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(2486) Dresden. Skeptisch äußerte sich Sachsens Familienminister Dr. Hans Geisler zu der vom
Sachsenbund e.V. ab 1998 geplanten "Sachsenweihe". Wenn der Vorschlag nicht ernsthaft unterbreitet worden wäre, könnte man ihn
eigentlich als Ulk abbuchen, meinte Dr. Geisler. Mit der Verwendung des Wortteils "-weihe" werde offensichtlich die Assoziation
zu religiös-liturgischen Vorgängen angestrebt. Eine wie auch immer geartete "Weihe" könne aber niemals den positiv prägenden
Einfluß auf das Leben junger Menschen erlangen, der von Konfirmation oder Firmung ausgehe. Zudem vermute er, daß der
Sachsenbund e.V. Finanzmittel haben wolle, um seine Aktivitäten überhaupt finanzieren zu können, denn hinter diesem
eingetragenen Verein stehe ja keine größere, auch opferbereite Gemeinschaft wie bei den Kirchen. (Pressemitteilung des
Sächsischen Staatsministeriums für Soziales, Gesundheit und Familie 88/97, 30.6.97)
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(2487) Bonn. Nach Ansicht der kirchenpolitischen Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis
90/Die Grünen, Christa Nickels, darf man sich das "große Feld der Gemeinsamkeiten" zwischen den Kirchen und den Grünen nicht
von "polemischen Sprücheklopfern auf beiden Seiten verminen" lassen. Als Beispiele für derartige Gemeinsamkeiten nannte Nikkels
die Migrations-, Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Appell richtet sich nicht nur an kirchenkritisch eingestellte
Parteimitglieder, sondern auch an "grünenkritische" Kirchenmitglieder und -vertreten.
Hinsichtlich ersterer mahnte Frau Nickels, antikirchliche Positionen seien kontraproduktiv. Einerseits erschwerten sie es,
die notwendigen staatskirchenrechtlichen Reformen voranzubringen, andererseits lieferten sie die "Wahlkampfmunition", um die
Bündnisgrünen "fälschlicherweise als Speerspitze einer antiklerikalen Heidenkampagne" zu denunzieren. Der ursprüngliche
Formulierungsvorschlag für das Kapitel "Kirche und Gesellschaft" in dem neuen Wahlprogramm von Bündnis 90/Die Grünen, der von
Christa Nickels und Parteivorstandssprecherin Gunda Röstel stammte, war noch kirchenfreundlicher als der jetzt präsentierte
Entwurf. Nun werden zwar zunächst die Gemeinsamkeiten herausgestellt und die Kirchen als wichtige Bündnispartner im Kampf gegen
die Ellenbogengesellschaft und für eine humane Ausländerpolitik gelobt. Im nächsten Abschnitt heißt es dann allerdings, die
säkulare Gesellschaft erfordere eine konsequente Trennung von Staat und Kirche. Die Kirchensteuer soll mittelfristig durch
einen Mitgliedsbeitrag ersetzt werden, den die Kirchen selbst eintreiben sollen. (Frau Nickels hatte allerdings erst wenige
Monate zuvor eine "Sozialsteuer" für alle gefordert). Auf der "Streichliste" stehen auch die Militärseelsorge und das
kirchliche Arbeitsrecht. Christa Nickels hofft auf eine "freundliche Trennung" von Staat und Kirche. Eine Absage erteilte sie
einer Forderung bündnisgrüner Politiker nach einer Änderung von Art. 7 des Grundgesetzes, nach welchem der Religionsunterricht
ordentliches Lehrfach ist. Für eine solche Verfassungsänderung sieht sie keinen Anlaß. (epd Wochenspiegel 43/97)
Folgerichtig trafen am 8. Dezember 1997 zum ersten Mal VertreterInnen von Bündnis 90/Die Grünen und der katholischen Kirche
im Gästehaus der Deutschen Bischofskonferenz zu einem Meinungsaustausch zusammen. Im Mittelpunkt der Begegnung standen die
programmatische Entwicklung der Bündnisgrünen, die gemeinsamen Worte der Amtskirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage und
zu Migration und Flucht sowie die Bedeutung der Grundwerte, des Religiösen und der Kirche in der Gesellschaft. Gemeinsamkeiten
wurden in der Asyl- und Sozialpolitik und bei der Bewahrung der Schöpfung ausgemacht. Unterschiedliche Positionen wurden vor
allem hinsichtlich der Abtreibung, Ehe und Familie, der Stellung der Frau sowie in staatskirchenrechtlichen Fragen
festgestellt. Das Gespräch fand in einer offenen Atmosphäre statt. Im Sinne einer Normalisierung des Verhältnisses zwischen den
Grünen und der katholischen Kirche verständigten sich beide Seiten darüber, jeweils dazu beizutragen, antikirchliche bzw.
antigrüne Affekte in den eigenen Reihen durch sachliche Auseinandersetzung zu ersetzen. Beide Seiten waren sich darin einig,
daß sich das Verhältnis zwischen Bündnis 90/Die Grünen und der Kirche gerade in der letzten Zeit entspannt habe. Der Dialog
zwischen den Grünen und der Deutschen Bischofskonferenz soll auf Wunsch beider Seiten in Zukunf fortgesetzt und intensiviert
werden. (Pressemitteilungen von Bündnis 90/Die Grünen und der Deutschen Bischofskonferenz vom 9.12.97)
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(2488) Fürth. Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) hat sich in einem am 29. Januar veröffentlichten
Brief an den Bezirksvorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises (EAK) der CDU in der Region Nürnberg-Fürth, Harald Häßler,
für die Aufnahme eines Gottesbezuges in eine künftige europäische Verfassung ausgesprochen. "Sollte es in Zukunft zur
Ausarbeitung einer Verfassung der EU kommen, käme die Entscheidung über einen Gottesbezug letztlich einem europäischen
Verfassungsgeber zu. Ich persönlich würde dann eine positive Entscheidung befürworten", schrieb der Kanzler. Kohl wies aber
darauf hin, daß ein Gottesbezug "in völkerrechtlichen Verträgen zwischen souveränen Staaten, auf denen auch die EU beruht,
unüblich" sei. Häßler hatte an den Kanzler appelliert, sich für die Verankerung eines Gottesbezugs in der Präambel einer
künftigen EU-Verfassung einzusetzen.
Für Kohl ist die ethische Dimension "unabdingbare Voraussetzung für den Bau des Hauses Europa". Die EU sei nicht nur eine
Wirtschafts-, sondern auch eine Wertegemeinschaft. Daß im Rahmen des EU-Vertrages von Amsterdam vom Oktober 1997 eine Erklärung
durchgesetzt wurde, die den Status der Kirchen und Religionsgemeinschaften in den Mitgliedsstaaten "gegenüber allen
europäischen Institutionen ausdrücklich wahrt" (siehe MIZ 3/97, Meldung 2457), sei einer deutschen Initiative zu verdanken.
Der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) protestierte in einer Presseerklärung gegen einen
Gottesbezug in einer EU-Verfassung. Es gehe nicht an, den "Völkern von Europa" eine "Verantwortung vor Gott" zuzuschreiben.
Eine Verpflichtung gegenüber einem Gotte sei nur möglich "als freiwillige Selbstverpflichtung eines einzelnen Menschen".
