der Niederlande verwiesen. Dort hatte Bischof de Jong deutlich Stellung gegen die Deportationen bezogen. Angeblich verschlimmerte er damit die Situation der Juden im Lande. Bei genauerer Betrachtung stellt sich jedoch heraus, dass das Gegenteil der Fall war. Der Protest de Jongs konnte vielen Verfolgten das Leben retten und bewies so, dass das Schweigen des Papstes zum Holocaust die falsche Entscheidung war. Die im Text (s. Anhang) beschriebene Entwicklung, besonders den zum Katholizismus konvertierten Juden zu helfen, ist eher jüngeren Datums. Die Spanische Inquistion verfolgte die "Conversos" besonders vehement, da damals die Ansicht vorherrschte, diese Juden würden die Kirche von innen her zersetzen. Auch im 19. Jahrhundert dachten die Päpste weiterhin antijudaistisch.

Pius IX., der technischen Fortschritt, gesellschaftlichen Aufbruch und das Aufkommen der Nationalstaaten argwöhnisch beäugte, ließ 1858 den jüdischen Jungen Edgardo Mortara entführen, der gegen seinen Willen getauft worden war und laut den Gepflogenheiten des Kirchenstaates daher nicht mehr bei seinen jüdischen Eltern aufwachsen durfte. Trotz mehrerer kritischer Stimmen aus ganz Europa ließ sich der Papst nicht umstimmen, das Kind zurückzugeben. Pius IX. wurde 2000 selig gesprochen. Paradoxerweise stellt ausgerechnet der mutigste Bischof, der sich in einer der dunkelsten Zeiten der Menschheitsgesichte in den Reihen der katholischen Kirche befand, dieser das größte denkbare Armutszeugnis aus. Durch sein mutiges Eintreten gegen die Deportationen zeigt sich, dass Bischof de Jong ein guter Mensch war. Gleichzeitig nahm er eine verheerende Haltung ein, als er sich in der Frage zwischen Sexualmoral und Menschenleben falsch entschied und mehrere Juden in den sicheren Tod schickte. Die Naziführung bot ihm an, weitere Juden zu verschonen, sollte der Bischof diese öffentlich zu einer Sterilisierung auffordern. Auf de Jong trifft also die Aussage des Einsteins unserer Zeit, Steven Weinberg, zu: „Mit oder ohne Religion würden gute Menschen Gutes tun und böse Menschen Böses. Aber damit gute Menschen Böses tun, dafür bedarf es der Religion.“