Was ist und was will die Atheist Alliance International?

Mynga Futrell

Die AAI ist noch sehr jung, erst 10 Jahre alt. Sie ist ein Bündnis 44 autonomer Gruppen, 35 davon in den USA und wurde gegründet, um mit vereinten Kräften den atheistischen Einfluss in allen Ländern der Welt spürbar zu machen und um Kooperation für gemeinsame Ziele anzuregen. Anfangs konzentrierten wir uns nur auf die USA, sind aber seit kurzem entschlossen unsere Sicht auf die ganze internationale Ebene zu erweitern. Wir hoffen, dass wir mit Hilfe eines internationalen Bündnisses die atheistische Denkweise in allen Nationen der Erde spürbar machen können. Wir sind uns sicher, dass eine Allianz den Atheismus zu einem besseren Stand in der Gesellschaft verhelfen und dadurch auch die Gesellschaft selbst verbessern kann.

Es ist bezeichnend für die AAI, dass sie durch und durch demokratisch und ein Bündnis individueller Atheisten und Freidenker ist. Sie ist eine sogenannte Graswurzelorganisation. Das Wirken unserer Allianz begann, als sich 4 atheistische Gruppen zum ersten Mal 1991 in Los Angeles trafen und sich verbündeten. Wir beschlossen zu der Zeit, dass wir die problematische Situation in der sich die amerikanischen Atheisten befinden, von Grund auf bekämpfen würden, indem wir diese Graswurzelorganisation gründeten.

Die AAI ist vollends demokratisch, wie auch jede ihre Mitgliedsorganisationen. Mit Absicht wurde unser Bündnis so gestaltet, dass alle Mitglieder den gleichbedeutenden Einfluss über Zielsetzung, Programm, Grundsatzentscheidungen und der Durchführung der Arbeit der Koalition haben. So hat jede Mitgliedsgruppe eine Stimme, obwohl die ursprünglichen vier, nun schon auf vierzig angewachsen sind.

Ein wichtiger Punkt: die ganze Allianz wird von Freiwilligen betrieben und auch von ihnen unterstützt. Es gibt nicht eine einzige Person die finanziellen Nutzen an ihr hat. Individuelle Mitglieder bringen ehrenamtlich ihre Energie, ihre Kraft und ihr Sachverständnis an den Tisch. Gemeinsam werden alle Entscheidungen getroffen und alle Arbeit erledigt.

Wie gesagt sind wir noch eine sehr junge Organisation, wir konzentrieren uns noch hauptsächlich auf die USA, sind ganz und gar demokratisch und arbeiten alle ehrenamtlich. Diese Tatsachen bilden das Fundament unserer Programmstruktur.

Raison d'etre unserer Allianz

Ich nehme an, dass ich Ihnen nichts Unbekanntes erzähle wenn ich behaupte, dass die meisten Bürger der USA sehr religiös sind. Die grossen Religionen sind sehr sichtbar und die amerikanische Definition von Moralität und Patriotismus wird von ihren Oberhäuptern bestimmt. Sie sind im Radio zu hören, man sieht sie im Fernsehen und sie sind in der Politik. Sie haben laute Stimmen, sie halten nicht zurück und haben die Aufmerksamkeit der Medien. Sie sind sehr einflussreich. Atheisten sind dem gegenüber machtlos, sie sind, sozusagen, unsichtbar.

Wo sind die Freidenker und Atheisten? Atheisten müssten eigentlich überall mit in Erscheinung treten, im politischen und sozialen Leben mitbestimmen. Sie müssten dafür sorgen, die Gesellschaft eine Gesellschaft der Vernunft zu machen, aufgebaut auf gesunden, logischen Menschenverstand. Anstatt haben wir eine Gesellschaft, die die Fragen der Humanität und der menschlichen Probleme mit Sentimentalität, Rührseligkeit und Mythos beantworten will. Die Atheisten in Amerika sind stumm. Sie "sind im Schrank" wie man bei uns zu sagen pflegt, sie verstecken sich. Sie geben selbst unter Freunden und Bekannten selten zu, dass sie die atheistische Lebensauffassung vertreten, und in der Öffentlichkeit schon gar nicht. Wehe auch dem politischen Kandidaten der sich öffentlich als Atheist bekennt, es wird das Ende seiner Karriere sein. Generell werden Atheisten als moralisch minderwertig angesehen. Der atheistische Standpunkt ist unakzeptierbar in Amerika. Die herrschende Kultur hat unzweideutig klar gemacht, dass der Atheismus a-moralisch und zerstörerisch ist, und so wird in der USA unverhohlen gegen Atheisten diskriminiert. Die Pfadfinder sind ein gutes Beispiel dafür. Die Bewohner des Landes nehmen es stillschweigend hin.