Außerdem sei die EU in weltanschaulich-religiösen Fragen zu strikter Neutralität verpflichtet. Das gelte besonders für die
mögliche, künftige Formulierung einer EU-Verfassung. Dort sei ein Bekenntnis zu Gott "ebenso fehl am Platze wie ein Bekenntnis
zum Atheismus". (Die Welt vom 30.1.1998; Presseerklärung des IBKA)
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(2489) München. Nach Informationen der Zeitung Die Woche kalkulieren die Wahlkampfmanager der
CSU, daß kirchenfeindliche Entscheidungen in Bayern fünf Prozent der Wählerstimmen kosten. Auf entsprechende Überlegungen
deuten auch Äußerungen von CSU-Präsidiumsmitglied Alois Glück hin, der in einem Interview mit dem Spiegel sagte, ein Rückzug
der Kirche "aus von ihr organisierten, aber vom Staat finanzierten Bereichen, etwa der Bildungs- und Sozialarbeit", träfe
"nicht zuletzt [... ] die Identität der beiden C-Parteien ins Mark [... ], weil hier unsere ideologischen Wurzeln gekappt
würden". (Die Woche 6/98; Der Spiegel 5/98)
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(2490) Darmstadt. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau beabsichtigt, den
Kirchensteueranteil an den Ausgaben für ihre Kindertagesstätten in Hessen wie in Rheinland-Pfalz bis zum Jahre 2003 auf zehn
Prozent abzusenken. Nach einem Beschluß der Synode am 6. Dezember 1997 soll mit den Kommunen in Hessen über eine Erhöhung der
staatlichen Zuschüsse verhandelt werden. Die Synode folgte einem Vorschlag der Kirchenleitung, die kirchliche Trägerschaft
abzugeben oder die Einrichtung zu schließen, falls keine Drittelfinanzierung erreicht werde. Außerdem wurden die
Trägergemeinden der evangelischen Kindertagesstätten auf die Möglichkeit hingewiesen, bei den Elternbeiträgen auch die
Kirchenzugehörigkeit der Eltern zu berücksichtigen.
Im Bereich der hessen-nassauischen Kirche gibt es insgesamt 621 Tageseinrichtungen für Kinder mit rund 39.000 Plätzen und
etwa 5.700 Erzieherinnen und Erziehern. (epd Hessen-Nassau 6.2.97)
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(2491) Rottach-Egern. Wieder einmal hat die katholische Kirche ihre (für andere geltenden)
moralischen Grundsätze vergessen, weil es um ihren eigenen Profit ging. Die Gemeinde Rottach-Egern konnte eine Spende von 1,8
Millionen DM für den Bau eines Kindergartens, gestiftet von dem ehemaligen "Kaufhaus-König" Otto Beisheim, bislang nicht
annehmen, weil die katholische Kirche das einzige passende Grundstück des Ortes nicht verkaufen will. Gleichzeitig hält das
erzbischöfliche Ordinariat aber an seinem Plan fest, den von ihr getragenen Kindergarten um eine Gruppe zu verkleinern, so daß
rund 25 Plätze weniger zur Verfügung stehen. Zunächst hatte sich die erzbischöffiehe Finanzkammer noch zum Verkauf der
brachliegenden Wiese bereit erklärt. Als aber die Gemeinde zugreifen wollte ("Wir wären bereit gewesen, den horrenden Preis von
mindestens 400 Mark pro Quadratmeter zu bezahlen", erklärte der Bauamtsleiter), schwenkte das Bistum um. Die Kommune sollte das
Areal nur noch auf 60 Jahre in Erbpacht erhalten und dafür jährlich 35.000 DM bezahlen - mit einer Gleitklausel, die in jedem
Folgejahr eine Steigerung vorsah. Dies empfanden sowohl der CSU-Bürgermeister ("Wenn ich diesen Vertrag unterschrieben hätte,
dann hätte man mich nach zehn Jahren mit Sicherheit für verrückt erklärt.") als auch Beisheim als unverschämt. Die Kirche stört
auch nicht, daß sie selbst mit dem Grundstück nichts anfangen kann. Selbst Tauschangebote lehnte sie ab: "Wir denken nicht in
Jahrzehnten, sondern in Jahrhunderten". Auf die öffentliche Kritik hin reagierte der Sprecher des Erzbistums, Winfried Röhmel,
äußerst aggressiv und bezeichnete die Veröffentlichung der Kommune als"beleidigend" und "agitatorisch". Laut kirchlichem
Stiftungsgesetz sei "ein Verkauf nur möglich, wenn ein gleicher Wert geschaffen wird. Ein Tausch mit einem gleichwertigen
Grundstück ist möglich, und möglich ist auch eine Vergabe im Erbbaurecht." Ihre Pachtzins-Forderungen habe die Kirche bereits
auf dem untersten Bewertungsniveau angesetzt. Dem widersprach der CSU-Bürgermeister entschieden und sieht die Schuld am Eklat
eindeutig auf klerikaler Seite: "Diese Menschen sind in der Regel keine einfachen Verhandlungspartner, und ich bin bei weitem
nicht der einzige Kommunalpolitiker, der diese Erfahrung machen mußte." (Süddeutsche Zeitung, 28. u. 29.11.97)
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(2492) Düsseldorf. Der Humanistische Verband NRW äußerte Kritik an Schulgottesdiensten und
anderen religiösen Einschulungsfeiern, weil dadurch konfessionsfreie und andersgläubige Schüler in eine Außenseiterposition
gedrängt werden. Stattdessen schlugen die NRW-Humanisten eine allgemeine Einschulungsfeier vor, in der statt Psalmen oder
Suren Auszüge aus der Erklärung der Menschenrechte vorgetragen werden könnten. (Freies Denken, 5/97)
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(2493) Nürnberg. Die vom bfg Nürnberg durchgeführten Jugendfeiem erregten den bildungspolitischen
Sprecher der Landtags-CSU Freller derart, daß der Ex-Theologe dem bfg vorwarf, DDR-Traditionen fortzusetzen und - wegen der
Konkurrenz zur Konfirmation - christliche Rituale zu entweihen. Besonders regte ihn auf, daß der bfg an Schulen für seine
Alternative warb, wie dies die Kirchen seit jeher für ihre Zeremonien tun. Die Nürnberger Sprecherin Susanne Betzold wies die
CSU-Polemik entschieden zurück.
