2003 - Meldungen 3320-3347

Europa

Deutschland

  • (3320) Köln. Die europäische Werteordnung ist nach Meinung des Kölner Kardinals Meisner gefährdet. Gift für die europäische Gesellschaft seien Drogensüchtige, Terroristen und Wissenschaftsgläubige. Auch Homosexualität verurteilte Meisner bei einem Vortrag in Budapest indirekt, denn sie widerspreche der Schöpfungsordnung. Die Frage laute: "Kann der europäische Mensch aus eigener Kraft all diese Gifte ausschwitzen oder überwinden?" Einen Bericht des Kölner Stadt-Anzeigers über die heftigen Äußerungen des Kardinals bestätigte das Erzbistum. Der Mensch solle nicht "aus Zweckmäßigkeitsberechnungen Moral erfinden", sagte Meisner. Der Kölner Lesben- und Schwulentag (KLuST) nannte Meisner einen "Hetzer auf dem Bischofsstuhl", den das liberale Köln nicht gebrauchen könne. Der Kardinal habe eine Grenze überschritten, deren Respektierung Konsens der Gesellschaft sei. "Der Kardinal sollte bedenken, dass er mit seinem unqualifizierten Urteil Mitglieder seiner Kirche trifft, als vergiftet bezeichnet und sie damit verstößt", hieß es in der KLuST-Mitteilung. In seinem Referat hatte Meisner weiter gesagt, wenn humanistische Werte allein auf sich, ohne einen Bezug zu Gott gestellt seien, "dann ist das nicht nur bedauerlich, sondern gefährlich". "Unsere europäische Gegenwart trägt darum auf vielfältige Weise solche Todeskeime in sich, die den gesunden Organismus vergiften, ja zum Kollabieren kommen lassen." Die Entkoppelung der Werte von Gott sei nicht eine neutrale Erscheinung, sondern eine Bedrohung. "Sie scheiden dann nämlich gleichsam auf natürliche Weise giftige Stoffe aus, die langsam das lebendige Gewebe unseres christlichen Abendlandes verseuchen und vergiften und schließlich zerstören." (Spiegel online, 28.10.03)

  • (3321) Weiden. Wegen sexuellen Missbrauchs und Untreue muss ein 47-jähriger Pfarrer aus der Oberpfalz drei Jahre ins Gefängnis. Das Landgericht Weiden verurteilte den katholischen Geistlichen zudem zu einem lebenslangen Berufsverbot für seelsorgerische Tätigkeiten in Verbindung mit Kindern und Jugendlichen. Zur Begründung sagte der Vorsitzender Richter, der Priester habe sich über einen langen Zeitraum und wiederholt an Jungen vergangen und damit einen erheblichen Vertrauensbruch begangen. Der inzwischen vom Dienst suspendierte Pfarrer hatte 45 Fälle von sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen sowie die Veruntreuung von 76.000 Euro aus Kirchengeldern eingeräumt.

    Die Staatsanwaltschaft hatte eine Freiheitsstrafe von dreieinhalb Jahren sowie ein Berufsverbot gefordert, die Verteidigung eine Bewährungsstrafe. Als Pfarrer in der Gemeinde Georgenberg fasste der 47-Jährige laut Anklage über Jahre Ministranten sowie Schülern im Religionsunterricht durch die Kleidung an die Genitalien und missbrauchte sie zu "Reiterspielen". Die Übergriffe geschahen auch in der Öffentlichkeit, etwa bei einem Kindergartenfest oder während der Busfahrt zu einer Jugendfahrt. Vor Gericht sagte der Pfarrer, er bedauere die Taten zutiefst und hoffe, dass keiner der Jungen in seiner persönlichen Entwicklung Schaden nehme. Ein Psychiater stellte bei ihm eine "sexuelle Abwegigkeit" fest. Der Priester sei pädophil und damit krank. Auf unbestimmte Zeit absolviert er derzeit eine Therapie in einer psychosomatischen Klinik.

    Der Prozess war im Februar ausgesetzt worden, weil noch ein Gutachten zur Schuldfähigkeit des Angeklagten eingeholt werden sollte. Kurz darauf wurden auch Betrugsvorwürfe gegen den Geistlichen laut. In dem neu aufgerollten Verfahren gab der Pfarrer auch zu, in zehn Fällen Geld von Konten der Kirchengemeinde zu Privatzwecken unterschlagen zu haben. Er sei mit seinem Verdienst nicht ausgekommen, weil er sich eine Eigentumswohnung gekauft habe. Den Betrag zahlt er durch monatliche Abzüge von seinem Gehalt zurück.

    Während des Prozesses war auch Kritik am Umgang mit den Opfern durch die Diözese Regensburg laut geworden. Der Vater eines der missbrauchten Jungen sagte, er verstehe nicht, wie ein pädophiler Pfarrer so lange unbehelligt Karriere in der Kirche machen könne. Die ersten Missbrauchsfälle datieren aus dem Jahr 1992, wurden aber zum Teil erst Jahre später angezeigt. Damals war der Angeklagte Kaplan in einer Pfarrei im oberpfälzischen Nittenau und verging sich mehrmals bei Ministrantenausflügen und in Jugendherbergen an Jungen. (N24.de, 18.8.03)

  • (3322) Hagen/Potsdam. Rotstift, Sozialabbau, Subventionsstreichungen - Begriffe, die in Brandenburg bekannt und verbreitet sind. Jeden trifft diese Politik - oder besser: fast jeden, denn die katholische Kirche im Bundesland Brandenburg mit einem Katholikenanteil von 3,2% in der Bevölkerung kann sich in dieser Hinsicht wahrlich nicht beklagen. Ministerpräsident Matthias Platzeck unterzeichnete am 12. November ein so genanntes Konkordat mit dem "Heiligen Stuhl", in dem etliche neue Zahlungen und Privilegien für die brandenburgische katholische Kirche vereinbart werden, Subventionen, die ein Vielfaches der direkt aus dem Vertrag ersichtlichen 1,15 Millionen Euro jährlich betragen werden.

    Auf diesen Umstand haben im Vorfeld der Brandenburgische Freidenker-Verband (BFV), der Deutsche Freidenker-Verband (DFV), der Dachverband der Freien Weltanschauungsgemeinschaften (DFW), der Humanistische Freidenkerbund Brandenburg (HFB), der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg (HVBB) und der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) in einer gemeinsamen Stellungnahme, gerichtet an Ministerpräsident und Landtagsabgeordnete hingewiesen.

    Der Vertrag weist zahlreiche Merkwürdigkeiten auf: Er läuft unbefristet und enthält keine Kündigungsklausel, obwohl er fast ausschließlich nur Rechte für die katholische Seite und fast nur Pflichten für das Land Brandenburg enthält. Eine öffentliche Diskussion um das Konkordat fand ebenso wenig statt wie eine Anhörung im brandenburgischen Landtag. Es gab auch keine zureichende Information der Öffentlichkeit. Um diesen "Geheimverhandlungen" Transparenz für eine möglichst wache Öffentlichkeit entgegenzusetzen, hatten sich die sechs beteiligten Verbände entschlossen, eine ihnen anonym zugegangene Fassung des Vertragstextes im Internet zu publizieren. Der Abschluss des Konkordates konnte dadurch jedoch nicht verhindert werden (Presseerklärung der Verbände, 29.10.2003, dpa 12.11.03)

  • (3323) Köln/Berlin. Der Islamistenführer Metin Kaplan darf vorerst in Deutschland bleiben. Er habe zwar kein Recht auf Asyl mehr, dürfe aber auch nicht abgeschoben werden, entschied das Verwaltungsgericht in Köln. Denn in der Türkei drohe ihm ein Strafverfahren, das nicht rechtsstaatlich sei. Der als "Kalif von Köln" bekannte Kaplan hatte wegen eines Mordaufrufs vier Jahre im Gefängnis gesessen und war im Mai entlassen worden. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und die Stadt Köln wollen ungeachtet des Abschiebeverbots die Ausweisung Kaplans vorantreiben. Eine Sprecherin der Stadt Köln wertete das Urteil als Fortschritt, weil klar sei, dass Kaplan keinen Asylstatus mehr genieße. Sobald die Bedenken mit Blick auf die Türkei nicht mehr bestünden, könne er abgeschoben werden.