Die amerikanische Gesellschaftinterpretin Wendy Kaminer beschrieb die Situation in der USA sehr präzise als sie sagte, dass der Atheismus das noch einzig bestehende Tabu in Amerika ist. Atheisten sind in meinem Land eine Subkultur. Bis vor ungefähr 30 Jahren gab es noch eine weitere, die der Homosexuellen. Auch sie befanden sich "im Schrank" und wurden an den Pranger gestellt wenn sie sich öffentlich zu erkennen gaben. Sie schlossen sich aber zusammen und gingen gezielt gegen die öffentliche Meinung vor. Sie sind sogar zu einer politischen Macht geworden. Atheisten sind es aber bis heute noch nicht. Der Grund für unsere Machtlosigkeit ist die Tatsache, dass wir immer noch unsichtbar sind. Unsere gewählten Volksrepräsentanten, unsere Politiker, erkennen Atheisten immer noch nicht als eine ernstzunehmende Wählergruppe an, wir sind politisch unwichtig, obwohl gerade wir das beste Mittel sein könnten unsere Zivilisation vernünftig und humanistisch zu fördern!

Um Wirksam zu werden, um gehört zu werden, müssen wir das Problem der Unsichtbarkeit bezwingen und beseitigen. Deswegen haben wir uns entschlossen Bürgerinitiativen zum Nukleus unserer Arbeit zu machen.

AAI Tätigkeiten

Mehr demokratische Gruppen aufzustellen und die schon bestehenden zu verstärken und zu verbünden, ist eine der Hauptaufgaben der AAI. Parallel zu dieser Aufgabe müssen wir das rationale Denken fördern, den Gebrauch der Vernunft. Wir müssen die religiös-weltanschauliche Denkweise durch aufklärenden Unterricht an primären und sekundären Schulen, wie auch an den Hochschulen und Universitäten überwinden.

Die Allianz bewältigt alle diese Tätigkeiten mit Hilfe von schon vorhandenen Medien und Kommunikationsmitteln: sie führt Individuen und Gruppen auf ihrer jährlichen Konferenz zusammen, sie informiert an Hand eine vierteljährlich erscheinenden Zeitschrift, sie stellt eine Webseite zur Verfüugung (für Mitgliedsgruppen kostenlos) und druckt jährlich neu ein Verzeichnis, dass Organisationen und Informationen für weltweite Kontaktaufnahme beschreibt und auflistet. Weiterhin informiert sie über Organisationen die Hilfe und Unterstützung im Falle von Diskriminierungen bieten und gibt auch Auskunft über Behörden und Stellen an denen man anti-atheistische Bigotterie berichten und sonstige Hilfeleistungen finden kann. Dazu kommt noch unser Fernsehprojekt, dass uns erlaubt Videomaterialien mit Hilfe der Sender für öffentlichen Nutzen zu übertragen.

Auf indirekte Weise unterstützt die Allianz Neugründungen von gleichgesinnten Organisationen, indem sie Modelle für Gruppeninfrastrukturen zur Verfügung stellt, (Formulare und Organisationvorschriften), Verbindungen zu Gleichgesinnten herstellt und Gruppenformierungen anspornt, sie macht z. B. für zwei nationale Studentenallianzen Reklame. Und wir unterstützen finanziell das Wachsen unserer Mitgliedsorganisationen, indem wir deren selbsterworbene Spenden um das gleiche verdoppeln.