Das Angebot solle Jugendlichen, die keiner Kirche oder Sekte angehören, Begleitung "auf ihrem Weg des Erwachsenwerdens"
vermitteln. Außerdem sei die Jugendweibe keineswegs eine Erfindung der DDR, sondern vor 140 Jahren von freireligiösen
Vereinigungen eingeführt worden. Daß der Arbeiter- und Bauernstaat diese Tradition aufgriff, sei nicht dem bfg anzutasten und
dürfe die Grundidee auch nicht diskreditieren. Sie lud Freller zur Teilnahme ein, um sich ein unvoreingenommenes Bild zu
verschaffen, was dieser aber ablehnte. Der bfg-Landesvorsitzende Meister protestierte gegen die hinter Frellers Attacke
stehende weltanschauliche Intoleranz, die in bemerkenswertem Gegensatz zu der Empfindlichkeit steht, die sich umgekehrt bei
weit berechtigterer (und meist dennoch viel sachlicherer) Kritik an den Kirchen zeigt. Außerdem bescheinigte er dem ehemaligen
Religionslehrer angesichts dessen verfälschter Geschichtsdarstellung fehlende Bildung in geschichtlichen und philosophischen
Fragen. (Nürnberger Nachrichten, 27.12.97; Presseerklärung des bfg Bayern vom 28.12.97)
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(2494) Andechs. Wenn es ums Geschäft geht, kennt die Kirche keine Gnade. Diese Erfahrung machte
auch eine Brauerei in Dargun (Vorpommern), der die Andechser Mönche in einem jahrelangen Rechtsstreit das Recht absprachen, als
"Klosterbräu" zu firmieren, obwohl auch dort ein ehemaliges Kloster steht (das freilich nicht als Betreiber fungiert). Nun
wollen die Andechser Mönche auch gegen andere Firmen vorgehen, deren Markenbezeichnungen irgendwie auf Klöster schließen
lassen, selbst wenn gar kein bestimmtes genannt ist. Einzige Ausnahme sollen Produktionsstätten in kirchlichem Besitz sein. Die
in Schwierigkeiten geratene vorpommersche Brauerei erfreut sich indes einer Welle der Sympathie, zumal sie in dem von
Arbeitslosigkeit gebeutelten Landstrich einer der größten Arbeitgeber ist. Selbst aus dem Westen kamen Solidaritätsbekundungen
gegen diese kirchliche "Abbauhilfe Ost". Schon früher geriet das Kloster Andechs wegen seiner rabiaten, an die Frühzeit des
Kapitalismus erinnernden Methoden in die Schlagzeilen. So ekelten die Mönche einen Angestellten aus dem Unternehmen, weil er
einen Betriebsrat gründen wollte; Gewerkschaftsvertreter erhielten gar Hausverbot. Nach langem Rechtsstreit unterlagen die
frommen Brüder aber: Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof entschied, daß kirchliche Produktionsbetriebe - anders als
Dienstleistungseinrichtungen -keinen Tendenzschutz geltend machen können. Vor kurzem erregte der Orden Anstoß, als er in einem
Landschaftsschutzgebiet einen lukrativen Golfplatz errichten wollte; dieser Streit ist noch nicht entschieden. (Süddeutsche
Zeitung, 5.1.98; vgl. auch MIZ, 3-4/89, Meldung 1208)
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(2495) Augsburg/Würzburg. Das katholische Schulwerk Bayern beklagt die "unzulängliche staatliche
Bezuschussung" ihrer Privatschulen durch den Freistaat. Hintergrund sind Proteste katholischer Eltern wegen der Schließung von
drei Schulen in den Bistümern Augsburg und Würzburg, für die nun ein Schuldiger gefunden werden sollte. Das Schulwerk behauptet
überdies, die 155 katholischen Schulen entlasteten den Staat um jährlich über 100 Millionen Mark. Der Bund für Geistesfreiheit
Augsburg wies diese Darstellung in einer eigenen Erklärung zurück. Tatsächlich liegen die Staatszuschüsse über der genannten
Summe, so daß der Staat überhaupt nichts spart. Im Gegenteil:Gäbe es kirchliche Schulen nicht, müßten zwar mehr staatliche
errichtet werden, aber nicht im gleichen Umfang. Vielfach könnten die vorhandenen Schulen besser ausgelastet werden, was
insgesamt zu erheblichen Einsparungen führte. Außerdem verschweigt die Kirche, daß die kirchlichen Privatschulen Bayerns fast
völlig vom Staat finanziert werden, der mit dem Schulfinanzierungsgesetz von 1993 seinen Fördersatz nochmals angehoben hat. Die
Kosten der Volksschulen werden zu 100% aus öffentlichen Mitteln finanziert, ebenso einige "staatliche Schulen in kirchlicher
Trägerschaft" (darunter sieben prominente Benediktiner-Gymnasien). Bei den anderen Schulen trägt der Freistaat 90% der im
öffentlichen Dienst üblichen Lehrergehälter sowie zusätzlich 100 DM pro Schüler und Monat. Das deckt die Betriebskosten zu über
90%. Weiter führte der bfg aus: "Das eigentliche Problem der kirchlichen Schulen liegt in der rückläufigen Zahl klösterlicher
Lehrkräfte: Diese erhalten nur ein relativ geringes Taschengeld, während ihr Orden dieselben Staatszuschüsse wie für andere
Lehrer kassiert. Mit dem daraus resultierenden Überschuß konnten die Ordensschulen früher ihr verbleibendes Defizit
ausgleichen. Daß dies heute anders ist, liegt letztlich an der geringeren Attraktivität der Kirchen. Diese zu kompensieren,
kann aber nicht Aufgabe des Staates sein." Ebenso erinnerte der bfg, daß kirchliche Privatschulen - im Gegensatz zu kirchlichen
Kindergärten, die eine öffentliche Funktion übernehmen und daher Kinder aller Konfessionen aufnehmen müssen, eine spezifisch
innerkirchliche Funktion haben. "Daher ist es nur korrekt, daß die Steuerzahler - also auch Moslems und Konfessionsfreie -
nicht die gesamten Kosten tragen, sondern sich auch die Nutzer und die Kirche beteiligen." Nachdem das Kultusministerium die
finanziellen Forderungen ablehnte, beschloß das Schulwerk der Diözese Augsburg, ab dem Schuljahr 1998/99 von den Eltern aller
14.000 Schüler, die eine kirchliche Schule besuchen, ein Schulgeld von monatlich 50 Mark zu erheben. Gleichzeitig hält es an
der Schließung einer Realschule und der Augsburger Berufsfachschule für Hauswirtschaft und Kinderpflege sowie an der
Verkleinerung der gleichen Fachschule in Lindau fest. Betroffen sind (neben 50 Lehrkräften) in allen Fällen Schülerinnen, was
die Wertschätzung der Kirche für Frauen und Kinder wieder einmal unterstreicht. Inzwischen zog auch die evangelische Kirche
nach: Wegen rückläufiger Zuschüsse von der Landeskirche erhebt das Stetten-Institut, ein evangelisches Mädchengymnasium in
Augsburg, ab dem kommenden Schuljahr ein Jahres-Schulgeld von 880 Mark. (Augsburger Allgemeine, 12., 13., 14., 15./16. u.
18.11.97; Presseerklärung des bfg vom 19.11.97)
Anmerkung der MIZ-Redaktion: Ein solches Schulgeld kann Konfessionsfreien nur recht sein. Spätestens in der Kollegstufe
(d.h. in den letzten beiden Jahren vor dem Abitur), wenn die Klassenverbände sowieso aufgelöst sind und Schüler häufig die
Schule wechseln, wird die Attraktivität kirchlicher Schulen rapide abnehmen.
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(2496) Berlin. Das (evangelische) Diakonische Werk Berlin-Brandenburg wird sich bis zum 31. März
1998 von allen seinen 42 sozialen Beratungsstellen trennen. Von dieser Entscheidung, die der Diakonische Rat unter der Leitung
von Bischof Wolfgang Huber getroffen hat, sind 101 Mitarbeiter betroffen. Als Anlaß wurden Mittelkürzungen sowohl der
Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg als auch des Berliner Senats genannt, der künftig nur noch ein Fünftel der
Personalkosten tragen will. Der Jahresetat der Diakonie von gegenwärtig 6 Mio. Mark soll 1998 auf 5 Mio. und 1999 auf 3 Mio.
gesenkt werden. Bei den Einrichtungen handelt es sich vor allem um Ehe-, Ubens-, Familien- und Erziehungsberatung sowie
Bezirksstellen und Projekte wie betreutes Wohnen für Ausländer oder eine Wärmestube für Obdachlose. Gegenwärtig wird nach neuen
Trägern gesucht, um eine Schließung der Einrichtungen soweit wie möglich zu verhindern. Hingegen wird die von Baptisten
getragene "Evangelische Beratungsstelle" in Pankow ihre Arbeit fortsetzen. Die Kürzungen der Senatszuschüsse will der Bund
Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (Baptisten und Brüdergemeinden) durch verstärkte Spendenwerbung ausgleichen.
