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(1) 1977. Als "ausschließlich zur persönlichen Information bestimmt" lanciert die Katholische
Nachrichten-Agentur (KNA) in letzter Zeit mehrfach Meldungen, die gegen die sozialliberale Koalition und ihre Politiker
gerichtet sind. So stellt KNA in Nr. 20 ihres Informationsdienstes vom 12. Mai 1977 "Risse in der Koalition" fest: "In Bonn
verdichten sich die Anzeichen für ein Auseinanderbrechen der Koalition noch in diesem Jahr. Es dürfte nur eine Frage der Zeit
sein, bis auch in der Öffentlichkeit bekannt wird, daß inzwischen eine Mehrheit der FDP-Fraktion die Meinung vertritt, die
Grundlagen für das historische Bündnis zwischen Arbeiter und Bürger (Maihofer) seien infolge der Reideologisierung der SPD
entfallen ..." KNA Nr. 22/23 vom 26. Mai 1977 schreibt über einen "Brandt-Anschlag auf Vier-Mächte-Status Berlins"; unter
Berufung auf einen "der SPD angehörenden hohen Beamten des Bundesministeriums für innerdeutsche Angelegenheiten" habe "Willy
Brandt als Bundeskanzler gegenüber der amerikanischen Regierung 1972 vor Unterzeichnung des Berlin-Abkommens offiziell erklärt,
die Bundesrepublik habe kein Interesse mehr an der Aufrechterhaltung des Vier-Mächte-Status für ganz Berlin."
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(2) Mrz 1977. Auf einer Tagung der "Arbeitsgemeinschaft der DGB-Gewerkschafter in den
CDU-Sozialausschüssen" in Mülheim/Ruhr traten Tendenzen einer möglichen Spaltung der Einheitsgewerkschaft offen zutage.
DGB-Vorstandsmitglied Maria Weber begegnete den massiven Angriffen mit dem Hinweis, sie werde sich mit dem DGB-Vorsitzenden
Vetter dafür einsetzen, die christlich-demokratische Repräsentanz in den Gewerkschaftsämtern weiter zu stärken.(Maria Weber ist
praktizierende Katholikin und gehört zum Dutzend christlich-konservativer DGB-Delegierter, die gegen die Fristenregelung
votierten. Maria Weber ist stellvertretende DGB-Vorsitzende, Leiterin des DGB-Frauenreferats und Vorsitzende der obengenannten
Arbeitsgemeinschaft. DGB-Vorsitzender Vetter gehört der evangelischen Kirche an.)
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(3) Mrz 1977. DGB-Vorsitzender Heinz-Oskar Vetter hob vor der katholischen Kirchenpresse die wachsende
Bereitschaft seiner Organisation zur Zusammenarbeit mit den Kirchen hervor. Das neue DGB-Grundsatzprogramm soll mit den
Kirchenführern beraten werden.
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(4) Mai 1977. Der Vorsitzende des DGB, Vetter, der gegenwärtig den Kontakt zu kirchlichen Verbänden
verstärkt und sich insbesondere positiv gegenüber dem Papsttum äußert, lobte am 23. Mai 1977 vor rund 50 Priestern aus dem
Bistum Aachen in Düsseldorf das "überzeugende Konzept" der katholischen Soziallehre. Nirgendwo werde das Recht auf Arbeit und
der Vorrang des Faktors Arbeit im Wirtschaftsleben deutlicher betont.
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(5) Mai 1977. Das Recht der Krankenhäuser und Ärzte, Schwangerschaftsabbrüche zu verweigern,
bekräftigte der nordrhein-westfälische Sozial- und Gesundheitsminister Friedhelm Farthmann (SPD).