    Kaplan habe den Asylstatus durch seine Straftat verwirkt, außerdem bestehe die Gefahr, dass er wieder straffällig werde, entschieden die Kölner Richter (Aktenzeichen 3 K 629/02.A und 3 K 8110/02.A). Deshalb sei die Aberkennung des Asylstatus, gegen die Kaplan geklagt hatte, gerechtfertigt. In der Türkei droht Kaplan ein Hochverratsprozess. Es bestehe die Gefahr, dass dabei Aussagen von Personen verwendet würden, die gefoltert worden seien. Dies verstoße gegen das Antifolterabkommen der Vereinten Nationen und die Europäische Menschenrechtskonvention, urteilte das Verwaltungsgericht. Darum dürfe er nicht abgeschoben werden. Schily hatte im Dezember 2001 Kaplans Organisation "Kalifatsstaat" verboten. Es war die erste islamistische Organisation, die nach der Streichung des Religionsprivilegs aus dem Vereinsgesetz verboten wurde. Schily hatte danach mehrfach mit der Türkei über die Modalitäten einer Abschiebung Kaplans verhandelt. (Trierischer Volksfreund, 28.8.03)

  • (3324) Kassel. Im langjährigen "Kopftuchstreit" zwischen der Lehrerin Fereshta Ludin und dem Land Baden-Württemberg ist die Entscheidung gefallen. Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts stellte in seine Urteilsbegründung fest, dass Lehrerinnen mit Kopftuch unterrichten dürfen. Mit 5:3 Stimmen hoben sie damit die Urteile von drei Verwaltungsgerichten auf. Nicht Behörden und Gerichte sollten über die Kopftuchfrage entscheiden, sondern der Gesetzgeber. Drei (konservative) Richter gaben ein Sondervotum ab.

    Die Karlsruher Richter taten sich mit der Entscheidung offenkundig schwer und formulierten zurückhaltend. Nach jahrelangem erbitterten Rechtsstreit mussten sie zwischen dem staatlichen Neutralitätsgebot und dem Recht auf freie Religionsausübung entscheiden; hinzu kommt zum Beispiel auch das Recht auf freie Berufswahl. "Das Grundgesetz lässt den Ländern im Schulwesen umfassende Gestaltungsfreiheit", so die Richter in der Urteilsbegründung.

    Nach ihrer Auffassung hat der Gesetzgeber grundsätzlich auch das Recht, auch das Tragen von Kopftüchern im Unterricht zu verbieten. Allerdings fehle es bisher an einer "hinreichend präzisen gesetzlichen Grundlage": Aus der gegenwärtigen Gesetzeslage lasse sich ein Verbot des Kopftuchs und die Einschränkung der Religionsfreiheit jedenfalls nicht begründen, so die Richtermehrheit. Nun müssen die Parlamente nachlegen - nicht nur in Baden-Württemberg, sondern auch in den 15 anderen Bundesländern. Wie sie die strittige Kopftuchfrage im Detail regeln, liegt in ihrer Hand, sofern die Begründung nachvollziehbar ist. Die Karten werden also neu gemischt, und das Bundesverfassungsgericht hat das Blatt zurück in die Hand der Politik gegeben.

    Somit feiert die streitbare Lehrerin zunächst einen Teilerfolg. Der Konflikt ist damit allerdings keineswegs vom Tisch: Sobald die Länder klare Regeln für den Umgang mit religiösen Symbolen und der Kleidung von Lehrern aufgestellt haben, ist ein Kopftuchverbot wieder möglich. "Auch gesetzliche Einschränkungen der Glaubensfreiheit" seien denkbar, so das Bundesverfassungsgericht.

    Wieweit der Gesetzgeber dabei auf den gesellschaftlichen Wandel und die "gewachsene religiöse Vielfalt" reagiere, bleibe den Ländern überlassen, heißt es in der Urteilsbegründung. Das sei nicht die Aufgabe der Exekutive. Letztlich reagiert das Bundesverfassungsgericht damit auch auf die starke Neigung der Politik in den letzten Jahren, unbequeme Sachverhalte nach Karlsruhe abzuschieben und politische Entscheidungen juristisch klären zu lassen. (Spiegel-online, 24.9.03)

  • (3325) Lohne. Jeden Morgen, kurz vor acht, liefert der Schulbus ein Rudel quirliger Kinder vor einem roten, nüchternen Backsteinbau am Rande der Stadt ab. Tag für Tag findet dann eine merkwürdige Szene statt. Die Schüler laufen zur gläsernen Eingangstür der Schule, plötzlich teilen sich ihre Wege. Die blonden Schüler strömen zum rechten Flügel des Gebäudes, in die katholische Franziskus-Schule. Die eher dunkelhäutigen Knirpse müssen sich links halten, Richtung Grimm-Schule. Sie ist für "Schüler aller Bekenntnisse" gebaut worden. "Aller Bekenntnisse" - das heißt hier: keine katholische Taufe. Es sind öffentliche Grundschulen, in denen die Kinder tagtäglich selektiert werden. Finanziert von den Steuern aller Bürger.

    Für die Zustände in den Grundschulen von Lohne haben sich bislang nur Lokalzeitungen interessiert. Doch nach dem Kopftuch-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes hat sich die Situation verändert. Die Zeit berichtete von nichtreligiösen Lohner Müttern, die ihr Kind katholisch hatten (um)taufen ließen, damit es einen guten Platz in einer öffentlichen, katholischen Bekenntnisschule und mehr Anerkennung in der Nachbarschaft bekommt. Hintergrund der seltsamen Geschehnisse: Aufgrund des Konkordates von 1965 ist das Land Niedersachsen verpflichtet, in der Gegend um Oldenburg einige öffentliche Schulen nur für katholisch getaufte Kinder bereitzuhalten. Die Kirche muss dafür bis heute nichts bezahlen. 130 staatliche katholische Bekenntnisschulen gibt es in Niedersachsen. In manchen Enklaven, wo das Schulwesen traditionell in katholischer Hand lag, sollten die kleinen Christenmenschen nicht von gottlosen protestantischen Beamten unterrichtet werden. So war es die letzten 200 Jahre. So stand es bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts in der Verfassung des damaligen Freistaates Oldenburg. So ist es heute noch.

    Die Auswirkungen dieses Regelwerkes sind zementiert und folgenreich: Nur eine von insgesamt fünf Grundschulen in Lohne, eben die Grimm-Schule, darf von nichtkatholischen Kindern besucht werden. Die anderen vier katholischen Grundschulen müssen nur 15 Prozent andere Kinder aufnehmen. Vor allem eine gebildete Schicht protestantischer Bürger will das nicht mehr hinnehmen. "Die Integration wird ausgebremst. Die Kinder werden vier Jahre hermetisch voneinander abgeriegelt. Russische Aussiedler und Türken verlernen Deutsch, weil sie nur unter sich sind", sagt die Protestantin Kerstin Sommer. In der Grimm-Schule, wo alle büffeln dürfen, würden die Zustände langsam unerträglich, erklären die Eltern. Hinten im Schulhof hat die Verwaltung bereits Baucontainer aufgestellt, die nun als Klassenzimmer dienen sollen. Die Sortierung der Kinder nach ihrer Konfession ist zugleich auch ein Mittel zuur Ausgrenzung von Ausländern: "Der Anteil von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache beträgt in einer Klasse erstmals 100 Prozent", erzählt Claudia Menschel, die Elternratsvorsitzende.

