Konkordat in Brandenburg
Aus: IBKA Rundbrief Dezember 2003 Konkordat in Brandenburg
Lange bemühte sich die katholische Kirche, auch in Brandenburg ein Konkordat mit dem Land abzuschließen; neben den drei Stadtstaaten war bislang auch Brandenburg noch frei. Nunmehr ist es soweit und der Unterhändler des Heiligen Stuhls, Nuntius Giovanni Lajolo, darf sich eines weiteren Erfolges beim Übertölpeln naiver Landespolitiker rühmen. Der Nuntius hatte in den vergangenen Jahren schon eine Reihe für die katholische Kirche sehr vorteilhafter Konkordate ausgehandelt, so z.B. 1996 in Sachsen. Jetzt wurde der Mann zum vatikanischen "Außenminister" befördert.
Die derzeitigen brandenburgischen Regierungsparteien, SPD und CDU, hatten den Abschluss des Konkordats (= Staatskirchenvertrag mit dem Heiligen Stuhl als Vertreter des Katholizismus) im Koalitionsvertrag vorgesehen. Einer üblichen, aber undemokratischen Praxis folgend, werden Verhandlungen zu solchen Verträgen geheim geführt. Nach der Unterzeichnung (12.11.03) können auch die gewählten Abgeordneten am Vertragstext nichts mehr ändern - sie können nur noch zustimmen oder ablehnen.
In diesem Falle wurde uns allerdings Ende September ein Entwurf des geplanten Konkordats zugespielt - vor der offiziellen Publikation, die erst nach Unterzeichnung erfolgen soll. Diesen Text haben wir dann auf unseren Internetseiten veröffentlicht - eigentlich eine Aufgabe der Regierung in einer Gesellschaft, die eine transparente, öffentliche Diskussion achtet. Es wäre auch Aufgabe der Regierung gewesen, - statt den Vertragstext im Wege des Mauschelns mit nur einer Interessenvertretung, der katholischen Kirche, zu diskutieren - mindestens eine öffentliche Anhörung zum Thema im Landtag anzuregen. Dort wäre es angebracht gewesen, zu dem beabsichtigten Konkordat auch die Meinung von Verbänden aus dem freigeistigen Spektrum einzuholen.
Gemeinsam mit fünf anderen Verbänden (Brandenburger Freidenker-Verband, Humanistischer Freidenkerbund Brandenburg und Humanistischer Verband Berlin-Brandenburg als lokale Organisationen; und als überregionale der Deutsche Freidenker-Verband und der Dachverband Freier Weltanschauungsgemeinschaften) hat der IBKA - neben der Publizierung des Entwurfs selbst - eine gemeinsame Stellungnahme und Pressemitteilung entworfen, an die Landesregierung und die Landtagsabgeordneten gesendet und offensiv Kontakt zu den Medien in Brandenburg und Berlin gesucht (beides ist im Internet auf unseren Seiten einsehbar, veröffentlicht am 28.10.03).
Gleichzeitig starteten wir eine kleine Mailaktion, in dem wir Nutzer unseres Forums freigeisterhaus.de ebenso wie die Bezieher unserer beiden Mailinglisten aufforderten, Protestmails und -briefe an die brandenburgische Politik zu senden.
Es folgte zumindest eine kleinere öffentliche Diskussion, die ohne unser Zutun indes überhaupt nicht stattgefunden hätte.
Bereits am 18.10.03 erschien in der Jungen Welt ein Artikel unseres Beiratsmitglieds Johannes Neumann unter dem Titel "Mausefallen-Strategie. Zu den Haken des Konkordats zwischen dem Land Brandenburg und dem Hl. Stuhl". Nach der Publikation unserer gemeinsamen Stellungnahme und eines weiteren offenen Briefes durch den HVBB erschienen im Tagesspiegel, im Neuen Deutschland, in den Potsdamer Neuesten Nachrichten und zuletzt in der größten regionalen Tageszeitung Brandenburgs, der Märkischen Allgemeinen, einige Artikel, die unsere kritischen Nachfragen aufgriffen. Im Tagesspiegel und den PNN wurde der IBKA auch namentlich erwähnt - leider durchaus keine Selbstverständlichkeit. Der Sender RBB interviewte den Autor der gemeinsamen Verbändestellungnahme, den 2. Vorsitzenden des IBKA, Notker Bakker. In der Wochenzeitung FREITAG erschien am 14.11.2003, dem Tag der Ratifizierung durch den brandenburgischen Landtag, ein Artikel des IBKA-Vorsitzenden, Rudolf Ladwig, unter dem Titel: Zahlen bis in alle Ewigkeit - Feudale Zeiten. Das Konkordat zwischen dem Land Brandenburg und dem "Heiligen Stuhl".
Reaktionen seitens der Politik, direkt an unsere Adresse gerichtet, blieben indes bislang völlig aus. Das Vorhaben wurde lediglich in kurzen Statements von Vertretern der Regierung gegenüber der Presse heruntergespielt.