(epd-Wochenspiegel 37/97; idea spektrum 38/97)
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(2497) Köln. Für den Fall, daß der staatliche Einzug der Kirchensteuer wegfallen sollte, hat sich
der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Kock, für eine "Kultursteuer" ausgesprochen. Dies sagte er in einem
Interview mit der katholischen Wochenzeitung Rheinischer Merkur. Was eines Tages im sozialen Bereich oder zum Erhalt von
Kirchenbauten nicht mehr von den Kirchen zu finanzieren sei, müßte dann von der Gesellschaft auf andere Weise aufgebracht
werden. Kock schlug vor, angesichts des Kostenanteils kirchlicher Träger an Kindergärten mit dem Staat über neue
Finanzierungsmodelle zu verhandeln. (epd Top News 5769/28.8.97)
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(2498) Bad Teichach. Nach Ansicht von Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Mayer-Vorfelder
(CDU) sollten aus der Kirche Ausgetretene einen Sozialbeitrag als Ausgleich zur Kirchensteuer leisten. Mayer-Vorfelder sagte am
8. Januar in Bad Teichach, es sei ungerecht, wenn jemand aus der Kirche austrete, deren Einrichtungen aber weiterhin
nutze.
Der baden-württembergische Finanzminister wies aber auch darauf hin, daß es den Kirchen freistelle, den Hebesatz für die
Kirchensteuer zu erhöhen. Außerdem sprach es sich für flexiblere Gottesdienstzeiten aus. Die Maschinen würden bald rund um die
Uhr laufen, und der Mensch müsse ihnen folgen. (epd-Wochenspiegel 3/1998)
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(2499) Braunschweig. Der Finanzchef der braunschweigischen evangelischen Landeskirche,
Oberlandeskirchenrat Robert Fischer, hat bei einem Symposium des Bundes gegen Kirchensteuermißbrauch mal wieder das alte
Märchen aufgewärmt, die Kirchensteuer entlaste des Staat. Ohne die Kirchensteuer könne der kirchliche Betrieb nicht
aufrechterhalten werden, 300.000 bis 400.000 kirchlichen Mitarbeitern drohe Arbeitslosigkeit. "Die Abschaffung der
Kirchensteuer und die Übernahme freikirchlicher Strukturen würde zu einer beschäftigungspolitischen Katastrophe
führen".
Fischer sagte weiter, in seinem Bundesland sei die Kirche nach VW der größte Arbeitgeber. Bei einem Wegfall der
Kirchensteuer müßten viele ihrer sozialen Einrichtungen vom Staat übernommen werden, was zu einer Erhöhung der allgemeinen
Ausgaben führen würde. Ähnlich äußerte sich der Bremer Finanzsenator Hartmut Perschau (CDU): Sollte die Kirchensteuer weiter
sinken oder wegfallen, so müsse der Staat zahlreiche kirchliche soziale Einrichtungen übernehmen oder aber sie fielen "schlicht
weg".
Der Heidelberger Kirchenhistoriker Prof. Gerhard Besier kritisierte auf dem gleichen Symposium, in keinem Land Europas
müßten die kirchensteuerpflichtigen Mitglieder soviel zahlen wie in Deutschland. Auch sei in keinem anderen Land Europas die
Belastung mit Kirchensteuern so "ungerecht" verteilt wie in Deutschland: Nur ein Drittel der Kirchenmitglieder werde überhaupt
zur Kirchensteuer herangezogen, und dies seien meist die Berufstätigen zwischen 30 und 50, die die Dienste der Kirche am
wenigsten in Anspruch nähmen. Besier stellte weiter fest, in keinem anderen Land Europas hätten die Kirchen nach 1945 soviel
Vermögen zusammengebracht, und "nirgendwo sonst wurde so wenig danach gefragt, was mit dem Geld geschehen ist". (idea spektrum
48/97)
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(2500) Köln. Die katholische Wochenzeitung Tag des Herrn berichtete im Januar über die von einem
Geschäftsführer des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Dr. Winfried Fuest, aufgestellte Rechnung, nach der allein
die katholische Kirche dem Staat jährlich über 100 Millionen Mark zuviel für den Einzug der Kirchensteuer bezahle. Der
Finanzexperte rechnet vor: Der Staat berechnet den Kirchen für die Verwaltung der Kirchensteuer im Bundesdurchschnitt 3,25
Prozent Gebühr. Die staatlichen Erhebungskosten für die Lohnsteuer beliefen sich jedoch lediglich auf 1,9 Prozent. Würde dieser
Kostensatz auch für die Verwaltung der Kirchensteuer zugrundegelegt, hätte die katholische Kirche 1996 knapp 114 Millionen DM
weniger bezahlen müssen. (Tag des Herrn 2/98)
Anmerkung der MIZ-Redaktion: Dieser Versuch ist nicht neu: schon 1995 hatte der Sekretär der katholischen Bischofskonferenz,
Prälat Schätzler, vorgeschlagen, der Staat solle ganz auf seine Selbstkostenerstattung beim Kirchensteuereinzug verzichten.
Damals reagierte keine der Parteien darauf. Konsequenterweise müßten die Kirchen ihre Mitgliedsbeiträge jetzt selbst einziehen.
Diese Forderung wird von Andersgläubigen schon seit Jahren gestellt, von den Kirchen aber mit dem Hinweis auf die viel höheren
eigenen Verwaltungskosten vehement abgelehnt. Bei dem heute erreichten Stand der Computertechnik ist dies aber kein Argument
mehr. Der wirkliche Grund am Festhalten des staatlichen Einzugs liegt wohl darin, daß eine Abbuchung vom Konto dem
Kirchenmitglied wesentlich stärker ins Auge springt, als ein Abzug vom Bruttolohn, der auf dem Gehaltszettel zwischen Steuern
und Sozialabgaben fast verschwindet - die Zahl der Kirchenaustritte würde zunehmen.
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(2501) Stuttgart. Nachdem der badenwürttembergische Landtag bereits im Juli den Weg für ein
sogenanntes "besonderes Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe" freigemacht hatte, hat die Synode der Evangelischen
Landeskirche in Württemberg nun wie erwartet ein entsprechendes Kirchengesetz verabschiedet, nach dem von Kirchenmitgliedern,
"deren Ehemann oder Ehefrau keiner steuererhebenden Religionsgemeinschaft angehört und die nicht nach dem Einkommensteuergesetz
getrennt oder besonders veranlagt werden", ein jährliches Kirchgeld zwischen 216 und 4.500 Mark erhoben wird.
Die Regelung zielt auf diejenigen Kirchenmitglieder ab, deren Ehepartner der Hauptverdiener ist, jedoch aufgrund fehlender
Kirchenzugehörigkeit keine Kirchensteuer zahlt, und die selbst aufgrund ihres fehlenden oder nur geringen Einkommens selbst
auch keine Virchensteuer zahlen müssen.