    In fünf Jahren, so die Berechnung, werden in der Industriestadt nur noch 50 Prozent aller Schüler Katholiken sein. Am liebsten würde Walter Becker, der zuständige Beamte im Lohner Rathaus, die Schulen schon morgen für alle öffnen. "Dass diese Situation nicht zeitgemäß ist, darüber sind sich alle einig", sagt er. Doch die staatlichen Bekenntnisschulen können laut Gesetz nur mit einer Zweidrittelmehrheit der Eltern geöffnet werden. Eine nicht abgegebene Stimme zählt als Nein. Allerdings gibt es eine Voraussetzung für das aktive Wahlrecht in dieser Frage: die katholische Taufe. (Die Zeit, 42/03)

  • (3326) Paderborn. Ein Plus von 6,5 Prozent bei den Einnahmen aus Vermächtnissen verzeichnet das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken 2002. Das entspreche einer Mehreinnahme von rund 170.000 Euro, teilte der Generalsekretär des Diaspora-Hilfswerks, Prälat Clemens Kathke, in Paderborn mit. Insgesamt hätten die Spenden aus diesem Bereich rund 2,8 Millionen Euro betragen. Die Zahlen verdeutlichten, dass die Arbeit des Werkes gerade bei Älteren einen hohen Stellenwert habe, erklärte Kathke. (Radio Vatikan, 27.8.03)

    Anm. MIZ: Diese Zahlen sprechen wohl eher dafür, dass die kirchlichen Institutionen (nicht nur das Bonifatiuswerk!) in Zeiten knapper werdender Kassen sich wieder stärker auf eine Strategie besinnen, für die sie schon in der Vergangenheit berüchtigt waren: die Erbschleichstrategie. Der MIZ-Redaktion sind Fälle bekannt geworden, in denen kirchliche Seelsorger noch auf dem Sterbebett mit sanftem Druck daran erinnerten, wie sinnvoll es doch sei, zumindest einen Teil des Vermögens (gerne auch mehr!) den kirchlichen Werken zu vererben.

Schweiz

  • (3327) Lausanne. In der Kirche von Thal in der Schweiz darf auch weiterhin um sechs Uhr am Morgen das Angelus-Läuten stattfinden. Dies berichtet das St. Galler Tagblatt. Damit wurde vom Bundesgericht in Lausanne die Klage eines Ehepaares aus Thal abgewiesen, die die Pfarrgemeinde verpflichten wollten, das Läuten um sechs Uhr abzustellen oder zu verschieben. In der Begründung verwies das Gericht darauf, dass die gemessenen Maximalwerte des Kirchengeläutes zu gering seien. Es widerspreche auch nicht dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, das öffentliche Interesse am Beibehalten einer gewachsenen Tradition höher zu bewerten als das Ruhebedürfnis der Kläger, so die Meinung der Lausanner Bundesgerichts. (Kath.net, 6.7.03)

Österreich

  • (3328) Sankt Pölten. Nicht der Islam ist die größte Herausforderung für die Kirche in Europa, sondern der Atheismus. Dieser Ansicht ist der St. Pöltener Bischof Kurt Krenn. Die beste Antwort auf die Angriffe der Moderne sei die persönliche Bekehrung jedes Katholiken, meinte Krenn gegenüber der Internetzeitung Kath.net. Erfreut zeigte sich der Bischof über das wachsende Interesse am Priesteramt in seiner Diözese. In Sankt Pölten hätten sich für das kommende Ausbildungsjahr mindestens 15 neue Seminaristen gemeldet. Die angehenden Priester müssten spüren, dass sie von der Kirche gebraucht und geliebt würden, erklärte Krenn. Dann gebe es auch Nachwuchs. (Kath.net, 28.8.03)

Frankreich

  • (3329) Paris. Der Minister für Kultur und Kommunikation der französischen Regierung, Jean-Jacques Aillagon, ist der Ansicht, dass das Übergehen des Christentums in der künftigen EU-Verfassung einem Akt der "Undankbarkeit", ja sogar der "Feindseligkeit" gleichkomme. So drückte sich der Kultusminister während eines Interviews mit dem katholischen Magazin France Catholique aus, bei dem es um den Europäischen Tag des Kultur-erbes am 20./21. September ging. Die Tagung wird dieses Jahr unter dem Thema "das spirituelle Erbe" stattfinden.

    "Das Christentum hat die europäische Kultur über mehrere Jahrhunderte lang geprägt und zwar sehr tiefgreifend, das ist eine Tatsache." Das Prinzip der Autonomie des Staates gegenüber der Kirche, so Aillagon, schließe eine exklusive Bezugnahme auf das religiöse Erbe aus, was gerechtfertigt sei. "Seinen spezifischen Charakter [den des religiösen Erbes] und seine Kraft jedoch zu verschweigen, ist meines Erachtens ein Versäumnis, ein Akt der Undankbarkeit, ja sogar der Feindseligkeit", so der Kulturminister. "Ich persönlich hätte einen großzügigeren und realistischeren, allerdings auch dynamischeren Text [der EU-Verfassung] bevorzugt".

    Die Tatsache, dass das Christentum nicht erwähnt werde, sei auf ein lückenhaftes Verständnis des Prinzips der Autonomie des Staates gegenüber der Kirche zurückzuführen: "Die Autonomie des Staates ist niemals mit der Negierung des Glaubens oder der Religion einher gegangen, sondern hat in Frankreich die Ablehnung einer Staatsreligion bedeutet [?] So verstandene Staatsautonomie schafft einen neutralen Raum, in dem ein Austausch verschiedener Bekenntnisse stattfinden kann. Auf diese Weise wird das gesamte kulturelle Erbe mit einbezogen, Kirchen, Synagogen, Tempel und Moscheen". [?] Aufgrund des Prinzips der Staatsautonomie kann jeder, ob er sich zu einem Glauben bekennt oder nicht, das gesamte Kulturerbe bewundern". (Zenit.org, 18.9.03)

Großbritannien

  • (3330) London. Eine detaillierte wissenschaftliche Langzeit-Studie, durchgeführt von Forschern in England, weist nach, dass das zentrale Prinzip der Astrologie jeder Gültigkeit und Grundlage entbehrt. Die Studie widerlegt die Behauptung, dass die Konstellation von Sternen und Planeten zur Zeit der Geburt Charakterentwicklung und Lebenslauf eines Menschen beeinflussen oder gar bestimmen könnte.

    Die "Time-Twin"-Studie wurde 1958 in London als medizinisches Forschungsprojekt begonnen. In ihrem Rahmen wurden mehr als 2.000 Babys registriert, die alle innerhalb von wenigen Minuten an einem bestimmten Tag Anfang März 1958 geboren waren. Die Studie hatte das Ziel, die gesundheitliche Entwicklung dieser "Zeit-Zwillige" zu vergleichen. Bald wurde das Untersuchungsfeld erweitert. Das Forscherteam beobachtete die Testpersonen über mehrere Jahrzehnte hinweg und erfasste Beobachtungsergebnisse in mehr als hundert Parametern im Zusammenhang mit Gesundheit, Beruf, Partnerbeziehung, Grade von Angst, Aggressivität, sozialer Aktivität, Intelligenz, Fähigkeiten im Bereich Musik, Kunst, Sport, Mathemathik, Sprache usw. Es wurde versucht, Belege für Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen zwischen den "Zeit-Zwilligen" zu finden. Solche konnten jedoch nicht festgestellt werden!

    "Die Testbedingungen hätten kaum erfolgversprechender sein können, aber die Ergebnisse waren gleichförmig negativ", schreibt der Wissenschaftler und ehemalige Astrologe Dr. Geoffrey Dean von Perth (Australien) in einem Bericht über die Studie, der gerade in der Zeitschrift Journal of Consciousness Studies erschien. Dr. Dean und sein Kollege Prof. Ivan Kelley, Psychologe an der Universität Saskatchewan (Kanada) haben die Ergebnisse der Studie ausgewertet und analysiert. Sie stellten fest, dass die "Zeit-Zwillige" keinerlei Merkmale oder Tendenzen miteinander teilen.