So z.B. der Sprecher des Potsdamer Kultusministeriums, Holger Drews: "Für unvorhergesehene Ereignisse habe man eine Anpassungsklausel vereinbart." (Märkische Allgemeine, 01.11.03). Dies bezieht sich auf die Möglichkeit, vereinbarte direkte Subventionen für die katholische Kirche (1,15 Mio. EURO, laut Vertragsentwurf) in fünf Jahren anzuheben. Eine Klausel, mit der Möglichkeit einer Anpassung nach unten, enthält der uns vorliegende Vertragsentwurf jedoch nicht. Mit anderen Worten: Erst wird Wissen vorenthalten, dann wird aufkommende, berechtigte Kritik - gerade auch an der miserablen Informationspolitik (!!) - mit eben diesem Wissensvorsprung heruntergespielt, anstatt auf die ausführlichen, dezidierten Kritikpunkte unsererseits ernsthaft einzugehen. Ein letztlich schlicht unredliches Vorgehen: Staatskirchenklüngel.
Gleichzeitig kündigte eine PDS-Abgeordnete im angesprochenen Artikel der Märkischen Allgemeinen an, gegen das Konkordat zu stimmen. Dies wurde jedoch am 12.11.2003 schon wieder zurückgenommen: Man werde nicht dagegen stimmen.
Hier bleibt zu wünschen, dass die brandenburgischen PDS-Politiker, die ja aus der Opposition heraus agieren, den in Regierungsverantwortung befindlichen Berliner Parteifreunden deutlich machen, dass das Konkordat keine rein brandenburgische Angelegenheit bleiben wird, wenn beide Bundesländer fusionieren sollten.
Es ist ja insoweit schon merkwürdig, dass etwa zur selben Zeit in Berlin eine Diskussion entfacht wurde, ob bei einer angestrebten Fusion der "Reformationstag", so wie in Brandenburg, auch in Berlin Feiertag werden solle, gleichzeitig aber langfristige, faktisch unkündbare Zahlungsverpflichtungen, die Brandenburg eingehen möchte und zukünftig dann auch Berlin wird mittragen müssen, in Berlin niemanden zu interessieren scheinen. Und dies trotz desaströser Berliner Haushaltslage.
Es bleibt hier also auch zukünftig einiges an Aufklärungsarbeit zu leisten: Die Gefahr, dass im Zuge der Fusionsverhandlung das noch konkordatsfreie Berlin ebenfalls mit einem dieser seltsamen Fremdkörper unseres Rechtssystems durch die Hintertür belastet werden soll, ist evident.
Gleichzeitig entsteht der Eindruck, dass dort, wo die Kirchen - und in Berlin/ Brandenburg insbesondere die katholische Kirche - gesellschaftlich eine zunehmend geringere Rolle spielen, Thematiken wie die des Konkordats nicht ernst genommen oder schlicht nicht in ihren Konsequenzen verstanden werden. In diesem Klima der Unwissenheit und Naivität haben Unterhändler der Kirchen leichtes Spiel.
Gerade der Abschluss des Konkordats in Brandenburg - für die Hierarchie der katholischen 3,2 % (!!) der dortigen Einwohner - zeigt, dass sich effektiv wenig am Staatskirchenklüngel ändert, nur weil die Leute scharenweise aus den Kirchen austreten (so erfreulich diese Entwicklung auch ist). Der Staatsrechtler Konrad Hesse formulierte dies 1965 so: "[Die Kirchen streben] maximale institutionelle Sicherungen an [und suchen] das, was sie an unmittelbarem Einfluß auf die moderne Gesellschaft verloren haben, mittelbar durch staatskirchenrechtliche Institutionalisierung zurückzugewinnen" (hier zitiert nach Czermak, Religion und Weltanschauung, Aschaffenburg 1993, S. 287).
Wenn bei Erscheinen dieses Rundbriefes das Brandenburger Konkordat unterzeichnet und von den demokratischen Parlamentariern - wahrscheinlich ohne weitere Sachkenntnis - durchgewunken sein wird, ist klammheimlich längst der nächste weiße Fleck auf der Karte der Staatskirchenverträge bereits beseitigt: Am 21.11.2003 unterzeichnete Hennig Scherf (SPD) ein Konkordat für Bremen. Konnte im letzten Rundbrief berichtet werden, dass die Verhandlungen um einen Vertrag zwischen Hamburg und der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche vorerst am egomanen Schill gescheitert waren, hieß es zuletzt, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen wurden.
Dem Vernehmen nach verhandelt die katholische Kirche auch bereits mit dem SPD/PDS-Senat in Berlin über ein Konkordat. Überall werden sehr eilig die letzten Lücken in einem auf Dauer angelegten Vertragssystem staatlicher Kirchensubvention geschlossen, welche somit der alljährlichen demokratischen Haushaltsentscheidung künftig entzogen sind. Hierfür gelingt es den Kirchen fast ausnahmslos, durch Geheimverhandlungen jegliche öffentliche Debatte zu vermeiden. Den Kirchen willfährige Politiker machen dies möglich.