Kirchen wollen mehr Sendezeit erzwingen
Aus: IBKA Rundbrief Dezember 2000
Die Kirchen haben ein medienrechtliches Verfahren einleiten lassen, um im SAT 1-Programm stärker berücksichtigt zu werden. Man hoffe aber noch auf einen "gütlichen Ausgleich", sagte Johanna Haberer, Rundfunkbeauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Nach Angaben Haberers sind die Kirchen bei SAT 1 "immer weniger im Programm". Der Rahmenvertrag mit SAT 1 aus dem Jahre 1988, auf den sich die beiden Kirchen berufen, sieht eine gemeinsame Sendezeit von bis zu 45 Minuten pro Woche vor.
Beide Kirchen haben bei der zuständigen Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter Rheinland-Pfalz (LPR) beantragt, "ein rechtsaufsichtliches Verfahren gegen SAT 1 wegen Nichtgewährung der Drittsenderechte einzuleiten und die sofortige Vollziehung der zu erwartenden Beanstandung anzuordnen". Nach Auskunft des LPR-Justiziars Rolf Platho geht es dabei auch um die Auslegung des § 42 des Rundfunkstaatsvertrags, der die kommerziellen Fernsehsender verpflichtet, den Kirchen auf Wunsch "angemessene Sendezeiten" zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen.
SAT 1 hält die Vorwürfe zum Programm für unbegründet, da man unter den Privatsendern "absoluter Marktführer" bei der Verbreitung kirchlicher Sendungen sei. SAT 1-Justiziar Lück stellte die Frage, ob es noch "zeitgemäß" sei, dass die Privatsender vom Gesetzgeber dazu verpflichtet würden, den Kirchen "angemessene Sendezeiten" einzuräumen. Die Kirchen könnten bei den mittlerweile vorhandenen Frequenzen "ihren eigenen Sender machen".
[Quelle: Frankfurter Rundschau, 02.08.00]
Der o.g. § 42 des Rundfunkstaatsvertrages (von 1991) über "Sendezeit für Dritte" lautet:
"(1) Den Evangelischen Kirchen, der Katholischen Kirche und den Jüdischen Gemeinden sind auf Wunsch angemessene Sendezeiten zur Übertragung religiöser Sendungen einzuräumen; die Veranstalter können die Erstattung ihrer Selbstkosten verlangen."
Der Rundfunkstaatsvertrag gilt zwar nur für private Anbieter, aber für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist Analoges in den Landesrundfunkgesetzen vorgeschrieben. Auch die Finanzierung der kirchlichen Sendungen ist dort teilweise gesondert geregelt; so im Landesmediengesetz von Baden-Württemberg:
"Der römisch-katholischen Kirche, den evangelischen Landeskirchen und den israelitischen Religionsgemeinschaften sind auf Verlangen in Vollprogrammen angemessene Sendezeiten für die Übertragung gottesdienstlicher Handlungen und Feierlichkeiten sowie sonstiger religiöser Sendungen einzuräumen. Verzichten die vorgenannten Religionsgemeinschaften auf die Ausübung ihrer Rechte nach Satz 1 und wird in Vollprogrammen auf Grund einer Vereinbarung mit dem Veranstalter Sendezeit für andere Sendungen zur Verfügung gestellt, soll der Veranstalter eine angemessene Finanzierung der Sendungen ermöglichen."
Wohlgemerkt: "Der Veranstalter" ist der Sender. Auffallend ist, dass nur ganz bestimmte Religionsgemeinschaften in den Genuss der Senderechte kommen. Dies verstößt gegen den Gleichheitsgrundsatz des weltanschaulich neutralen Staates.