    Die Behauptung, die Konstellation von Sternen und Planeten könnte Einfluss auf Charakter und Leben der Menschen nehmen, hat sich nie auf eine wissenschaftliche Theorie stützen können, die in der Lage wäre zu erklären, wie und mittels welcher Art von Mechanismus dieser Einfluss möglicherweise wirken könnte. Nun ist schließlich der empirische Beweis erbracht, dass er überhaupt nicht wirkt. Die Studie zeigt in aller Klarheit, dass astrologische Voraussagen auf der Basis der Geburtskoordinaten nicht mit der Realität korrespondieren. Sie sind nichts anderes als Täuschungsmanöver. (Rationalist International Bulletin Nr. 112, 4.9.03)

  • (3331) London. Wie die britische Zeitung Observer berichtete, ist der Regierungschef Tony Blair entschlossen, den Säkularismus auszufegen und "Gott dazu einzuladen, mitten auf der Bühne politischer Entscheidung Platz zu nehmen". In einem schwerwiegenden "Bruch mit der britischen Tradition, dass Religion und Regierung nicht vermischt werden sollen", schreibt der Observer, hat Blair eine hoch profilierte religiöse Arbeitsgruppe aus Vertretern christlicher und anderer Glaubensvereinigungen als mächtiges Regierungsberatungskomitee berufen. Die "Faith Community Liaison Group" (Gruppe der vereinten Glaubensgemeinschaften) ist Teil des Innenministeriums. Ihre Einflusssphäre umfasst offiziell die Ministerien für Erziehung, Kultur, Medien, Sport, Handel und Industrie.

    Vorsitzender der ministeriellen Arbeitsgruppe ist Fiona Mactaggert, Minister für "Zivile Erneuerung" im Innenministerium. Mactaggert beschreibt die Zielsetzung des Komitees folgendermaßen: "Es hat zur Aufgabe, die effektivsten Mittel auszuarbeiten, um eine stärkere Beteiligung der Glaubensgemeinschaften an der Entwicklung politischer Richtlinien und deren Umsetzung in ganz Whitehall [im gesamten Regierungsbereich] zu erreichen. Dazu gehört es auch herauszufinden, in welchen speziellen Bereichen ein solcher Beitrag [der Glaubensgemeinschaften] am wertvollsten wäre. Der Premierminister kennt unsere Pläne und misst der Sache große Bedeutung bei. Das Komitee wird die Grundlage schaffen für eine wirkungsvolle Einbringung der Perspektiven und Bedürfnisse der Glaubensgemeinschaften in die Entwicklung politischer Konzepte in allen Regierungsbereichen."

    Christliche Gruppen frohlocken über die Initiative des Premierministers. Graham Dale, Direktor des Christian Socialist Movement, dessen Mitglied Blair ist, sagt: "Die Gruppe wird die Freiheit haben, sich mit politischen Angelegenheiten in allen Bereichen befassen. Sie wird sich aber auch anderen, weniger greifbaren Dingen zuwenden wie der Frage der Werte im öffentlichen Leben. Es hebt die Anerkennung des Glaubens als eines Faktors in der Beratung der Regierung auf eine neue Ebene und zeigt die Bereitschaft der Regierung an, sich in allen Bereichen des öffentlichen Lebens mit Gläubigen einzulassen." Neben verschiedenen christlichen Gruppen sind in dem Komitee auch Hindu, Muslim, Sikh und jüdische Glaubensgemeinschaften vertreten.

    Säkularisten in Großbritannien schlagen Alarm. "Wir haben den Eindruck, dass dies ein weiteres Beispiel für den Wunsch der Regierung darstellt, religiöse Organisationen zu bevorzugen und mit Sonderrechten zu bedenken. Und wir fragen uns, wann wohl die Ansichten und Bedürfnisse von Religionslosen in vergleichbarer Weise berücksichtigt werden", schrieb Keith Wood, Geschäftsführer der National Secular Society in London an Mactaggert. Trotz wiederholter Bitten, beklagt sich Wood, wurden nicht-religiöse Gruppen von jeder Beteiligung an der religiösen Arbeitsgruppe ausgeschlossen. (Rationalist International Bulletin Nr. 112, 4.9.03)

Belgien

  • (3332) Brüssel. Der Präsident der Europäischen Kommission, Romano Prodi, hat sich für die ausdrückliche Nennung des Christentums in der künftigen europäischen Verfassung ausgesprochen. Die unlösbare Verbindung zwischen Europa und dem Christentum verlange das, betonte Prodi in einem Beitrag für Dialoghi, die Quartalsschrift der italienischen Katholischen Aktion. Die monotheistischen Religionen, vor allem das Christentum, seien "einer der Faktoren der Entwicklung des Kontinents". Nach Ansicht Prodis hindert eine Anerkennung der christlichen Wurzeln Europas nicht daran, auch die Wurzeln zu entdecken, die Europa mit dem Volk Israel verbinden und "den Willen zum Dialog mit dem Islam zu betonen". (Kathpress, 6.9.03)

Vatikan

  • (3333) Vatikanstadt. Der Papst spricht Kondome löchrig. Entgegen dem wissenschaftlichen Konsens, wonach das Verhütungsmittel für das HI-Virus undurchlässig ist, propagiert der Vatikan, die Gummis hätten kleine Löcher, durch die das Virus dringen könne. Diese Überzeugung herrscht in den Führungsgremien der Kurie vor. Die britische Zeitung The Guardian berichtet von einem leitenden Pressesprecher in Rom, der die Behauptung, Kondome seien virendurchlässig, unterstützt. Dabei scheint es die geistlichen Herren herzlich wenig zu interessieren, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) versichert, die Beurteilung des Vatikans sei falsch.

    Der für Familienfragen zuständige Kardinal in Rom, Alfonso Lopez Trujillo, sagte gegenüber dem britischen Sender BBC: "Das Aids-Virus ist grob 450 Mal kleiner als ein Spermium. Und das Spermium kann leicht durch ein Kondom dringen." Diese "Margen der Unsicherheit", so der Kardinal, sollten für die Gesundheitsministerien Verpflichtung sein, auf Kondomverpackungen - wie etwa auf Zigarettenschachteln - darauf hinzuweisen, dass der Inhalt Gefahren birgt.

    Bei der Weltgesundheitsorganisation ist man über die Thesen aus dem Vatikan empört: "Diese falschen Aussagen über Kondome und HIV sind gefährlich. Wir haben mit einer weltweiten Seuche zu tun, der schon mehr als 20 Millionen Menschen zum Opfer gefallen sind. Derzeit sind mindestens 42 Millionen Menschen von dem Virus befallen." Laut WHO reduzieren ordnungsgemäße Kondome das Risiko einer HIV-Infektion um etwa 90 Prozent. Ein Kondom könne reißen oder verrutschen, es gebe jedoch keine Löchlein, durch die das Virus dringen könnte. (Spiegel online, 9.10.03)

    Anm. MIZ: Wenn man belegen wollte, wie stark Erkenntnis aus Interesse gespeist wird, beim Vatikan würde man leicht fündig: Hinter der pseudowissenschaftlichen vatikanischen Kondomkritik verbirgt sich natürlich die rigide Sexualmoral der Katholischen Kirche. Nach deren Vorstellung ist jede Form der künstlichen Empfängnisverhütung abzulehnen, da der Sex (gottgewollt) im Dienste der Zeugung stehe.

Polen

  • (3334) Warschau. In Polen erfährt die zeitgenössische Kunst derzeit einen massiven Angriff aus der rechtsgerichteten Politikecke. Im August dieses Jahres wurde Dorota Nieznalska, eine Künstlerin aus Gdansk, von einem Gericht dafür verurteilt, dass sie mit einem ihrer Kunstwerke angeblich die "religiösen Gefühle" einiger Leute verletzt habe. Dies war das erste solche Gerichtsverfahren im "freien" Polen.

    Kunst und Kunstinstitutionen sind ein leichtes Opfer für politische Angriffe. Diese einfache Wahrheit wurde in jüngster Zeit von polnischen Rechtskonservativen entdeckt. Zuerst fanden die Medien Interesse an junger Kunst, dann folgten Politiker, die mit ihren Angriffen auf die Kunst Unterstützung in den Medien und bei den ungebildeteren Bevölkerungsschichten erhielten. Schon im Dezember 2000 hatte der Parlamentsabgeordnete der rechten Polnischen Allianz (PP), Witold Tomczak, erwirkt, dass eine Skulptur von Maurizio Cattelan aus einer Schau in der Warschauer Galerie Zacheta entfernt und die Direktorin Anda Rottenberg entlassen wurde. Er forderte außerdem, dass die Verletzung religiöser Gefühle vor Gericht gestellt werden solle. Sein Brief an den Premierminister und Kulturminister enthielt antisemitische Anwürfe gegen Rottenberg. Tomczak schlug vor, dass sie "besser in Israel als in Polen" Ausstellungen organisieren solle und verlangte die Entlassung der "Angestellten jüdischer Abstammung" von ihrem Posten als Direktorin der Nationalgalerie. Am 21. Dezember ging Tomczak zur Galerie Zacheta und beschädigte Cattelans Skulptur.

