EU-Verfassung ohne Gottesbezug

Aus: IBKA Rundbrief August 2004

Nach langen Verhandlungen haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 18. Juni 2004 auf einen Verfassungstext geeinigt.

Der von vielen säkularen Verbänden bekämpfte Art. I-51, der den Kirchen besondere Rechte einräumt und die vorhandenen Privilegien garantiert, wird in der EU-Verfassung enthalten sein (s. Rundbrief August 2003, S. 37).

Der Gottesbezug und der Verweis auf das "christliche Erbe" jedoch konnten trotz aller Lobby­arbeit und Kampagnen der Kirchen und christlich geprägter Staaten abgewendet werden. Die Präambel verweist stattdessen auf die "Inspiration des kulturellen, religi­ösen und humanistischen Erbes Europas (...), aus dem sich die universalen Werte der unverletzbaren und unveräußerlichen Rechte des Menschen, der Demo­kratie, der Gleichheit, der Freiheit und des Rechts­staats entwickelt haben ...".

Die CSU hat bereits angekündigt, einen Gottesbezug notfalls per Volksentscheid durchsetzen zu wollen. Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte am Abend der Einigung: "Da hätte man weitergehen können, auch mit unserer Zustimmung." Und auch SPD-Chef Franz Müntefering meinte, er hätte es "besser gefunden, wenn es drin steht." Allerdings hätten sich in erster Linie Frankreich und Belgien einem Verweis auf das christ­liche Erbe widersetzt.

Verbittert reagiert haben der Vatikan und das greise Katholikenoberhaupt. Man sah aus kirchenpolitischer Sicht darin eine "schwere Niederlage" ... und verwischt damit den Blick auf den viel wichtigeren Art. I-51. Kardinal Kasper erklärte: "Es ist einfach unverständlich, dass man nicht in der Lage ist, das so zu formulieren. Der Gottesbezug sagt, dass es Werte gibt, Normen gibt, die der Entscheidung der Mehrheit vorgeordnet sind. Etwas, was heilig ist, was unantastbar ist." "Und Gott vergessen, heißt dann letztlich auch den Menschen und die Menschenwürde vergessen", hetzte er gegen eine Verfassung, die gerade in der Präambel die Menschen­rechte betont.