Ost-Kirchensteuer verfassungswidrig!

Aus: MIZ 3-4/90

Am 15. November 1990 ließ IBKA-Vorstandssprecher Frank L. Schütte in Bonn während einer Anhörung der Bundespartei DIE GRÜNEN zur Trennung von Staat und Kirche eine "politische Bombe" platzen: Das im "Gesetz zu dem Vertrag vom 31. August 1990 zwischen der BRD und der DDR über die Herstellung der Einheit Deutschlands" (Einigungsvertragsgesetz) enthaltene "Gesetz zur Regelung des Kirchensteuerwesens" in der ehemaligen DDR sei eine plumpe Fälschung, das ab 1. Januar 1991 in Ostdeutschland in Kraft tretende Kirchensteuereinzugsverfahren eindeutig vertassungswidrig.

Wie sich jetzt herausstelle - so Schütte in seiner Bonner Presseerklärung weiter - sei das im Einigungsvertrag als "Kirchensteuergesetz der Deutschen Demokratischen Republik" deklarierte Gesetzdokument null und nichtig, da es laut Grundgesetz, Artikel 140 in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 6 der Weimarer Reichsverfassung von 1919 ausschließlich von den neuen Landesparlamenten auf dem Gebiet der ehemaligen DDR hätte beschlossen werden dürfen. Da jedoch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Einigungsvertrages noch keine Bundesländer bzw. Landesparlamente in Ostdeutschland bestanden, hätte allenfalls - allerdings entgegen den Bestimmungen des Grundgesetzes - die damalige Volkskammer der DDR ein solches Kirchensteuergesetz verabschieden können. Dies sei bis zum Zeitpunkt der Auflösung der Volkskammer jedoch nicht geschehen.

Es sei unerträglich, fährt die IBKA-Presseerklärung fort, daß aufgrund eines "großen Bluffs" im Einigungsvertrag Millionen SteuerzahlerInnen in der ehemaligen DDR - darunter zahlreiche Konfessionslose, die aufgrund der neuen Regelung in glaubensverschiedener Ehe ein "besonderes Kirchengeld" entrichten müßten - ab 1.Januar 1991 zwangsweise zur Kasse gebeten würden. Sie würden gegen ihren Willen den Kirchen nun auch in diesem Teil Deutschlands - in dem die Konfesssionlosen bereits über 60 Prozent der Bevölkerung ausmachten - auf lange Zeit Privilegien zuschanzen, wie sie in keinem anderen Land der Welt bestünden.

Schütte forderte in der Presseerklärung die Bundespartei der GRÜNEN abschließend auf, die konsequente Trennung von Staat und Kirche in ihrem Grundsatzprogramm zu verankern und eine Gruppe von Rechtsanwälten damit zu beauftragen, eine Vertassungsklage hinsichtlich des skandalösen "Kirchensteuergesetzes" im Einigungsvertrag vorzubereiten.

Nachstehend veröffentlichen wir das umstrittene Gesetz im Wortlaut, entnommen dem Bulletin Nr.104 vom 6. September 1990.

MIZ - Redaktion