    Dies ermutigte andere Politiker und Staatsbedienstete dazu, Künstler und Galerieleiter in anderen Städten zu beschuldigen, ihre Position und öffentliche Gelder zu missbrauchen. Zeitgenössische polnische Kunst wurde zu einem Schimpfwort und Vorwürfe wie "öffentliche Provokation", "Beleidigung" von Kirche, Religion und sogar von kommerziellen Unternehmen wurden zu Schlagwörtern in den polnischen Medien.

    Dorota Nieznalska ist von Sympathisanten der Polnischen Familienliga (LRP), einer im Parlament vertretenen rechtsgerichteten Partei, angezeigt worden. Unterstützt von Mitgliedern der so genannten Gesamtpolnischen Jugend - einer nationalistischen Organisation mit neofaschistischen Tendenzen - warfen sie der Künstlerin die Verletzung ihrer religiösen Gefühle vor. Nieznalska hatte in einer Ausstellung eine Installation gezeigt, bei der das Foto eines Penis auf einer Lichtbox in Form eines griechischen Kreuzes und ein Video mit einem jungen Mann beim Muskeltraining gezeigt wurden. Nach Ansicht der Künstlerin bezog sich das - in Anspielung auf ein christliches Motiv - "Passion" betitelte Werk auf einen männlichen Masochismus als Preis für den idealen Männerkörper. Schon in früheren Werken hatte die Künstlerin die Themen männlich-weibliche Beziehungen, männliche Aggression, Gewalt und Sadismus behandelt.

    Die Ankläger behaupteten, dass die Angeklagte "die Würde aller Gläubigen mit Füßen trete, indem sie sage: hier ist euer Kreuz, euer Glaube, seht her, was ihr anbetet - das männliche Glied". Obwohl Nieznalskas Anwalt das Recht auf freien künstlerischen Ausdruck reklamierte, befand Richter Zielinski nach sieben Anhörungen von Experten, Lehrern und Künstlern die Künstlerin der Verletzung religiöser Gefühle für schuldig. "In Polen", sagte der Richter "steht das Kreuz direkt für Christi Martyrium". Außerdem warf er der Künstlerin vor, ihre Beleidigung aus niedrigen Absichten - des künstlerischen Erfolgs wegen - inszeniert zu haben und verurteilte sie zu sechs Monaten Sozialarbeit und 2.000 Sloty (etwa 450 Euro) Geldbuße.

    Das Urteil provozierte eine Lawine des Protests unter den Kulturschaffenden landesweit. Es scheint, dass polnische Künstler und Intellektuelle zum ersten Mal eine direkte Bedrohung ihrer zivilen Freiheiten erfuhren, die von politischen Extremisten ausging und durch ein Gerichtsurteil abgesegnet wurde. Sogar ein Repräsentant der katholischen Kirche, Vater Krzystof Niedaltowski aus Gdansk, lehnte das Urteil ab: "Dieser Fall ist ein Propagandamanöver der Polnischen Familienliga, die durch den Prozess politische Ziele verfolgt." (Berliner Zeitung, 2.8.03)

Russland

  • (3335) Moskau. Ein Gericht in Moskau hat die Einstellung eines Strafverfahrens gegen zwei junge Männer angeordnet, die im Januar eine religionskritische Kunstausstellung verwüstet hatten. Während der Ermittlungen seien erhebliche Formfehler begangen worden, urteilte das Gericht. Die russische orthodoxe Kirche begrüßte die Entscheidung. "Wie die Mehrheit der Geistlichen und Kirchen-Hierarchen bin ich absolut gegen Provokationen, die Menschen unterschiedlicher Religion oder Nationalität gegeneinander aufhetzen", wird Metropolit Kirill, der Leiter des kirchlichen Außenamtes, in der Presse zitiert. Orthodoxe Gläubige hatten die Ausstellung "Vorsicht, Religion!" scharf kritisiert, weil sie ihre religiösen Gefühle verletzt sahen. In den Räumen des Moskauer Sacharow-Museums waren die Arbeiten von über 40 Künstlern ausgestellt worden. Darunter ein Bild, das Christus als Coca-Cola-Verkäufer zeigt, sowie Ikonen, in denen anstelle des Heiligengesichts ein Loch klaffte, in das die Besucher ihre Köpfe stecken konnten. Die Ausstellung war von einer Gruppe strenggläubiger Orthodoxer überfallen worden, die einen Großteil der Ausstellungsstücke zerstörten oder beschädigten. Der Direktor des Sacharow-Museums, Jurij Samodurow, kündigte an, juristisch gegen die Gerichtsentscheidung vorzugehen. Er werde auch weiter darauf bestehen, dass die Schuldigen für den entstandenen Sachschaden aufkommen, sagte Samodurow dem Radiosender Echo Moskaus. (Russland-aktuell, 18.8.03)

  • (3336) Moskau. In Russland fordert die Wiedererstarkung der Religion Tribute an Freiheit und Selbstbestimmung. 1955 schuf die Sowjetunion eines der liberalsten Abtreibungsgesetze der Welt. Nun hat die Regierung Russlands den Rückwärtsgang eingelegt. Leise und ohne öffentliche Debatte wurde das Gesetz beachtlich verschärft. Seit August 2003 sind nur noch vier der vormals 13 so genannten "sozialen Indikationen" als Grund zur Abtreibung anerkannt. Im Falle von Vergewaltigung, Gefängnisstrafe, Entzug der Elternrechte und plötzlichem Tod des Ehemannes, darf eine Frau nach wie vor zwischen der 12. und der 24. Woche ihre Schwangerschaft abbrechen. Es ist dagegen nicht mehr als soziale Indikation anerkannt, wenn die Schwangere ledig, geschieden, Studentin oder Flüchtling ist oder wenn sie Armut, Arbeits- oder Obdachlosigkeit nachweist.

    Die neuen Restriktionen sind Ergebnis ständigen Druckes auf das Gesundheitsministerium, ausgeübt von der Russisch- Orthodoxen Kirche, die die Gesetzesverschärfung als "einen ersten Schritt" begrüßt und geschworen hat, den Kampf für weitere Restriktionen fortzusetzen. Die ­Ärzte der Russischen Familienplanungsgesellschaft befürchten, dass das grundsätzliche Recht auf Abtreibung bald noch weiter beschnitten werden könnte.