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(6) Mai 1977. Von den 518 Abgeordneten des Bundestages der laufenden 8.Wahlperiode bezeichnet sich eine
Parlamentarierin als konfessionslos. Das Handbuch des Deutschen Bundestages weist die Religionszugehörigkeit wie folgt aus(in
Klammern 7. Wahlperiode): 193 (171) Abgeordnete römisch-katholisch, 159(165) evangelisch, 160 (180) keine Angabe, 4 (2)
sonstige Religionszugehörigkeit und 1 (0) konfessionslos. Von den Katholiken gehören 163 (146) der CDU/CSU an, 25 (21) der SPD
und 5 (4) der FDP, von den evangelischen Christen 87 (87) der CDU/CSU, 61 (63) der SPD und 11 (15) der FDP.
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(7) Mai 1977. Der bayerische Staatsminister für Bundesangelegenheiten und stellvertretende
CSU-Landesvorsitzende, Heubl, hat auf einer Tagung des Katholischen Männervereins in Tuntenhausen "zutiefst bedauert", daß "es
heute bereits katholische Theologieprofessoren gibt, die den Teufel und das Böse auf dieser Welt als Einbildung hinstellen
..."
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(8) Mai 1977. Der Vorsitzende der Kommission für Publizistik der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof
Moser, und der Präsident des Zentralausschusses der Werbewirtschaft, Wiethoff, vereinbarten eine enge Zusammenarbeit.
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(9) Mai 1977. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und die Katholische
Arbeitnehmerbewegung (KAB) vereinbarten eine verstärkte Zusammenarbeit und Koordination auf entwicklungspolitischem
Gebiet.
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(10) Mai 1977. Zum "Europa-Tag" betonte der Augsburger Bischof Stimpfle die Notwendigkeit eines
Zusammenschlusses der Christlich fundierten Parteien Europas. Diese Union sei "unaufschiebbar, um der Herausforderung des
atheistischen Kommunismus zu begegnen."
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(11) Mai 1977. Auf ein erhebliches Defizit bei der Anwendung der Menschenrechte im innerkirchlichen
Raum verwies der Jesuit Bruno Hipler, Dozent an der Hochschule für Philosophie in München. Als Beispiele führte Hipler die
Unterbezahlung kirchlicher Angestellter, die Diskriminierung der Frau und archaische Strukturen innerhalb der Kirche
an.
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(12) Jun 1977. Mit Erzbischof Joseph Ratzinger tauschte der evangelische Landesbischof in Bayern,
Johannes Hanselmann, den Friedenskuß. Dazu äußerte ein Sprecher des Internationalen Bundes der Konfessionslosen (IBDK) in
Berlin die Vermutung, bei der Besetzung von Bischofssitzen in der BRD und Westberlin werde neuerdings die Auswahl nach
ökumenischen Gesichtspunkten getroffen. Auf diese Weise würden beide Lager die Wiedervereinigung generalstabsmäßig
vorantreiben.
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(13) Jun 1977. Auf eine Rede des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK),
Kultusminister Hans Maier, vom 13. Mai 1977, nach der dem Staat eine Wertordnung vor- und aufgegeben sei, für dessen Erhaltung
und Gestaltung der Staat Mitverantwortung trage, hat Bundeskanzler Schmidt in scharfer Form geantwortet. In einem am 28. Juni
1977 vom Bundeskanzleramt veröffentlichten Interview für die Juli-Ausgabe der Evangelischen Kommentare fühlt sich Schmidt in
seinen Äußerungen "gröblich mißdeutet". Der Staat werde von nicht zur Disposition stehenden Wertprinzipien geleitet. Die
Grundrechte im allgemeinen seien zum Teil Ausfluß von Grundwerten. Von welchen Grundwerten aus der einzelne Bürger von seinen
Grundrechten Gebrauch mache, könne und dürfe der Staat nicht vorschreiben.
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(14) Jun 1977.Engagierte katholische Publizisten und Redakteure erhalten wichtige Positionen in den
öffentlichen Rundfunk- und Fernsehanstalten sowie in der privaten und parteigebundenen Zeitungsbranche. So wechselte jetzt der
Redakteur in der Norddeutschen Landesredaktion der Katholischen Nachrichten-Agentur, Hans Georg Niemetz, zum Südwestfunk in
Baden-Baden. Niemetz wird dort in der Hörfunk-Redaktion "Tagesaktuelle Politik und Zeitgeschehen" arbeiten.
