2002 - Meldungen 3156-3183

Europa

Deutschland

  • (3156) Dortmund. Ein Austritt aus der Kirche bewahrt Arbeitslose nicht vor dem Abzug der Kirchensteuer vom Arbeitslosengeld. Dies entschied das Sozialgericht Dortmund in einem Prozess, den eine arbeits- und konfessionslose Ingenieurin gegen die Kirchensteuerabzüge des Arbeitsamtes angestrengt hatte (Az.: S 5 AL 264/01). Solange die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmer noch Kirchensteuern zahle, müssen sie als "üblich anfallende Entgeltabzüge" bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes berücksichtigt werden, erklärte das Sozialgericht. Konfessionslosigkeit spiele bei der Berechnung der Abzüge keine Rolle, da pauschal "übliche Abzüge" berücksichtigt würden. Im Jahr 1999 sei mit 57 Prozent die Mehrheit der Arbeitnehmer kirchensteuerpflichtig gewesen. Für die strittigen Jahre 2001 und 2002 lagen noch keine Zahlen vor. Das Gericht ging jedoch davon aus, dass bei gleich bleibendem Trend jährlich drei Prozent aller Arbeitnehmer aus der Kirche austreten würden. Damit könne man noch immer von einer Mehrheit ausgehen. Zumindest für dieses Jahr müssten Arbeitslose noch den Kirchensteuerhebesatz hinnehmen.

    Das Gericht hat wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Themas eine Berufung zugelassen. "Das Verhältnis der Kirchensteuerzahler zu den Nicht-Zahlern nähert sich einem Grenzwert, bei dem es fraglich erscheint, ob noch von einer überwiegenden Mehrheit der kirchensteuerzahlenden Arbeitnehmer auszugehen sei", sagte ein Sprecher. (Aol-Newsbote, 5.8.02)

  • (3157) München/Vatikan. Unbeeindruckt vom Widerstand der katholischen Kirche ließen sich sieben Frauen zu Priesterinnen weihen [vgl. MIZ-Meldung 3136]. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner bezeichnete die Weihe der Frauen als "ebensolchen Unsinn wie der Wunsch von Männern, Kinder gebären zu können". Die Kirche habe von Christus keine Vollmacht, Frauen zum priesterlichen Dienst zuzulassen. Kardinal Joseph Ratzinger setzte daraufhin den Frauen in einem Schreiben ein Ultimatum. Bis zum 22. Juli sollten sie Reue zeigen und die Gläubigen "für das verursachte Ärgernis um Verzeihung bitten". Ihre Weihe sei ein "schwerer Verstoß gegen die göttliche Verfassung der Kirche". Frauen könnten nicht zu Priestern geweiht werden, und die Gläubigen müssten sich an diese "endgültige Entscheidung" halten.

    Die Frauen sahen das jedoch ganz anders: Sie beharrten auf ihren Anspruch, das Priesteramt ausüben zu wollen. "Wir sind nicht vom Glauben abgefallen, wir haben keinen Irrglauben verbreitet, wir sind nicht abtrünnig geworden", hieß es im Antwortschreiben an das erzbischöfliche Ordinariat in München. Daraufhin sprach Ratzinger als Präfekt der Glaubenskongregation in Rom die Exkommunikation aus. Die Sprecherin der Priesterinnen, Gisela Forster, erklärte, sie würde diese Entscheidung nicht widerstandslos hinnehmen. Sie wollten alle kirchenrechtlichen Schritte gegen die Exkommunikation unternehmen. Der Kardinal schloss nicht aus, dass die Exkommunikation wieder aufgehoben werden könnte. "Die Kongregation vertraut darauf, dass die Genannten, erleuchtet durch die Gnade des Heiligen Geistes, zur Einsicht gelangen und den Weg zurückfinden zur Einheit im Glauben und zur Gemeinschaft mit der Kirche, die sie durch ihr Handeln verletzt haben", erklärte er. (Spiegel online, 5.8.02)

  • (3158) Berlin. Die katholische Kirche sollte sich nach Ansicht des Kirchenexperten der Unions-Bundestagsfraktion, Hermann Kues (CDU), nicht in einzelne politische Personalfragen einmischen. Im Streit über die CDU-Politikerin Katherina Reiche sei es für die Partei und die Kirchen wichtig, inhaltlich klar Position zu beziehen, sagte Kues. Die Union müsse weiterhin an der Förderung von Ehe und Familie festhalten. Kues hält es für falsch, über den Status von Reiche als unverheiratete Mutter zu diskutieren. Reiche, die im Wahlkampfteam von Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) für Familienpolitik zuständig ist, habe gesagt, dass sie Familie und Ehe unterstützen wolle. So stehe es auch im Wahlprogramm der Union. "Dass sie selbst ein anderes Modell lebt, ist Teil unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit. Das gibt es so auch in den Kirchen und Kirchengemeinden", sagte Kues.