Scharfe Kritik an der Entscheidung der Synode übte die Vereinigung evangelischer Freikirchen (VEF). Das VEF-Präsidium
äußerte sich betroffen darüber, daß die Freikirchen nicht an den Beratungen beteiligt gewesen seien. Das Gesetz lasse außer
acht, daß Angehörige von Freikirchen oft sehr beträchtliche Beträge für ihre Kirche sowie für missionarische und diakonische
Aufgaben leisteten. Die katholische Kirche erhebe kein derartiges "Kirchgeld". Die VEF will nun die Rechtslage zu prüfen. (idea
spektrum 49/97)
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(2502) Bonn. Die Kirchensteuer in Deutschland ist nach Ansicht von Bundesfinanzminister Theo
Waigel (CSU) durch die europäische Einigung nicht in Gefahr. Im Deutschlandfunk wies Waigel darauf hin, daß der Vertrag von
Maastricht einen "Harmonisierungsauftrag der EU" für direkte Steuern und somit auch für die Kirchensteuer ausdrücklich
verneine. Damit sei die Kirchensteuer in ihrem Bestand geschützt. Waigel sagte weiter, die Kirchensteuer habe sich bewährt, und
man sollte sie nicht in Frage stellen.
Entschieden wies der Finanzminister Kritik von seiten der Kirchen zurück, daß die geplante Steuerreform zu einem Rückgang
der Kirchensteuer führe. Zwar bringe ein niedrigerer Steuersatz eine gewisse Nettoentlastung, jedoch zeigten Beispiele aus den
USA und Skandinavien, daß sinkende Steuersätze sogar zu einem Wachstum von Steuereinnahmen führen könnten.
Waigel machte zudem darauf aufmerksam, daß die Kirchen es in der Hand hätten, Einnahmeverluste durch eine Anhebung des
Kirchensteuersatzes auszugleichen. Er erwarte allerdings nicht, daß die Kirchen diesen Schritt wagten. Dies würde seiner
Meinung nach auch bei jenen Bürgern auf Unverständnis stoßen, die der Kirche nahestünden. Einen finanziellen Ausgleich der
Kirchensteuerausfälle durch den Staat lehnte Waigel ab. Vielmehr böte sich den Kirchen die Möglichkeit, "mündige Christen" dazu
zu bewegen, die durch eine Steuerreform freigewordenen Gelder für das soziale Engagement der Kirchen zu spenden.
(epd-Wochenspiegel 49/97)
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(2503) München. Wer öffentlich oder durch das Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen
oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer beschimpft, soll künftig mit bis zu drei Jahren Gefängnis oder einer Geldbuße
bestraft werden - auch ohne Gefährdung des öffentlichen Friedens. Die CSU-Landesgruppe kündigte an, nach der Sommerpause einen
entsprechenden Gesetzentwurf in den Bundestag einbringen zu wollen. Ein ähnliches Vorhaben von Bayern und Baden-Württemberg war
1995 im Bundesrat gescheitert. Der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Norbert Geis, erklärte, angesichts
der Zunahme von Angriffen auf das christliche Bekenntnis trete die CSU für eine Neufassung des Paragraphen 166 des
Strafgesetzbuches (sog. "Gotteslästerungsparagraph") ein. Bisher muß für die Strafbarkeit eine Gefährdung des öffentlichen
Friedens vorliegen. Mehrere CSU-Abgeordnete äußerten Zustimmung und wiesen auf verschiedene Beispiele von "Gotteslästerung" in
der letzten Zeit hin, z.B. das Kruzifix als Klorollenhalter, die "Heiligsprechung" eines Homosexuellen durch eine ehemalige
Prostituierte in papstähnlichem Gewand oder Nacktaufnahmen auf dem Altar des Kölner Doms. Der CSU-Abgeordnete Johannes
Singhammer wies eigens darauf hin, daß es sich nicht um eine "Rolle rückwärts in das Mittelalter" handele.
Hingegen distanzierten sich die Jungen Liberalen von dem Vorhaben. Der JuLi-Bundesvorsitzende Michael Kauch stellte klar:
"Die Beschimpfung von Religionen darf nur dann unter Strafe gestellt werden, wenn der öffentliche Frieden gefährdet ist. [... ]
Wie in der Auseinandersetzung [...] um den Sonder-Ehrenschutz von Soldaten gilt auch hier: nicht alles, was man von Inhalt und
Form her für inakzeptabel hält, darf auch verboten werden." (epd Top News 5101/28.7.97; Presseerklärung der Jungen
Liberalen)
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(2504) Karlsruhe. Das Bundesverwaltungegericht hat eine Revision des Verfahrens um das Verbot
eines "blasphemischen" Musicals - "Das Maria-Syndrom" von Michael Schmidt-Salomon - abgelehnt. Die öffentliche Aufführung der
musikalischen Religionssatire war 1994 - einen Tag vor der Premiere - auf Antrag des Bistums Trier unter Androhung von
Polizeieinsatz verboten worden - zwecks Verhinderung einer Straftat nach 166 StGB. Mit der Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts ist nun der Weg frei für den Gang zum Bundesverfassungsgericht. (MIZ-Eigenmeldung)
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(2505) Düsseldorf. Mit dem Schuljahr 1997/98 hat Nordrhein-Westfalen das Fach "Praktische
Philosophie" an zunächst 140 Schulen versuchsweise eingeführt. Das neue Fach werde nur für Schüler auf dem Stundenplan
stehen, die nicht am konfessionellen Unterricht teilnehmen, erklärte Schulministerin Gabriele Behler (SPD) in Düsseldorf.
Das neue Fach solle die Schüler mit Sinn- und Wertfragen vertraut machen. Ministerin Behler wies eigens darauf hin, daß man
damit einem Wunsch der Kirchen erfülle. (epd-Wochenspiegel 34/97)
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(2506) Wetzlar. Deutschland ist nach Ansicht des hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel (SPD)
ein weltanschaulich neutraler Staat, aber kein Staat, dem es gleichgültig sein könne, was mit den Religionen und - "wir sind
christlich geprägt" - dem Christentum passiert. Deshalb gehöre auch der konfessionelle Reiigionsunterricht "selbstverständlich"
in die Schulen. Dies erklärte Eichel in einem Grußwort an die EKD-Synode, die vom 2. bis 7.11. in Wetzlar tagte.
Deutschland braucht nach Ansicht des SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine "ein neues Nachdenken über das Kulturgut Sonn- und
Feiertag". In einem schriftlichen Grußwort an die EKD-Synode erklärte der Politiker: "Um Gottesdienste auch in Zukunft
unbeschwert feiern zu können, darf der gesellschaftliche Schutz des Sonn- und Feiertags nicht angetastet werden." Die SPD trete
dafür ein, diesen Freiraum nicht Stück um Stück zu beschneiden. "Wir brauchen (und das nicht nur am Sonntag) Zeiten, in denen
äußere und innere Ruhe gefunden werden kann. Diese Zeiten können nicht ohne schwerwiegende Folgen für den einzelnen und die
Gemeinschaft zur Disposition gestellt werden."
Der Dialog mit der Kirche sei für die SPD unverzichtbar. Er gebe ihr wichtige Anregungen für die Bewältigung der politischen
Herausforderungen. Der Kanzler nennt es "erbärmlich", daß manche den Religionsunterricht aus den Schulen verdrängen wollen, und
sieht darin einen "Angriff auf die religiöse Erziehung unserer Kinder".