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(15) Jun 1977. Die katholischen Pädagogen- und Elternverbände haben sich in Bonn zu einer
"Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände für Erziehung und Schule" (AKVES) zusammengeschlossen.
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(16) Jun 1977. Der katholische Studentenpfarrer von Stuttgart, Bruno Gittinger, forderte angesichts
der zunehmenden psychischen Störungen bei Studenten einen Ausbau der sozial-therapeutischen Beratung durch konfessionelle
Hochschulgemeinden und andere freie Träger.
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(17) Jun 1977. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer grundsätzlichen Entscheidung zum
Jugendhilferecht erneut das Subsidiaritätsprinzip bestätigt. Danach trete öffentliche Jugendhilfe nur dann ein, wenn der
Anspruch des Kindes auf Erziehung von der Familie nicht erfüllt werde. Die öffentliche Jugendhilfe habe Nachrang (Aktenzeichen:
VC 22.76 vom 31. 3. 1977).
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(18) Jun 1977. Der Vizepräsident des Deutschen Bundestages, Schmitt-Vockenhausen, wurde vom
vatikanischen "Außenminister" Casaroli in Rom empfangen.
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(19) Jul 1977. Kirchenvertreter benutzen die Gefangenenhilfsorganisation "Amnesty International" (ai)
in verstärktem Maß dazu, die Freilassung engagierter, meist konservativer Christen durchzusetzen. Der Augsburger Bischof
Stimpfle unterzeichnete mit 250 Teilnehmern des "Ulrichstreffens" der katholischen Jugend eine "ai"-Resolution gegen
Folterungen in Uruguay und forderte gleichzeitig die Freilassung der ukrainischen Gläubigen Rudenko und Tychyj.
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(20) Jul 1977. Nach Ansicht des Bischofs von Rottenburg, Georg Moser, befindet sich die
Familienpolitik in einer "dramatischen Entscheidungsphase". Vor allem das Elternrecht sei durch die Sozialisierungstendenzen
des Gesetzentwurfes zur Neuregelung des elterlichen Sorgerechts gefährdet.
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(21) Jul 1977. Nach einem Spruch des Oberlandesgerichts Hamm brauche ein Vermieter sich nicht
gefallenzulassen, daß eine Mieterin einen Partner aufnehme, mit dem sie ehelos zusammenleben wolle (Aktenzeichen: 9 U
216/76).
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(22) Jul 1977. Das Bundesverfassungsgericht hat am 5.Juli 1977 eine Entscheidung veröffentlicht, nach
der die Beschlagnahme von Klientenakten öffentlich-rechtlicher Körperschaften unzulässig und verfassungswidrig sei. Damit wurde
der Verfassungsbeschwerde des Caritasverbandes Aachen stattgegeben, in dessen Sozialpsychologischem Zentrum am 24. Oktober 1976
bei einer Großrazzia 250 vertrauliche Klientenakten von Drogenabhängige, beschlagnahmt worden waren. Nach dem gleichen Beschluß
des Bundesverfassungsgerichts erscheine allerdings nicht jede Suchtkrankenberatungsstelle des verfassungsrechtlich gebotenen
Schutzes vor Beschlagnahme der Klientenkartei würdig. Schutz vor Beschlagnahme verdienten nur öffentlich-rechtlich anerkannte
Beratungsstellen (das sind in erster Linie die Anlaufstellen der beiden großen Kirchen - MIZ). (Aktenzeichen: 2 BvR
988/75).
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(23) Aug 1977. Der Leiter der Zentralstelle Bildung der Deutschen Bischofskonferenz, Aloys Heck,
registriert einen Schüleransturm auf katholische Konfessionsschulen. In den vergangenen fünf Jahren seien 50 katholische
Schulen mit 50.000 Schülern neu errichtet worden.