Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland - Autorenlesung und Diskussion

Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland

Autorenlesung und Diskussion mit Carsten Frerk in Bochum

Aus: IBKA Rundbrief Mai 2002

Bereits bevor Ende Dezember die ersten Exemplare des Buches von Carsten Frerk über "Finanzen und Vermögen der Kirchen in Deutschland" (Alibri-Verlag; ISBN 3-932710-39-8; 24,50 €) versandt wurden, beschäftigte das Werk des Hamburger Politikforschers die Presse, ausgelöst durch einen ausführlichen Bericht im Spiegel. Auch die christliche, aber durchaus kirchenkritische Zeitschrift Publik-Forum stellte das Buch eingehend vor. Dort wird zwar bemerkt, dass der Alibri-Verlag dem IBKA e.V. nahe stehe, dies aber dem Rechenwerk keinen Abbruch tun würde, "zumal der Autor Frerk zumeist maßvoll urteilt".

Am 17. Januar 2002 war Frerk zu Gast im Kulturbahnhof Bochum-Langendreer. Vor ca. 30 Interessierten referierte er über seine Studie. Trotz der recht trockenen Zahlen und Abbildungen, die Frerk vorstellte, kam eine rege Diskussion und ein fruchtbarer gegenseitiger Informationsaustausch zustande. Leider fehlte bei dieser Veranstaltung die Contra-Position im Publikum - oder sie gab sich nicht zu erkennen...

Frerk erläuterte zunächst einmal, wie er auf die Thematik gekommen sei. Es begann mit der einfachen Frage, wie reich die Kirchen eigentlich seien. Verwundert musste Frerk feststellen, dass es dazu keine brauchbare Literatur gibt, die detaillierte Angaben machen konnte. So begann er mit einer Recherche, die sich drei Jahre hingezogen hat.

Die ersten Finanzzahlen erforschte er im Internet. Dann fragte er bei den Kirchen selbst nach, musste aber erkennen, dass man ihm hier nicht weiterhelfen konnte. Nicht, weil man nicht wollte, sondern weil man selbst keine Zahlen über Gesamteinnahmen und -vermögen hatte. Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz bat Frerk gar, ihm diese Zahlen zukommen zu lassen, falls er sie ermitteln könne.

Insgesamt hatte Frerk den Eindruck, als ginge die katholische Kirche - im Gegensatz zur evangelischen - offener und selbstverständlicher mit dem Thema Geld um. So veröffentlichen auch wesentlich weniger evangelische Landeskirchen und Gemeinden ihre Haushalte im Internet.

Auf teilweisen Widerstand ist Carsten Frerk allerdings im Laufe seiner Recherche bei staatlichen Stellen gestoßen. Hier war man in Bezug auf Staatsleistungen nicht immer auskunftsfreudig. Und diese Leistungen an die Kirchen sind enorm, auch wenn die entsprechenden Zahlen in den kirchlichen Haushalten nicht unbedingt diesen Eindruck vermitteln - denn sie tauchen dort überhaupt nur zu einem Teil als Einnahmen auf. Staatliche Gelder für kirchliche Hilfswerke, Entwicklungshilfe, konfessionelle Schulen, Kindergärten, theologische Fakultäten, Caritas und auch Kirchentage gehen direkt, und ohne Umweg über den Kirchenhaushalt, an die entsprechenden Einrichtungen und Rechtsträger.

Auf eine Besonderheit der katholischen Diözesen machte Carsten Frerk sein Publikum aufmerksam. Neben dem Diözesanhaushalt, der durchaus einer Kontrolle und begrenzten Mitbestimmung der Laienmitglieder unterliegt, existiert als eigener Rechtsträger der so genannte "Bischöfliche Stuhl", der keiner solchen Kontrolle ausgesetzt ist. Einnahmen aus Investment- und Immobilienfonds, der Siedlungsgesellschaften und teilweise der Kirchenbanken, aber auch einige Staatsleistungen gehen direkt an ihn.