Aber das ist nicht alles. Wir führen auch Mensch zu Mensch und Atheist zu Atheist, indem wir Konferenzen organisieren die unsere Mitglieder zusammenführen. Diese Treffen und Versammlungen sind oft Brutstätte für neue Bestreben. Wir schicken auch Repräsentanten zu Treffen anderer Freidenkergruppen wie z. B. der "Koalition für eine Vernunftgesellschaft". Durch Zusammenarbeit hoffen wir der atheistischen Stimme in Amerika mehr Lautstärke verleihen zu können, damit sie auf der ganzen, nationalen Ebene hörbar werden kann. Wir sind auch bemüht unvorteilhafte Rivalitäten anderer atheistischer Gruppen zu vereiteln oder im Keim zu ersticken.

Da die AAI noch so jung ist, ist es sicher leicht zu verstehen warum wir noch lernen wie unsere Bemühungen am besten anzuwenden sind. Zum Beispiel: wie können wir bessere Allianzen formen? Wie sorgen wir dafür, dass man uns mehr Aufmerksamkeit schenkt? Wie kommen wir ins Augenmerk der Medien? Wie behandelt man Pressemitteilungen am besten?, denn wir können uns nicht immer erst absprechen ehe wir einen Entschluss fassen. Wie machen wir uns am besten über den lokalen Level hinaus hör und sichtbar? Diese vielen Fragen zu beantworten ist für eine Freiwilligenorganisation wie die unsere, auf Individuen basierend, eine grosse Herausforderung. Dieserlei Probleme versuchen wir noch zu lösen.

Überwindung des Unsichtbarkeitsproblems

Langsam lüftet sich jedoch der Schleier. Vor kurzem wurde unsere ganze Nation von einem unerhörten Fall in Atem gehalten. Ein Atheist mit viel Zivilcourage erhob vor Gericht Klage, indem er sagte dass die "under God" Klausel, der "Mit Gott" Satzteil des amerikanischen Treueeides den viele Kinder in der Schule aufsagen, gestrichen werden soll, da er im Sinne des Grundgesetzes, dass die Trennung von Kirche und Staat verlangt, gesetzwidrig sei. Das zuständige Gericht stimmte dem zu und erließ ein dementsprechendes Urteil. Die Öffentlichkeit empörte sich sehr und ihre Entrüstung nahm kolossale Ausmasse an. Daraufhin setzten sich zwei Freidenkergruppen zusammen und organisierten ein öffentliches Forum mit einem Gremium, dass aus Vertretern der verschiedensten Meinungen zusammengesetzt war; unter ihnen war nur ein Atheist. Das Forum kam gut an und war eine phantasievolle und logische Bearbeitung des Problemes. Für die Atheisten war es eine Gelegenheit das atheistische Bewusstsein der Bürger und Politiker zu erhöhen und sie zugleich zu unterrichten. Atheistische Aktionen so wie diese erregen hocherwünschte, positive Aufmerksamkeit.

Aufmerksamkeit verdienen durch beachtenswerte Maßnahmen - Wenn sich die Bürger in meinem Land über Kirche-Staat Trennungsverstöße beschweren wollen oder über die Religionen generell, bedienen sich gern der Atheisten. Aber wenn die Atheisten positive Aktionen durchführen wollen, werden sie nicht anerkannt. Selbstverständlich protestieren wir wenn wir guten Grund dazu haben, aber sollen wir immer nur negative Aufmerksamkeit erregen? Nein, wir wollen auch Ovationen für unsere Atheisten verdienen, aber das können wir nur mit Hilfe phantasivoller und konstruktiver Taten erreichen. Ich sehe solche Maßnahmen als den besten Weg zu gemeinsamen Bürgerinitiativen. Um auf diesem Weg erfolgreich zu sein, müssen wir uns den Einfallsreichtum unserer Mitgliedsorganisationen zunutze machen. Die Allianz kann dann anhand ihrer Zeitschriften, Rundbriefe und Webseiten, Informationen an andere Gruppen weiterleiten, die diese Einfälle dann auch für ihre eigenen Situationen benutzen können. Erfolgreiche Strategien lassen sich dann wiederum in weitere Unternehmen für die Allianz umsetzen.