    Die Kritik von Kardinal Joachim Meisner an der Berufung von Katherina Reiche in das Wahlkampfteam der Union stößt in der Bevölkerung auf wenig Zustimmung. Darauf verwies die Forschungsgruppe Wahlen unter Hinweis auf das jüngste ZDF-Politbarometer. 52 Prozent der Befragten hielten Stoibers Entscheidung, die unverheiratete Mutter Reiche als Verantwortliche für Familienpolitik in sein Wahlkampfteam aufzunehmen, für richtig. Nur 15 Prozent fanden die Entscheidung nicht richtig, 29 Prozent war es egal, und drei Prozent wollten sich dazu nicht äußern. (Frankfurter Rundschau, 16.7.02)

  • (3159) Erfurt. Am Weimarer Sophien- und Hufelandklinikum (SHK) wird es künftig keinen Betriebsrat geben. Das entschied in letzter Instanz das Bundesarbeitsgericht (BAG). Es schloss sich damit einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes vom 25. Januar 2001 an. Auch der 7. Senat des BAG war der Meinung, dass das in Form einer gemeinnützigen GmbH betriebene Krankenhaus eine kirchliche Einrichtung ist, in der das Betriebsverfassungsgesetz nicht zulässig sei. Die Folge daraus: Auch die Wahl eines Betriebsrates ist nicht möglich.

    Damit folgte das Gericht den Argumenten der Kirche. Denn eigentlich halten Stadt und die Sophienhaus GmbH die Gesellschaftsanteile am Klinikum zu je 50 Prozent. In der Begründung des 7. Senats heißt es aber, dass "der Betrieb des Krankenhauses (...) auf die Verwirklichung eines christlichen Auftrags gerichtet" ist.

    Der Rechtsstreit begann Februar 2000: Damals wollte die ÖTV die Betriebsratswahl vorbereiten. Die Geschäftsführung untersagte dies und zog sich in den arbeitsgerichtlichen Auseinandersetzungen auf die Position zurück, dass die SHK die "satzungsmäßigen Zwecke, Aufgaben und Ziele" des Diakonischen Werkes zu fördern habe und somit an die Weisungen der Kirche gebunden sei. Und damit sei staatliches Mitbestimmungsrecht ausgeschlossen.

    Die Entscheidung des BAG ist pikant, da zwei Drittel der über 850 Beschäftigten des Sophien- und Hufelandklinikums konfessionslos sind. Die Belegschaft befürchtet nach Worten von Frank Ziegler, der sich als Mitglied der Mitarbeitervertretung (MAV) für einen Betriebsrat stark gemacht hat, künftig "eine Einschränkung ihrer Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte in sozialen, personellen und organisatorischen Angelegenheiten". Denn nunmehr gilt am SHK zweifelsfrei das Mitarbeitervertretungsgesetz der Evangelischen Kirche. "In ihrer grenzenlosen Offenheit hat die Stadt ihre Anteile damals verschenkt", kritisierte Ziegler.

    Kritisch wird es dann, wenn im Jahre 2006 die so genannte ACK-Klausel greift. Danach dürfen nur Frauen oder Männer in die MAV gewählt werden, die einer Kirche angehören, die der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen zugehörig ist. Ziegler kritisierte, dass die Richter die Realitäten in der Klinik verkennen. Künftig werde die Demokratie an den Toren der Klinik enden. (Thüringische Landeszeitung, 31.7.02)