Carsten Frerk informierte die Zuhörer, dass die Kirchen aus eigenen Mitteln nur wenig für den sozialen Bereich leisten. Das zeigt sich vor allem an der Bezahlung der hauptamtlichen kirchlichen Mitarbeiter. Hier trägt die Kirche nur 16,2 % der Kosten insgesamt. Sämtliche Mitarbeiter der Diakonie und Caritas werden vom Staat und der Öffentlichkeit finanziert. Zur auffällig hohen Anzahl kirchlicher sozialer Einrichtungen hat das Subsidiaritätsprinzip geführt, entwickelt von der katholischen Soziallehre und gesetzlich verankert 1961 durch den katholischen Kanzler Adenauer, am Ende der einzigen Legislaturperiode (1957-1961), bei der die CDU/CSU die absolute Mehrheit im Deutschen Bundestag hatte. Nach diesem Prinzip räumt der Staat den freien Trägern der Wohlfahrtspflege - in der Realität vor allem den kirchlichen Trägern - einen Vorrang im Sozial- und Jugendbereich ein, bevor er selbst tätig wird.

Als benennbare Zahlungen an die Kirchen durch den Staat, wobei Frerk auch die "negativen Zahlungen", den Einnahmeverzicht, aufführt, kommt der Autor auf die stattliche Summe von über 39 Milliarden Mark im Jahr. Dabei macht der staatliche Einnahmeverzicht durch Vergünstigungen der Kirchen vor allem im Steuerrecht und Gerichtswesen immerhin ca. 20 Milliarden Mark aus. Als verfassungswidrig kritisierte Frerk die Zahlungen der Länder nach dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803. Hier wurde bereits von der Weimarer Verfassung - und so auch ins Grundgesetz übernommen - die Ablösung dieser Rechtstitel gefordert.

Am kirchenfreundlichsten unter den Bundesländern in Bezug auf Zahlungen an die Kirchen und ihre Einrichtungen im Verhältnis zur Einwohnerzahl hat sich übrigens nicht Bayern, wie Frerk vermutete, herausgestellt. Bayern kommt "erst" an dritter Stelle. In der Statistik führt Rheinland-Pfalz (157 DM/Kopf), gefolgt von Nordrhein-Westfalen (128 DM/Kopf). Mit letzterem hatte Frerk nicht gerechnet und überraschte damit wohl auch manchen im Bochumer Publikum. Nun wüsste er, warum man Rau immer "Bruder Johannes" nennt, schmunzelte Carsten Frerk denn auch.

Fachkundig diskutiert und hinterfragt wurde von den Gästen die Verteilung der staatlichen Entwicklungshilfe an nicht-staatliche Organisationen. Hier bekommen die Kirchen den größten Teil ab. Die Gelder sind zwar grundsätzlich Projekt gebunden. Kritisiert wurde aber vom Publikum, dass hierbei religiöse Strukturen stabilisiert würden und die Kirchen selbstverständlich auch wiederum christliche Organisationen im Empfängerland als Partner wählten, während staatliche Entwicklungshilfe doch Menschen ohne Ansehen der Religion fördern sollte.

Wer die Kirchen durch einen Kirchenaustritt abstrafen möchte, dem musste Frerk einen Wermutstropfen einschenken. Bei sinkenden Kirchensteuerzahlen - oder für die Zukunft vermuteten Senkungen - stiegen entsprechend die Leistungen des Staates, und somit auch des Ausgetretenen, an die Kirchen. Trotz "notleidender Kirchen" steigen übrigens jedes Jahr die Geldeinlagen der Kirchenbanken.

Kurz nach dieser Veranstaltung veröffentlichte die EKD eine Stellungnahme zu Frerks Buch: "Angeblicher Kirchenreichtum ist eine Luftnummer". Man warnte davor, aus der Studie die falschen Schlüsse zu ziehen. Die Pressemitteilung endete mit einem Blick in die Zukunft: "Laut Schmude muss die Kirche aufgrund rückläufiger Einnahmen künftig sparen. Er bedauert, dass dabei auch Dienste und Arbeitsplätze abgebaut werden müssten. Dank solider Planung und einer vorsichtigen Ausgabenpolitik lasse sich das jedoch 'ohne allzu große Einschnitte und Härten' verwirklichen. Es blieben aber auch neue Maßnahmen möglich, die nicht nur den 26,6 Millionen evangelischen Kirchenmitgliedern, sondern der ganzen Gesellschaft zugute kämen."

Unser Staat wird sicher gerne der armen Kirche unter die Arme greifen...