Eine öffentliche Haltung für Atheisten - Das Wachstum der lokalen Gruppen zu unterstützen ist eine sehr anspruchsvolle Arbeit. Aber hier ist eine Strategie: zeigen sie Ihren Mitmenschen, dass Atheistenorganisationen ein Bestandteil des Alltagsbildes sind, dass sie friedliebende Mitbürger sind und keine Aussenseiter. Ich glaube, dass das viel mehr effektiv ist und vielleicht selbst den heimlichen Atheisten Mut macht, aus dem "Schrank" zu kommen. Wir müssen ganz einfach das soziale Stigma abwerfen das den atheistischen Aktivitäten bis jetzt noch so viele Schranken setzt. Der Filmdirektor Woody Allen sagte einmal, dass Erfolg zu 90% "dasein" ist. Also, seien wir da! Seien wir dabei!

Wenn wir erfolgreich sein wollen, müssen wir uns in die Öffentlichkeit begeben. Nur, unsere kleinen Informationsstände und Plakate erreichen nicht viel, wir müssen uns auch anders bemerkbar machen. Aber egal welche Aktivitäten wir bevorzugen, es ist immer besser ein zivilisiertes Vorbild zu sein, als nur Proteste für die Beschwerden anderen zu machen. Atheisten müssen als normale Mitbürger angesehen werden, als wertvoller Bestandteil der Bevölkerung. Dann können Atheistenorganisationen auch örtlich grösseren Einfluss bekommen und dadurch die Anzahl ihrer Mitglieder vergrößern.

Bürgergemeinschaft - Einige Mitgliedsorganisationen treten als freiwillige Helfer im Sozialbereich auf, wie z. B. bei der Armenversorgung. Freiwillig Zeit, Energie und Geld spenden ist auf dem lokalen Level sehr effektiv und hat drei Vorteile: erstens bekommen Atheisten ein gutes Selbstgefühl wenn sie sich sozial engagieren; zweitens geben ehrenamtliche Tätigkeiten "schüchternen" Atheisten Gelegenheit sich mit "aktiven" Atheisten zu verbünden und drittens stellt soziales Engagement Atheisten in ein positives Licht das oft die negativen Meinungen der Bevölkerung verbessern kann. Um das zu bewerkstelligen, sollten Atheisten möglichst solche Ehrenämter wählen, die die meiste positive Aufmerksamkeit erregen. Ich bin auch dafür, dass alle humanitären Aktionen an denen wir uns beteiligen, sofort allen wichtigen Funktionären unterbreitet wird, damit sie daran errinnert werden, dass auch die Atheisten zum gemeinsamen Wohl betragen.

Wichtig ist auf jeden Fall, dass alle Freidenker und Atheistenorganisationen Brücken zu anderen Organisationen schlagen die sich in ihrem Interessenbereich befinden. Jedesmal wenn wir mit anderen zusammenarbeiten, bereichern wir unseren eigenen Sachverstand und wir ernten auch den Dank anderer säkulare Gruppen, wenn man deren Sonderprojekte unterstützt. Ich könnte Ihnen in dieser Hinsicht viele Beispiele geben. Sollten sie daran interessiert sein, sprechen Sie doch bitte später mit mir darüber. Wir Atheisten müssen also Wege finden die zu positiven und konstruktiven Aktionen führen. Wir müssen die Zusammenarbeit mit anderen lernen, und wir müssen lernen wie man die atheistische Position stärkt, nicht nur auf der lokalen, sondern auch auf der globalen Ebene. Das ist die grosse Aufgabe die uns bevorsteht.

Kann die AAI ein Mittel der Zusammenarbeit sein?

Wir Atheisten sind aus allen Gegenden der Welt hier in Speyer zusammengekommen. In der Heimat befindet sich jeder in einer anderen Situation, die von der jeweiligen Kultur, Geographie, Wirtschaftslage, Regierungsstruktur und politischen und historischen Realitäten abhängig ist. Aber ich habe eine Vision: ich weiss, dass wir zusammen eine robuste, weltweite, eine vom Volk stammende, demokratische Organisation bilden können, die sichtbar, phantasievoll und konstruktiv die Ziele aller Atheisten und Freidenker verwirklichen kann.


Text einer Rede, die auf der Internationalen Konferenz und Mitgliederversammlung des IBKA in Speyer 2002 gehalten wurde. Ins Deutsche übersetzt von Ingeborg Carpenter.