  • (3160) Karlsruhe. Die Bundesregierung darf religiöse Vereinigungen oder weltanschauliche Bewegungen grundsätzlich als "Sekte" oder "Jugendreligion" bezeichnen. Diffamierende, diskriminierende oder verfälschende Darstellungen wie "destruktiv" und "pseudoreligiös" seien dagegen nicht mit der religiös-weltanschaulichen Neutralität des Staates vereinbar, erklärte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem Beschluss zu staatlichen Informationen im religiös-weltanschaulichen Bereich. (Az.: 1 BvR 670/91) Vereine der Meditationsbewegung "Osho" hatten von der Bundesregierung gefordert, nicht als "Sekte", "Jugendsekte", "Jugendreligion" "Psychosekte" oder als "destruktiv" und "pseudoreligiös" bezeichnet zu werden. Zwischen den Jahren 1979 und 1984 erhob die Regierung gegen die Bewegung zudem den Vorwurf der Manipulation von Mitgliedern. Das Bundesverfassungsgericht gab der Verfassungsbeschwerde der Vereinigung nun zum Teil statt und hob ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes (OVG) Nordrhein-Westfalen auf. Die Bezeichnung der Osho-Bewegung als "Sekte", "Jugendsekte", "Jugendreligion" und "Psychosekte" sei verfassungsrechtlich zwar "bedenkensfrei", so der Erste Senat. Die Kennzeichnung als "destruktiv" und "pseudoreligiös" sowie der Manipulationsvorwurf genügten den verfassungsrechtlichen Anforderungen dagegen nicht. Solche Äußerungen seien nur gerechtfertigt, wenn sie durch gewichtige oder konkrete Tatsachen gestützt würden. Die Karlsruher Richter verwiesen den Fall daher an das Oberverwaltungsgericht NRW zurück. Insgesamt biete das Grundrecht der Religions- und Weltanschauungsfreiheit keinen Schutz dagegen, dass sich der Staat kritisch mit umstrittenen Vereinigungen auseinander setzt, hieß es. (Pressemitteilung der EKD, 31.7.02)

  • (3161) Traunstein. In Bayern hat es offenbar keine Satanisten-Morde an Kindern gegeben. Nach knapp einem halben Jahr hat die Staatsanwaltschaft Traunstein jetzt ihre Ermittlungen gegen vier Beschuldigte aus den Kreisen Altötting und Rottal-Inn eingestellt. Die Aussagen zweier Zeuginnen, wonach die Ermordung mehrerer Kinder und Jugendlicher bei satanistischen Ritualen in den Jahren 1965 bis 1980 als Verkehrsunfälle oder Selbstmorde getarnt worden seien, erwiesen sich als falsch. Das ergab eine umfangreiche Auswertung unter anderem von alten Krankenhausakten. Die Zeuginnen hätten vermutlich nicht bewusst die Unwahrheit gesagt, sondern möglicherweise nur Gerüchte und Verleumdungen für bare Münze genommen, so die Staatsanwaltschaft. (Süddeutsche Zeitung, 26.7.02)

  • (3162) Frankfurt/Main. Wer als Säugling getauft wird, soll damit nicht länger automatisch für ein staatliches Kirchensteuereinzugsverfahren vereinnahmt werden. Das fordert ein "Initiativkreis Kirchensteuerreform", der am 6. Juli in Frankfurt am Main gegründet wurde. Die Taufe als religiöser Akt und die Beitragspflicht müssten voneinander getrennt werden, heißt es in einer Mitteilung der Initiative, die sich als "überkonfessioneller Arbeitskreis beim Dietrich-Bonhoeffer-Verein" (Wiesbaden) versteht. Nach Ansicht der Initiative sollte die Kirche ihren Mitgliedern verschiedene Möglichkeiten anbieten, wie sie ihre Beitragspflicht erfüllen können. Der Bonhoeffer-Verein unter Vorsitz von Pfarrer Karl Martin befürwortet eine neue Form der Gemeinwohlfinanzierung, das "Bürgerguthaben", das nicht nur den Kirchen, sondern allen kulturellen, sozialen und gemeinnützigen Einrichtungen zugute kommen soll. (idea-online, 9.7.02)