    1955 hob die Sowjetunion das von Stalin 1936 verhängte Abtreibungsverbot auf. Unter einer der liberalsten Abtreibungsregelungen stieg die Rate der Schwangerschaftsunterbrechungen erheblich und war lange eine der höchsten der Welt. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als moderne Verhütungsmittel leicht zugänglich wurden, fiel der Rate drastisch. Die Gesamtzahl von Abbrüchen fiel von 4,6 Millionen im Jahre 1988 auf 1,7 Millionen im Jahre 2002. Dies geschah ganz ohne Gesetzesdruck und spiegelt offensichtlich die freie und verantwortliche Entscheidung für Verhütungsmittel als die bessere Methode der Geburtenkontrolle wider. Trotzdem wird die angebliche Sorge um die Gesundheit der Frauen und um die demographische Zukunft Russlands in Hinsicht auf die hohe Abtreibungsrate (und die sinkende Geburtenrate) immer wieder als Argument für eine Gesetzesverschärfung missbraucht. (Rationalist International Bulletin Nr. 115, 22.10.03)

Nordamerika

U.S.A

  • (3337) Malibu. Lange vor dem Kinostart sorgt der Jesus-Film von Hollywoodstar Mel Gibson in den USA für Schlagzeilen. Eine Gruppe Theologen prangert antisemitische Klischees und die Verdrehung von Apostel-Überlieferungen an. In Mel Gibsons neuem Film The Passion geht es um die letzten zwölf Stunden Jesu vor seinem Tod am Kreuz. Der strenggläubige Actionheld, siebenfacher Vater und in erster Ehe verheiratet, hat sich mit der Passions-Verfilmung einen lang gehegten Wunsch erfüllt. Das 25-Millionen-Dollar-Projekt finanzierte er aus eigener Tasche. Der Film über die letzten Stunden im Leben Jesu wurde in Latein und Aramäisch gedreht. Die Bilder sprechen für sich, erklärte Gibson. Wann der Film genau in die Kinos kommt, steht noch nicht fest: frühestens im nächsten Frühjahr, vielleicht aber auch erst später. Denn bis zum heutigen Tag hat Gibson (Mad Max, The Patriot) noch keinen Verleiher für sein Werk gefunden. Umso höher schlagen die Wellen um den Jesus-Film, den nur wenige vorab sahen, der von vielen aber kontrovers diskutiert wird. Die Reaktionen reichen von euphorischem Lob christlicher Fundamentalisten über detaillierte theologische Kritik an Gibsons Interpretation der Leidensgeschichte bis hin zu schwersten Antisemitismus-Vorwürfen aus Reihen der großen jüdischen Organisationen und Volkskirchen. Dabei ging es Alt-Katholik Gibson doch "nur" darum, "die Wahrheit zu erzählen". Die Wahrheit, wie sie Gibson sieht, schockte eine Gruppe von neun bekannten katholischen und jüdischen Theologen, die das Skript offenbar von einem besorgten Mitarbeiter der Produktionsfirma Icon zugespielt bekamen. Ihr Fazit nach eingehender Analyse: Gibsons Passions-Geschichte charakterisiere die Juden als Gottesmörder, die von "Blutgier, Rachegelüsten und Geldhunger" getrieben gewesen seien. Die katholische Theologin Paula Fredriksen, Expertin in Sachen Leidensgeschichte Jesu an der Boston University und Mitglied der Gruppe, schreibt in einer Wochenschrift, Gibson werde einiges zu erklären haben, "wenn sein Film Gewalt auslöst". Die Theologen versuchten Gibson auf vertraulichem Weg mit ihren Befunden zu konfrontieren. Die Reaktion: Gibson, der im kalifornischen Malibu gerade eine Kirche für 70 Mitgläubige baut, um dort nach altem Ritus sonntags die Messe in Latein zu lesen, drohte mit dem Kadi. Kritik nicht erwünscht. Vor diesem Hintergrund ist verständlich, dass die PR-Leute der Icon-Produktion die Vorschau auf den Film nur handverlesenen Gästen ermöglichten, darunter vorzugsweise ultrakonservativen Kommentatoren. (Weser Kurier, 18.8.03)

    Anm. MIZ: Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Gibson die erste authentische Verfilmung der Evangelien geglückt ist, denn der antijüdische Grundzug dieser "heiligen Schriften" (insbesondere des Johannesevangeliums) ist unverkennbar. So verwundert es auch nicht, dass ein hochrangiger Kardinal des Vatikans die Kritik an Mel Gibsons Film über das Sterben Jesu zurückwies. Kardinal Dario Castrillon Hoyos erklärte, er habe bei Ansicht einer vorläufigen Fassung des Films "einige Momente tiefer geistlicher Nähe zu Jesus" erlebt.  (Radio Vatikan, 18.9.03)

  • (3338) Washington. In den USA haben naturalistisch denkende Wissenschaftler begonnen, sich unter dem Begriff "The Brights" zu formieren und den Aufstand gegen metaphysische Weltdeutungen zu erproben. Mit von der Partie sind: James "The Amazing" Randi, der Direktor der Randi Stiftung aus Florida, die einen Preis von einer Million Dollar für denjenigen ausgelobt hat, der ein übernatürliches Phänomen unter wissenschaftlich kontrollierten Bedingungen reproduzieren kann; der amerikanische Evolutions-Genetiker Massimo Pigliucci, der sich in den Essays und Kolumnen auf seiner Internetseite www.rationallyspeaking.org mit den neuesten pseudowissenschaftlichen Moden befasst; Michael Shermer, der Herausgeber des kalifornischen Skeptic Magazine; und natürlich Richard Dawkins, der berühmte Evolutionstheoretiker und Erfinder des "egoistischen Gens". Die Brights bilden eine freie Gemeinschaft von Gleichgesinnten. Sie sind "Naturalisten", also Anhänger einer naturwissenschaftlichen Weltanschauung. Sie sind Mystik, Metaphysik und allem Übernatürlichen abgeneigt, damit auch frei von Aberglauben - ja: von jedem Glauben. Das wäre zwar nicht viel an Gemeinsamkeit, aber immerhin ein kleinster gemeinsamer Nenner, als Grundlage, um es mit neuen Auswüchsen der Pseudowissenschaft und religiöser Bigotterie aufzunehmen.

    Jeder kann mitmachen: Auf der Webseite www.the-brights.com kann man sich als Bright registrieren lassen. Man kann Buttons und T-Shirts bestellen und andere Brights in seiner Stadt kennen lernen. Auch in Deutschland hat das internationale Netzwerk der Brights bereits Wurzeln geschlagen. Wenn der Zeitpunkt gekommen ist, sollen die Brights auf der ganzen Welt ihre Stimme erheben. Doch zuvor muss noch die Vorarbeit geleistet werden. Der Kognitionswissenschaftler Daniel Dennett und Genforscher Dawkins haben damit schon begonnen - mit Aufrufen in der New York Times und im britischen Guardian. Der Begriff "Bright" muss unters Volk gebracht werden. Vorbild ist dabei die Diskurspolitik der Schwulenbewegung. Gleichgeschlechtlich Orientierte, die sich selbst nicht länger mit dem bei vielen Menschen negativ konnotierten Wort "homosexuell" bezeichnen wollten, kaperten vor dreißig Jahren das Adjektiv "gay", das in der Folge seine ursprüngliche Bedeutung im Sinne von "heiter" so gut wie verloren hat. Auf gleiche Weise wollen die Freidenker und Atheisten sich des Kunstworts "Bright" bemächtigen: "Bright" ist als Substantiv ein völlig neuer Begriff, der frei sein soll von historischen und kulturellen Konnotationen.

    Brights sind die Aufgeweckten, Aufgeklärten, die Hellen und Gescheiten. Diese Assoziationen soll die Wortneuschöpfung "Bright" wecken, ohne dabei allerdings allzu ausdrücklich zu werden. Die Webseite gibt Musterbeispiele dafür, wie der neue Ausdruck verwendet werden soll. Auf jeden Fall sollen die Brights die Verwendung von "bright" als Adjektiv vermeiden und auch auf Spielereien mit "ein Bright" verzichten. Allzu leicht könnte das einen eher arroganten als freundlich offenen Eindruck machen. Man muss kein knallharter Verfechter des Alleinerklärungsanspruches der Naturwissenschaften zu sein, um dazuzugehören. Trotz solcher Weitherzigkeit in Fragen der Wissenschaft ist die Spitze allerdings scharf gegen ein Ziel gerichtet: gegen die immer stärker religiös-fundamentalistischen Untertöne in der amerikanischen Politik und Kultur. Die Brights kämpfen für die Rechte der gottlosen Minderheit - der allerdings, wie Richard Dawkins weiß, immerhin 60 Prozent aller amerikanischen Wissenschaftler angehören und sogar 93 Prozent aller Mitglieder der National Academy of Sciences. Gegenwärtig würde die Mehrheit der Amerikaner eher jemanden zum Präsidenten wählen, der entweder schwarz, homosexuell, weiblich oder Mormone wäre, denn einen atheistischen Kandidaten. Dass sich dieser Trend aber ändern könnte, zeigt das Vorbild der Schwulenrechtsbewegung. 1978 konnten sich nur 26 Prozent der Amerikaner vorstellen, für einen schwulen Präsidenten zu votieren. 1999 waren es schon 59 Prozent. Wenn die Kampagne der Brights zündet, hofft Richard Dawkins, werde sein Land vielleicht auch einmal einen hellen, aufgeklärten, gescheiten Präsidenten bekommen. (tagesspiegel, 5.10.03)

    Anm. MIZ: Die Bewegung der "Brights" hat mittlerweile auch die MIZ-Redaktion "infiltriert". MIZ-Redakteur Michael Schmidt-Salomon gehörte zu den ersten deutschen Wissenschaftlern, die sich auf der Liste der "Brights" eingetragen haben. Die MIZ wird sich (auch in Vorbereitung auf die IBKA-Versammlung 2004, auf der dem Brights-Mitbegründer James Randy der Erwin-Fischer-Preis verliehen wird) intensiver mit der (in Amerika besonders heftig geführten) Kontroverse zwischen Religion und Wissenschaft auseinandersetzen.