"Wo ein Mangel an Glauben herrscht, gibt es weniger Hoffnung. Und wo Hoffnung schwindet, verbreiten sich Ängste und
Unsicherheit. Das ist ein Preis der Säkularisierung unserer Gesellschaft." Dies erklärte Bundeskanzler Helmut Kohl in einem
Grußwort an die EKD-Synode in Wetzlar. Der Kanzler weiter: "Wer die Fehlbarkeit und Schuldhaftigkeit des Menschen leugnet,
läuft Gefahr, an Politik ideologische Heilserwartungen zu knüpfen. Die beste Immunisierung dagegen ist die Stärkung des
Glaubens und der christlichen Institutionen. (... ) Der Angriff auf die religiöse Erziehung unserer Kinder muß uns als Christen
wie als Staatsbürger alarmieren." Kohl weiter: "Wir sind hier auch als Staatsbürger betroffen, weil es hier nicht zuletzt um
Grundwerte der freiheitlichen Demokratie geht." Der Kanzler vertrat die Auffassung "Konfessioneller Religionsunterricht ist
kein überholtes Privileg der Kirchen, sondern eine notwendige Aufgabe des säkularen Staates." Schließlich erklärte er: "Auch
wer die Glaubenslehre der christlichen Kirchen nicht teilt, muß ihre [...] tragende Rolle für unsere demokratische Ordnung
anerkennen."
Erst im Juli hatte Kohl Gegnern der Kirchensteuer "Heuchelei" vorgeworfen, da sie zumeist nicht bereit seien, eine Anbebung
staatlicher Ausgaben anstelle des von den Kirchen erbrachten Beitrags im Sozialbereich zu akzeptieren. Belege für diesen
Vorwurf blieb der Kanzler freilich schuldig. (MIZ-Eigenmeldung)
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(2507) Hannover. Das Bundesverfassungsgericht soll sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichts
Hannover mit der Zulässigkeit derartiger Ersatzfächer befassen, die erst aufgrund der zahlreichen Abmeldungen vom
Religionsunterricht auf Wunsch der Kirchen eingeführt worden sind. Das Verwaltungsgericht folgte damit der Argumentation eines
16jährigen Schülers und seiner Eltern, der bereits vor mehr als drei Jahren die Befreiung von dem Ersatzfach "Werte und Normen"
beantragt hatte (siehe auch MIZ 4/97, S. 38-40). Der Vater des Schülers, selbst Jurist, hält es für unvereinbar mit dem
Grundgesetz, daß konfessionslose Schüler "erkennbar aussortiert und in Gruppen zusammengefaßt werden, um ihnen Sitte und
Anstand beizubringen". Hingegen betonte die Evangelisch-Lutherische Landeskirche Hannovers, daß sie großen Wert auf das Fach
"Werte und Normen" lege.
Anfang Juli war bereits die ähnliche Klage eines siebzehnjährigen Gymnasiasten vom Verwaltungsgerichtshof Mannheim abgelehnt
und zur Revision beim Bundesverfassungsgericht zugelassen worden. (epd Top News 5589/20.8.97)
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(2508) München. Die Berufungsklage eines Vaters von zwei Kindern gegen Kruzifixe in
Klassenzimmern ist am 22. 10. 97 vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückgewiesen worden. Das Gericht folgte damit einer
Entscheidung des Verwaltungsgerichts München, das die Klage im Januar in erster Instanz abgewiesen hatte. Eine Revision wurde
nicht zugelassen. (Az: 7 B 97.601) Der Kläger habe keine überzeugenden Gründe geltend machen können und nur politisch
argumentiert, hieß es in der Urteilsbegründung. Der Vater hatte bereits 1995 eine einstweilige Verfügung gegen das Kreuz im
Klassenraum seiner Tochter erreicht, die auf eine fast ausschließlich katholische Schule geht. Nun wollte er das "Symbol der
Unterdrückung" dauerhaft aus allen Unterrichtsräumen entfernen lassen, die seine Tochter besucht. Gemäß dem aufgrund des
"Kruzifix-Urteils" des Bundesverfassungsgerichts geänderten bayerischen Erziehungs- und Unterrichtsgesetz bestehe ein
Widerspruchsrecht nur, wenn "ernsthafte und einsehbare Gründe des Glaubens oder der Weltanschauung" vorgebracht werden, so das
Gericht. Diese Anderung hatte der Verwaltungsgerichtshof bereits im August weitgehend gebilligt.
Oberlandesanwalt Jochen Mehler vertrat die Ansicht, "Wer keiner Glaubensgemeinschaft angehört, kann auch nicht in Konflikt
mit anderen geraten". Eher könne er verstehen, daß Angehörige des jüdischen Glaubens im Kreuz ein Symbol der Verfolgung sähen.
Bei der Klage habe er aber den Eindruck, es handele sich lediglich umeine "Vetoposition" zu dem bayerischen Kruzifix-Beschluß.
Laut Mehler weist das Kreuz auf die christlichen Werte hin, in denen die abendländische Gesellschaft wurzele.
Die Anwältin des Klägers kündigte an, daß ihr Mandant möglicherweise das Bundesverfassungsgericht anrufen werde. "Als
Widerspruchsgrund gegen Schulkreuze darf nicht nur akzeptiert werden, daß jemand einen anderen Glauben hat, sondern auch, daß
jemand keinen Glauben hat". (Süddeutsche Zeitung 23.10.97)
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(2509) München. Bayern wird 1998 3,7 Millionen und 1999 4 Millionen Mark an den Landesverband der
Israelitischen Kultusgemeinden zahlen. Der Staatskanzlei zufolge sollen diese Finanzhilfen auch dazu dienen, den jüdischen
Gemeinden bei der Bewältigung der "enormen Herausforderungen" zu helfen, die durch den Zuzug osteuropäischer Juden enstanden
sind. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) und der Präsident des Landesverbands der Israelitischen Kultusgemeinden
unterzeichneten am 14. August einen Staatsvertrag, mit dem die Beziehungen zwischen dem Freistaat Bayern und den Israelitischen
Kultusgemeinden auf eine "dauerhafte rechtliche Grundlage" gestellt werden sollen, den Verträgen mit den beiden christlichen
Kirchen vergleichbar. Mit dem Vertrag will der Freistaat die Erhaltung und Pflege des deutsch-jüdischen Kulturerbes und des
jüdischen Gemeindelebens in Bayern unterstützen. Der Landtag muß dem Vertrag noch zustimmen. (epd-Wochenspiegel 34/97)
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(2510) Erfurt. Am 7.10.97 ist der "Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und dem Freistaat
Thüringen" in Kraft getreten, nachdem tags zuvor der "Botschafter" des Vatikans in Deutschland, der Apostolische Nuntius
Erzbischof Lajolo, und der thüringische Kultusminister Althaus (CDU) die Ratifikationsurkunden ausgetauscht hatten. Der Vertrag
beinhaltet umfassende Regelungen über Staatsleistungen (Zahlungen des Staates an die Kirche) und Denkmalspflege, den
Religionsunterricht, Schulen in kirchlicher Trägerschaft, Anerkennung und Förderung katholischer Einrichtungen im Gesundheits-
und Sozialwesen usw. Mit dem Vertrag seien "klare, verläßliche und auf Dauer angelegte Vereinbarungen getroffen", hob Althaus
hervor. Dies ist um so bemerkenswerter, als die Deutsche Verfassung bereits seit 1919 die Ablösung der Staatsleistungen fordert
und die entsprechende Bestimmung auch in die neue thüringische Landesverfassung aufgenommen wurde. Mit dem Vertrag - bei dem
auch auf Formulierungen aus dem Reichskonkordat von 1933 zurückgegriffen wurde - werde der "neue Anfang eines gemeinsamen
Weges" besiegelt, so der Kultusminister weiter. Lajolo wies darauf hin, daß das Gewicht des Vertrages in den Beziehungen
zwischen der katholischen Kirche und dem Freistaat "nicht überschätzt werden" könnte. Zwar unterschieden sich die Aufgaben von
Kirche und Staat, so Lajolo, doch stünden beide "im Dienste derselben Menschen." In Ibüringen sind weniger als 10 Prozent der
Bevölkerung katholisch - weit mehr als die Hälfte gehört keiner der beiden Amtskirchen an. (Frankfurter Allgemeine Zeitung,
7.10.97)
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(2511) Bonn. Im Zuge der Verkleinerung der Bundeswehr wird die evangelische Militärseelsorge die
Zahl ihrer Pfarrer innerhalb von drei Jahren um 10 auf 109 verringern. Dabei wird davon ausgegangen, daß von 340.000 Soldaten
140.000 evangelisch sind. Zusätzlich zu den derzeit 87 Standortpfarrern sind Militärpfarrer auch an Bundeswehrkrankenhäusern,
Offiziersschulen, bei den Führungskommandos sowie im Nato-Ausland tätig.