  • (3163) Frankfurt/Main. Der Evangelische Pressedienst (epd) revidiert die Darstellung seiner Geschichte während des Dritten Reichs. Anders als bisher dargestellt, habe es 1937 kein Verbot für die protestantische Nachrichtenagentur gegeben, berichtete Chefredakteur Thomas Schiller in Frankfurt. Der Dienst sei bis 1941 erschienen und habe im Ton den gleichgeschalteten Medien entsprochen. Zu dieser bitteren Erkenntnis sei epd in eigenen Recherchen gekommen. Anstoß dazu habe im vergangenen Jahr der frühere epd-Chefredakteur Hans Hafenbrack gegeben, der zur Zeit die Geschichte der Agentur seit ihrer Gründung 1910 erforscht. Die bisher nie angezweifelte und nie überprüfte "Verbotslegende" hatte nach dem Zweiten Weltkrieg der damalige Chefredakteur Focko Lüpsen (1898-1977) aufgestellt, der schon von 1933 bis 1941 für die Agentur verantwortlich war. Dass die Behauptung Lüpsens bis heute unwidersprochen blieb, sei ein Beispiel dafür, "wie Fälschung durch pures Abschreiben in die Wissenschaft kommt", sagte Volker Lilienthal, Redakteur beim Fachdienst epd medien. Lüpsen erhielt 1947 von den britischen Besatzungsbehörden mehrere Lizenzen für Publikationen, unter anderem für den epd, an dessen Spitze er bis 1968 arbeitete.

    Bei seinen einjährigen Recherchen in verschiedenen Archiven habe er keinen Hinweis auf ein Verbot gefunden, sondern den Beweis für die ununterbrochene Erscheinungsweise der epd-Dienste, sagte Lilienthal. Niemandem sei dies bisher aufgefallen, obwohl das Material allgemein zugänglich sei. Der Inhalt der epd-Dienste sei während des NS-Regimes nicht erkennbar neutral gewesen, geschweige denn regimekritisch, sagte Lilienthal. Der Dienst habe sich unter anderem zum Kriegsbeginn an der "geistigen Mobilmachung" beteiligt. Die Einstellung 1941 habe vermutlich keinen politischen Grund gehabt, sondern könnte auf die Papierrationierung im Rahmen der NS-Kriegswirtschaft zurückzuführen sein. Die Veröffentlichung der Ergebnisse sei die Agentur ihren Kunden und der Kirche schuldig, sagte Schiller. Die kirchengeschichtliche Einordnung stehe noch aus, auch seien viele Fragen noch unbeantwortet - etwa, ob es für die Lizenz nach dem Krieg keine Alternative als die "Legende des Verbots" gegeben habe oder ob Lüpsen allein dafür verantwortlich war.

    Der epd ist die älteste deutsche Nachrichtenagentur und beliefert Tageszeitungen, Rundfunk und Internet-Dienste mit Nachrichten und Hintergründen. Die Zentralredaktion hat ihren Sitz in Frankfurt, acht Landesdienste liefern regionale Berichterstattung. Bundesweit sind rund 80 Redakteure bei dem von der evangelischen Kirche getragenen Unternehmen fest angestellt. (Aol-Newsbote, 24.6.02)

  • (3164) Hannover. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat für ihre Militärseelsorge neue Regelungen verabredet. Danach können Seelsorger in der Bundeswehr in Zukunft auch in ein Angestelltenverhältnis übernommen werden. Bisher galt dies nur als Sonderregelung für die neuen Bundesländer. Um die zukünftige Gestaltung der Seelsorge in der Bundeswehr gab es eine jahrelange innerkirchliche Debatte. Die östlichen Glied-kirchen weigerten sich nach der Wende, den 1957 geschlossenen Vertrag über die Militärseelsorge zu übernehmen, weil sie befürchten, dass der Staat zu viel Einfluss auf die Seelsorge nehmen könnte. Vertreter der EKD und des Bundesverteidigungsministeriums unterschrieben jetzt eine für beide Seiten verbindliche Auslegung des 1957 geschlossenen Vertrags, in der diese Bedenken keine Rolle mehr spielen: "Die EKD sieht keine Veranlassung, den Staatsvertrag insgesamt neu zu verhandeln, da er die Unabhängigkeit der Seelsorge und kirchlichen Verkündigung und Lehre von staatlichen Einfluss garantiert", teilte die EKD mit. "Wir hoffen nun, dass die östlichen Gliedkirchen die neue Auslegung des Vertrages übernehmen werden", sagte Wolfgang Wild von der EKD. Diskutiert werden sollen die neuen Absprachen auf der EKD-Synode im November. (Aol-Newsbote, 13.6.02)

  • (3165) Berlin. Für die "strikte Trennung von Staat und Kirche" hat sich PDS-Chefin Gabi Zimmer ausgesprochen. Dabei sei schulischer Religionsunterricht für ihre Partei kein Tabu, sagte Zimmer in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur in Berlin. Staat und Kirchen sollten zudem verhandeln, wie die Kirchen ohne die bisher übliche Form der Kirchensteuer Geld für ihre sozialen und kulturellen Aufgaben bekommen könnten.