Lateinamerika

Peru

  • (3339) Lima. Jahre nach den Diktaturen in Südamerika gibt es vorsichtige Ansätze, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Region aufzuarbeiten. Letztes Beispiel für diesen Trend ist der Andenstaat Peru. Im September diesen Jahres stellte eine Kommission aus nationalen und internationalen Experten der Kommission zur Aussöhnung und Wahrheit (CRV) nach rund zwei Jahren Forschungsarbeit einen achttausend Seiten fassenden Bericht vor. In der laufenden Debatte um Schuld und Nutznießer des Terrors bewaffneter Akteure ist auch die katholische Kirche in die Kritik geraten.

    "Als die extralegalen Hinrichtungen und der Terror gegen die Zivilbevölkerung Mitte der neunziger Jahre den Höhepunkt erreichten, stellte sich der damalige Erzbischof Juan Luis Cipriani schützend vor Polizei und Armee", so die Anklage des oppositionellen Parlamentsabgeordneten der Peruanischen Union für die Dezentralisierung (UPD). Cipriani stand damals der katholischen Kirche im Verwaltungsbezirk Ayacucho vor, einem Zentrum des Terrors gegen die Zivilbevölkerung. Diez Canseco und andere Politiker in Peru weisen vor allem darauf hin, dass der heutige Kardinal von Lima der radikalen katholischen Organisation Opus Dei angehört.

    Als "besonders besorgniserregend" bezeichnete Diez Canseco, dass Cipriani trotz massiver Kritik nach dem Sturz Fujimoris im Jahr 2000 zum Kardinal von Lima ernannt wurde. Mehrere Vertreter der "Theologie der Befreiung" waren nach seiner Amtsübernahme aus Peru eilends ausgereist. Nach Ansicht von Diez Canseco ist die Ernennung Ciprianis gegen den Widerstand von fortschrittlichen Teilen der katholischen Kirche in Peru der Tatsache geschuldet, dass das "Werk Gottes" mit wachsendem Erfolg die Führungsebene im Vatikan unterwandere. Dass der Einfluss in Peru so groß ist, führt Diez Canseco auf die Struktur der katholischen Kirche in dem Andenstaat zurück: "Proportional zur Bevölkerung haben wir die meisten Bischöfe in Lateinamerika, es sind über sieben." Ein solcher "Wasserkopf" und die fehlende aufgeklärte Basis habe es Opus Dei einfach gemacht, ihre Macht unter der Diktatur von Alberto Fujimori in den neunziger Jahren auszuweiten. (heise.de, 5.10.03)

Chile

  • (3340) Santiago. Mit Fernseh-Spots kämpft die Kirche gegen eine mögliche Einführung der zivilen Ehescheidung im Land. Die Spots, die das Erzbistum Santiago erstellt hat, weisen auf die angeblich unvermeidlichen, katastrophalen Scheidungsfolgen für Kinder hin. Unter anderem wird behauptet, dass Kinder aus Scheidungsfamilien in der Schule gewalttätiger sind und mehr zu Alkohol und Drogen neigen als andere Kinder. Die Spots sind auch innerkirchlich nicht unumstritten. Chile gilt als das letzte westliche Land, in dem es noch keine Scheidung gibt. (Radio Vatikan, 1.10.03)

Asien

Pakistan

  • (3341) Lahore. Naseem Bibi, 45, war seit Mai 2002 Insassin des Kotlakhpat Gefängnisses von Lahore in der Provinz Punjab. Der Gotteslästerung angeklagt, erwartete sie ihren Prozess. Sie starb am 25. August, gefoltert und zu Tode geprügelt von Mitgefangenen. Die Gefängnisbehörden versuchten, den Fall zu vertuschen, und gaben als Todesursache "Herzversagen" an. Naseem Bibis Rechtsanwalt Pervez Aslam teilte mit, dass seine Klientin sich eine Woche vor ihrem Tode über Drohungen und Angriffe beschwert hatte. Die Gefängnisbehörden seien alarmiert worden, hätten jedoch keine geeigneten Maßnahmen zu ihrem Schutze ergriffen. Er verlangt eine offizielle Untersuchung.

    Naseem Bibi lebte allein mit ihren beiden Söhnen im Teenage-Alter. Ihr Nachbar pflegte Annäherungsversuche zu machen, die sie zurückwies. Im Mai 2002 beschloss er, sich zu rächen. Er rief die Polizei und beschuldigte Naseem, eine Ausgabe des Koran verbrannt zu haben. Sie bestritt die Tat. Obwohl es keine weiteren Zeugen gab, reichte die falsche Anschuldigung des Nachbarn aus, ein Blasphemie-Verfahren gegen Naseem einzuleiten. Rationalist International kommentierte: "Pakistans Blasphemie-Gesetz ist eine schmutzige Vernichtungswaffe. Wenn sie einmal gegen jemanden gerichtet ist, hat er wenig Chancen zu entkommen, egal, ob sie im Namen Allahs von religiösen Fundamentalisten geschwungen oder von irgendwelchen anderen hassgetriebenen Fanatikern 'missbraucht' wird." (Rationalist International Bulletin Nr. 113, 24.9.03)

  • (3342) Nord-West-Frontier-Provinz. In Pakistans Nord-West-Frontier-Provinz (NWFP) sind Frauen neuerdings von medizinischen Standarduntersuchungen wie Ultraschalltest und EKG ausgeschlossen. Zum Schutze der "höchsten Islamischen Werte" hat die Regierung der fundamentalistischen Sechs-Parteien-Koalition Muttahida Majlis-e-Amal (MMA) beschlossen, männlichen Ärzten und Medizintechnikern zu verbieten, diese Untersuchungen an weiblichen Patienten durchzuführen. "Sie könnten sexuelle Lust beim Anblick des weiblichen Körpers verspüren, während sie es tun", sagte Maulana Gul Naseeb Khan, der Generalsekretär der MMA. "Ähnlich könnten einige Frauen Männer unter dem Vorwand von Ultraschalltest oder EKG verführen." Da es in der Provinz nur eine EKG-Technikerin gibt und keinen einzigen weiblichen Ultraschall-Spezialisten, sind diese wichtigen Methoden moderner medizinischer Diagnostik nun für den weiblichen Teil der Bevölkerung unerreichbar. Das bedeutet einen schweren Rückschlag für die Gesundheitsversorgung der Frauen.

    Die Nord-West-Frontier-Provinz ist eine traditionelle Hochburg islamischen Fundamentalismus. Seit Oktober 2002 unter der Regierung der MMA, wurde sie im Mai 2003 zur ersten Provinz in Pakistan unter Islamischer Gesetzgebung. Mit einem Drittel der Parlamentssitze in ihrer Kontrolle, arbeitet die MMA auf die Islamisierung des ganzen Landes hin. (Rationalist International Bulletin Nr. 115, 22.10.03)

Indien

  • (3343) Bombay. Beim hinduistischen Kumbh-Mela-Fest im Westen Indiens sind mindestens 39 Menschen zu Tode getrampelt worden. Als Millionen Gläubige versuchten, sich im Godavari-Fluss ihrer Sünden zu entledigen, brach eine Panik aus. Augenzeugen berichteten, dass Tausende von Pilgern die Polizeisperren durchbrochen hätten, um ihrer rituellen Pflicht nachzukommen und im Godavari unterzutauchen.