Gemäß dem Militärseelsorgevertrag von 1957 sorgt der Staat "für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt
ihre Kosten." 1997 weist der Bundeshaushalt allein für die evangelische Militärseelsorge 28,6 Millionen Mark aus, 1998 sind es
28 Millionen. In den neuen Bundesländern wird die Soldatenseelsorge im Gegensatz zu den alten Bundesländern nicht durch
staatlich bezahlte und auf Zeit verbeamtete Militärpfarrer geleistet, sondern aufgrund einer befristeten Rahmenvereinbarung
durch acht hauptamtliche und 30 nebenamtliche Pfarrer, die ausschließlich im Kirchendienst stehen.
Gemäß dem Militärseelsorgevertrag ist pro 1.500 evangelische bzw. katholische Soldaten ein Militärgeistlicher vorgesehen.
Bei 140.000 evangelischen Soldaten dürfte es demnach lediglich 93,3 evangelische Militärpfarrer geben und nicht 109. Außerdem
könnte man noch die evangelischen Soldaten in den neuen Bundesländern in Abzug bringen, wo der Militärseelsorgevertrag ja nicht
angewandt wird.
Knauer wies darauf hin, daß bei den Soldaten eine kirchliche Sozialisation nicht mehr als gegeben unterstellt werden könne.
Elementare religiöse Inhalte müßten im Lebenskundlichen Unterricht (der während der Dienstzeit erteilt wird, MIZ) neu
vermittelt werden. Diese Worte des Generaldekans machen deutlich, wie weit sich die Praxis der Militärseelsorge von der
betreffenden Vorschrift des Grundgesetzes entfernt hat. Dort heißt es in Art.140 i.V.m. Art.141 WRV:"Soweit das Bedürfnis nach
Gottesdienst und Seelsorge im Heer besteht, sind die Religionsgesellschaften zur Vornahme religiöser Handlungen zuzulassen". In
der Praxis werden den Soldaten während der Dienstzeit durch staatlich bezahlte Pfarrer "elementare religiöse Inhalte"
vermittelt. (epd Top News 6891/14.10.97)
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(2512) Berlin. Nach über zweijähriger Unterbrechung haben am 20. November Vertreter des Berliner
Senats und der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg die Verhandlungen über einen Kirchenvertrag fortgesetzt. In einem
"sehr konstruktiven Gespräch" sei die Bildung zweier Arbeitsgruppen zu Zahlungen des Staates an die Kirche (Staatsleistungen)
und Religionsunterricht vereinbart worden, die noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen sollen, sagte der
Öffentlichkeitsreferent der berlin-brandenburgischen Landeskirche, Reinhard Stawinsiki. Der angestrebte Kirchenvertrag soll den
Preußen-Vertrag aus der Vorkriegszeit sowie das "Abschließende Protokoll" von 1970 ablösen. Die Bestimmungen des Protokolls
waren Ende 1991 auch auf die östlichen Stadtbezirke Berlins ausgedehnt worden. Während des alliierten Status Berlins waren
keine Verträge zwischen Staat und Virche erlaubt.
Sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche streben an, daß der Religionsunterricht in Berlin innerhalb eines
Bereichs von Wahlpflichtfächern ordentliches Lehrfach wird. Dietmar Volk, kirchenpolischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die
Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, hält ein Wahlpflichtfach Religion in Trägerschaft der Amtskirchen für "überflüssig". In
Berlin sei der Religionsunterricht wie in Bremen freiwillig und werde vom Land Berlin mit jährlich 56 Millionen Mark für den
evangelischen und 13 Millionen Mark für den katholischen Unterricht gefördert. Die Resonanz des Religionsunterrichts in den
Berliner Schulen sei in den letzten Jahren "eher bescheiden" und im Westteil der Stadt sogar leicht rückläufig gewesen. Die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen forderte den Senat auf, den Religionsunterricht bei den Verhandlungen über den Kirchenvertrag
auszuklammern und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bremer Klausel abzuwarten. (epd-Wochenspiegel 48/97;
Pressemitteilung von Dietmar Volk)
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(2513) München. "Angesichts drastisch gesunkener Studentenzahlen" und der "überreichlichen
Ausstattung mit Personal" hat der Oberste Bayerische Rechnungshof (ORG) in seinem Jahresbericht das Nebeneinander der
evangelischen Fakultäten an den Universitäten München und Erlangen in Frage gestellt und empfohlen, die katholischen Fakultäten
in Augsburg, Bamberg und Passau aufzulösen. Im Hauptstudienbereich "Kirchliche Prüfung" seien die Studentenzahlen fast um 60
Prozent zurückgegangen. Immer weniger Abiturienten entscheiden sich für ein Tbeologiestudium. Während in München ein
evangelischer C4-Professor für 'Meologie durchschnittlich für 43 Studenten zuständig ist und ein katholischer für 75, kommen
bei den Juristen auf einen Lehrstuhlinhaber 203 und bei den Betriebswirtschaftlern 277 Studenten.
Bayerns Kultusininister Hans Zehetmair (CSU) hingegen ist "weiterhin gegen eine Schließung von ganzen Fakultäten". Zehetmair
zufolge seien die meisten bayerischen Universitäten aus theologischen Hochschulen hervorgegangen. Mit einer Schließung wäre ein
"erheblicher Eingriff in die historisch gewachsene Hochschullandschaft Bayerns verbunden". Stattdessen will Zehetmair die
Fakultäten selbst' verschlanken. Alle Fakultäten sollten weiterhin das Grundstudium anbieten. Kooperationen zwischen den
Fakultäten sollen zu "Synergieeffekten" führen. Einem Bericht der Bamberger Zeitung Fränkischer Tag zufolge sieht ein interner
Entwurf des Kultusministeriums die Streichung von 30 Professuren vor. (epd Bayein, 11.12.97)
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(2514) Kiel. Die Kieler Landesregierung hat einem Staatsvertrag zwischen dem Land
Schleswig-Holstein und der Jüdischen Gemeinde in Hamburg zugestimmt, von der aus die in Schleswig-Holstein lebenden Juden
verwaltet werden. Wie Kultusministerin Gabriele Böhrk (SPD) am 10. Dezember in Kiel erklärte, solle der Vertrag dazu beitragen,
"das kulturelle Erbe des Judentums im Land zu wahren und zu pflegen". Auch wolle die Landesregierung die soziale Eingliederung
von Juden erleichtern, die aus Osteuropa eingewandert sind. Der Vertrag regelt unter anderem staatliche Zuwendungen für
Baumaßnahmen, die Gleichstellung jüdischer Friedhöfe mit kommunalen Friedhöfen und die Anerkennung von Feiertagen. Der Landtag
muß dem Vertrag noch zustimmen. (epd-Wochenspiegel 51/52/1997)
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(2515) Magdeburg. Ein Konkordat des Landes Sachsen-Anhalt mit dem Vatikan unterzeichneten
Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) und der Vertreter des Heiligen Stuhls in Deutschland, der Apostolische Nuntius
Giovanni Lajolo am 16. Januar in Magdeburg. Der Landtag wird das Abkommen voraussichtlich im März ratifizieren.