    Das Festival, zu dem zwischen dem 30. Juli und dem 1. September rund 60 Millionen Hindus strömen, findet alle zwölf Jahre in Allahabad statt, immer dann, wenn sich Jupiter und Sonne in einer bestimmten Konstellation befinden. In kleinerem Umfang feiern die Gläubigen alle drei Jahre an anderen Orten, darunter in Nasik. Der Godavari gilt als heilig. Hindus glauben, dass man sich in ihm zu bestimmten Zeiten von Sünden reinwaschen kann. Das Fest geht auf einen hinduistischen Mythos zurück. Demzufolge erbeuteten Götter einen Topf mit Nektar, der sie im Kampf gegen Dämonen unbesiegbar machte. Ein Gott floh mit dem Nektar und verschüttete dabei an zwölf Stellen - vier in Indien und acht im Himmel - Tropfen des heiligen Nektars. (Spiegel online, 27.8. 03)

  • (3344) Kalkutta. Eine Gruppe von rund hundert Atheisten hat in der ostindischen Stadt Kalkutta gegen die Seligsprechung von Mutter Teresa durch den Papst protestiert. Die Demonstranten warfen der katholischen Kirche "Propaganda" vor, da sie der Ordensschwester "falsche Wunder" zuschreibe. Veranstaltet wurde die Aktion vom Indischen Verein für Wissenschaft und Rationalismus.

    Die Begründung für die Seligsprechung ist die angebliche Wunderheilung einer krebskranken Inderin durch Mutter Teresa. Der Verein für Wissenschaft und Rationalismus erstattete gegen Mutter Teresas Nachfolgerin Schwester Nirmala für diese Behauptung Anzeige. Die kranke Frau sei nicht durch die Ordensschwester, sondern durch Medikamente geheilt worden, sagte der Vereinsvorsitzende Prabir Ghosh. Er erkannte aber an, Mutter Teresa habe aufgrund ihres Einsatzes für die Armen über die Eigenschaften einer Heiligen verfügt.

    Dem wiederum widersprach Sanal Edamaruku, Generalsekretär der Indian Rationalist Association und Präsident von Rationalist International. Er sagte, Indien habe keinen Grund, Mutter Teresa dankbar zu sein. Mutter Teresa habe Kalkutta ein negatives Image gegeben, indem sie die schöne, interessante, lebendige und kulturell reiche indische Metropole in den Farben von Schmutz, Elend, Hoffnungslosigkeit und Tod malte. Ihr Orden sei nur eine der mehr als 200 gemeinnützigen Organisationen, die versuchen, den Slumbewohnern von Kalkutta zu helfen, eine bessere Zukunft aufzubauen. Vor Ort sei er nicht sonderlich sichtbar oder aktiv. Phantastische Behauptungen wie die jeder Grundlage entbehrende Geschichte von Mutter Teresas Slumschule für 5000 Kinder, hätten ihr enorme Publicity und Spenden eingebracht. Mutter Teresa habe viele Millionen Dollar im Namen der indischen Armen eingesteckt, diese aber nicht zu deren Nutzen ausgegeben.

    Die Legende von ihren Sterbeheimen habe die Welt zu Tränen gerührt. Die Wirklichkeit jedoch sei skandalös: "In den überfüllten und primitiven kleinen Heimen müssen Patienten oft ihr Bett mit anderen teilen. Obwohl viele an Tuberkulose, AIDS und anderen hoch ansteckenden Krankheiten leiden, ist Hygiene hier kein Thema. Die Patienten werden mit frommen Worten und ungenügenden Medikamenten behandelt. Bei der Verabreichung werden alte Spritzen benutzt, die jeweils vor dem nächsten Gebrauch in lauwarmem Wasser gewaschen werden. Man kann die Schreie von Menschen hören, denen Maden aus ihren offenen Wunden gezupft werden - ohne Betäubung. Aus Prinzip werden auch in harten Fällen keine starken Schmerzmittel gegeben."

    Mutter Teresa habe nicht den Armen von Kalkutta, sie habe den Reichen im Westen gedient. Sie habe ihnen geholfen, ihr schlechtes Gewissen zu vergessen, indem sie Milliarden von Dollars von ihnen angenommen hat: "Einige der edlen Spender waren Diktatoren und Verbrecher, die versuchten, ihre Weste weiß zu waschen. Mutter Teresa erwies ihnen Anerkennung gegen Geld. Die meisten ihrer Unterstützer jedoch waren ehrliche Menschen mit guten Absichten und einem warmen Herzen, der Illusion verfallen, dass die 'Heilige der Gosse' gekommen war, alle Tränen abzuwischen und alles Elend zu beenden und alles Unrecht wieder gut zu machen in der Welt. Wer sich in eine Illusion verliebt hat, weigert sich oft, die Wirklichkeit zu sehen." (Der Standard, 30.10.03; Rationalist International Bulletin Nr. 115, 22.10.03)

Bali

  • (3345) Denpasar. Zum Auftakt seines Verteidigungsplädoyers hat der Drahtzieher der Bali-Anschläge der Staatsanwaltschaft für deren Antrag auf Todesstrafe gedankt. Damit hätte sie ihm "den Tod ins Bewusstsein gerufen, und nur durch den Tod kann ich Gott näher kommen", sagte Imam Samudra vor einem Gericht in der balinesischen Hauptstadt Denpasar. Er sei sich bewusst, dass ihn die Todesstrafe erwarte. Die Staatsanwaltschaft hatte die Hinrichtung Samudras beantragt, weil er die Anschläge finanziert habe. "Ich habe keine Angst, zum Tode verurteilt zu werden, weil ich dem Pfad Allahs und der islamischen Lehre gefolgt bin", sagte Samudra. Er bedauerte erstmals, dass es bei dem Anschlag auf zwei gut besuchte Nachtclubs auch moslemische und indonesische Opfer gegeben habe. "Aber über diejenigen, die aus Ländern stammten, die mit den USA verbündet sind, freue ich mich", sagte der 33-Jährige. In früheren Aussagen hatte der ehemalige Computertechniker die Auswahl der Nachtclubs als Terrorziel damit begründet, dass sie von westlichen Ausländern besucht werden. Bei dem Anschlag waren 202 Menschen getötet worden. (Frankfurter Neue Presse, 12.8.03)

Afrika

Nigeria

  • (3346) Kano. Mädchen im Bundesstaat Kano im Norden des Landes müssen im Schulunterricht in Zukunft das islamische Kopftuch im Schulunterricht tragen. Der Bundesstaat hatte 1999 die islamische Rechtsordnung Sharia als Strafrecht eingeführt. Der Verantwortliche für Bildung und Erziehung in Kano wird mit den Worten zitiert, es sei nötig, die Scharia ohne Ausnahme im ganzen Staat durchzusetzen. Kano ist der dritte Bundesstaat Nigerias, der eine rigide Kleiderordnung für Schulkinder erlässt. (AFP, 30.8.03)

  • (3347) Katsina. Die in Nigeria wegen Ehebruchs zur Steinigung verurteilte Amina Lawal hat ihren Berufungsprozess gewonnen. Ein islamisches Gericht hat die zum Tod verurteilte junge Mutter frei gesprochen. Die heute 32 Jahre alte Lawal wurde im März 2002 zum Tod durch Steinigung verurteilt, weil sie ein nicht-eheliches Kind zur Welt gebracht hatte. Sie wurde nach dem islamischen Gesetz, der Scharia, des Ehebruchs für schuldig befunden. Das Urteil sollte vollstreckt werden, sobald Lawals Tochter Anfang kommenden Jahres abgestillt ist.

    Der Fall sorgte in aller Welt für Aufsehen. Ein Gremium von fünf islamischen Richtern sprach Lawal schließlich frei. Der Schuldspruch vom März vergangenen Jahres wurde verworfen mit der Begründung, Lawal habe nicht ausreichend Gelegenheit gehabt, sich zu verteidigen. (Spiegel online, 25.9.2003)