Das Land verpflichtet sich in dem Konkordat zu Zahlungen an die katholische Kirche, die, ausgehend von 5,2 Millionen Mark im
Jahre 1992, entsprechend der Besoldung für Beamte im Staatsdienst angepaßt werden sollen. Außerdem verpflichtet sich das Land,
an öffentlichen Schulen katholischen Religionsunterricht zu gewährleisten und Lehrer dafür auszubilden. Auch der Schutz
kirchlicher Feiertage wurde festgeschrieben.
Es handelt sich um das vierte Konkordat mit einem neuen Bundesland nach ähnlichen Verträgen zwischen dem Vatikan und
Sachsen, Thüringen sowie Mecklenburg-Vorpornmern. Ein Vertrag mit der evangelischen Kirche wurde bereits 1993 geschlossen,
entsprechende Vereinbarungen mit dem Landesverband der Jüdischen Gemeinden in Sachsen-Anhalt bestehen seit 1994.
(epd-Wochenspiegel 4/1998)
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(2516) Schleswig/München. In Schleswig-Holstein ist der erste Volksentscheid der Bundesrepublik
zur Wiedereinführung des Buß- und Bettags als gesetzlichem Feiertag gescheitert. Zwar stimmten 422.646 Bürger (68,2 Prozent der
abgegebenen Stimmen) mit Ja, aufgrund der niedrigen Wahlbeteiligung (29,3 Prozent) wurde jedoch die erforderliche Mindestzahl
an Ja-Stimmen (530.357, ein Viertel der Stimmberechtigten) klar verfehlt. Somit ließen sich trotz eines immensen Aufwands nur
knapp 20 Prozent der 2,12 Millionen Wahlberechtigten für den Bußtag motivieren.
Die nordelbische Kirche hatte in den vorhergehenden Wochen einen regelrechten "Wahlkampf" für den Buß- und Bettag geführt.
Mit Fassadenkletterern wurden Banner mit der Aufschrift "Ja zum Bußtag" am Petri-Dom in Schleswig und an der Petrikirche in
Lübeck angebracht. Ein lila "Buß-Mobil" wurde auf Tour geschickt. Landesweit wurden Plakate geklebt und eine Anzeigenkampagne
geschaltet. Unter anderem wurde auch mit Autoaufklebern, lilafarbenen Krawatten, Halstüchern und Luftballons geworben.
Für die Kampagne waren 600.000 Mark vorgesehen. Für jede abgegebene Ja-Stimme erhält die nordelbische Kirche vom Land 50
Pfennig Wahlkostenerstattung. Die Kosten des Volksentscheids für das Land bezifferte Abstimmungsleiter Dietmar Lutz mit über 6
Millionen Mark.
Eine Initiative Bayerns im Bundesrat zur Wiedereinführung des Buß- und Bettags als gesetzlichem Feiertag wurde am 19.
Dezember mit großer Mehrheit abgelehnt. Dabei ging es um einen Gesetzentwurf, bei dem der Arbeitgeberanteil zur
Pflegeversicherung statt durch den Wegfall des Bußtags durch Mehrarbeit oder Verzicht auf einen Urlaubstag kompensiert werden
sollte. Bayern hatte als Begründung auf den andauernden Widerstand gegen die Streichung des Feiertages verwiesen. Der
bayerische evangelische Landesbischof Hermann von Loewenich äußerte Bedauern über die Entscheidung des Bundesrates.
In Bayern wird es aller Voraussicht nach kein Volksbegehren zur Wiedereinführung des Buß- und Bettags als Qesetzlichem
Feiertag geben. Dir bayerische evangelische Landesbischof Hermann von Loewenich sagte im Münchener Presseclub, es sei
"schwierig, das Quorum zu erreichen", da in Bayern nur 27 Prozent der Bevölkerung evangelisch seien. Angesichts des
gescheiterten Volksentscheids in Schteswig-Holstein müsse die bayerische Kirche "ein Stück Realitätsbewußtsein bewahren und
einen Alleingang vermeiden".
Der Kirchenamtspräsident der EKD, Valentin Schmidt, sieht wenig Chancen für die Wiedereinführung des Buß- und Bettags.
Schmidt erklärte in Hamburg, das Ergebnis des Volksentscheids in Schleswig-Holstein sei zwar "überraschend" gut gewesen, jedoch
würde eine zweite verlorene Volksabstimmung vermutlich das Ende der Diskussion bedeuten. (epd Top News 7851, 20.11.97,
epd-Wochenspiegel 1/98, epd Bayern 17.1.98)
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(2517) Bonn. Wer seine Kirche verläßt, verliert auf Dauer den Bezug zum Religiösen. Die Teile der
Bevölkerung, die keiner Kirche angehören, seien im allgemeinen religiös taub und stumm. Diese Ansicht vertrat der Bonner
Bevollmächtigte des Rates der EKD, Militärbischof Hartmut Löwe, am 5. Oktober auf einer Tagung der evangelischen
Michaelsbruderschaft. Es sei ein Irrweg, außerhalb oder neben den institutionellen Kirchen eine Revitalisierung der Religion zu
erwarten. Die Großkirchen hätten eine stärkere Bindungskraft, als oft angenommen werde. Zwar bestanden in der kirchlichen
Praxis durchaus Defizite, wer deshalb aber in die Säkularisation auswandere, begebe sich auf einen Irrweg. Auch wachse das
Interesse an neuer Religiosität nicht mit abnehmender Kirchenbindung: wer sich von seiner Kirche trenne, nehme spezifisch
religiöse Erfahrung bald nicht mehr wahr. (epd- Wochenspiegel 41/97)
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(2518) Zweibrücken. Die Veröffentlichung der Namen von aus der Kirche Ausgetretenen verletzt
nicht die "Intimsphäre", sondern lediglich die weniger geschätzte "lndividualsphäre". Damit ist die Namensnennung zwar aus der
Sicht des Datenschutzes rechtswidrig, bleibt jedoch folgenlos, d.h. dem Betroffenen muß kein Schadensersatz geleistet werden.
Auf ein entsprechendes, letztinstanzliches Urteil des Landgerichts Zweibrücken wies am 29.1.98 der Datenschutzbeauftragte der
norddeutschen Diözesen, Lutz Gramman hin. Der Verstoß werde als "zu geringfügig" angesehen. In dem Urteil ging es um die Klage
eines Katholiken, der 1995 in Busenberg (Pfalz) aus der Kirche ausgetreten und dessen Name Anfang 1996 in den
Gemeindenachrichten veröffentlicht worden war. (Az: 3 S 134/97) (Frankfurter Rundschau, 30.1.98)