    Trotz "politisch völlig konträrer Ausgangspunkte" sieht die PDS- Vorsitzende bei Kirchenvertretern Toleranz und Akzeptanz und "eine neue politische Kultur" gegenüber ihrer Partei. Zimmer sprach von Gemeinsamkeiten ihrer Partei mit der katholischen Kirche in vielen Bereichen der Politik. Eine "sehr große Nähe" gebe es etwa bei der Frage nach der Würde des Menschen. Sie zeigte Verständnis dafür, dass Christen in der früheren DDR die PDS und deren programmatische Erneuerung ablehnten. Auch im Umfeld müssten diejenigen einen Lernprozess durchmachen, die meinten, "sich praktisch über Christen erheben zu können". Nie wieder dürfe es passieren, dass Menschenrechte geteilt und gegeneinander gesetzt werden. Nähe zwischen PDS und Kirche sieht die Parteichefin unter anderem bei der Ausländerpolitik, der Bio-ethik und der Entwicklungspolitik. So mahnte sie, bei Zuwanderung müsse zuerst der Zuflucht suchende Mensch und nicht der Arbeitsmarkt gesehen werden. Deshalb müsse die Frage des Asyls neu gestellt werden, wobei die illegal in Deutschland lebenden Flüchtlinge legalisiert werden sollten. (Süddeutsche Zeitung, 9.7.02)

  • (3166) Landau. Religiöse Sexualnormen wie das Verbot von Homosexualität oder vorehelichem Geschlechtsverkehr sind einer Studie zufolge für jeden fünften Deutschen von Bedeutung. Das geht aus einer Studie der Landauer Forschungsstelle für Sexualwissenschaft hervor, für die 2405 Deutsche im Alter von 14 bis 92 Jahren befragt wurden. Danach werden solche Vorschriften vor allem von Menschen mit enger Beziehung zu ihrer Glaubensgemeinschaft respektiert. Bei konfessionslosen und religiös lose gebundenen Menschen sei zu beobachten, dass die starren Kirchennormen von humanistischen, romantischen und individuellen Wertvorstellungen ersetzt würden, schrieben die Forscher. Teilweise entstehe aber auch ein "Werte-Vakuum", in dem alles erlaubt sei. "Es scheint, als würden sich heute viele Menschen an den "Resten" ehemals mächtiger, aber unbarmherziger Sexualnormen orientieren, wobei die feindseligen und intoleranten Aspekte dieser Sexualnormen ausgeklammert werden." Insgesamt stimmten 21,1 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass sie stark von sexuellen Grundsätzen ihrer Glaubensgemeinschaft beeinflusst seien. Auf 78,9 Prozent traf die Aussage "kaum" zu. Im Vergleich der neuen mit den alten Bundesländern zeigt sich laut Studie, dass religiöse Sexualvorschriften im Westen eine größere Rolle spielen. Während dort knapp ein Viertel der Befragten (24,4 Prozent) angibt, dass Vorschriften der Glaubensgemeinschaft eine Rolle spielten, sind es im Osten lediglich 11,3 Prozent. Die größte Rolle spielen die Sexualvorschriften bei einem Vergleich der alten Länder in Schleswig-Holstein. Dort stimmte knapp die Hälfte der Befragten (46,3 Prozent) der Aussage zu, dass solche Vorschriften sie beeinflussten. In Rheinland-Pfalz fiel die Zustimmung am niedrigsten aus (12,5 Prozent). Bei den fünf neuen Ländern liegt Mecklenburg-Vorpommern mit einer Zustimmung von 19,1 Prozent an der Spitze, das Schlusslicht bildet Brandenburg (3,0 Prozent). Bei der Betrachtung der verschiedenen Altersgruppen zeigt sich, dass die 30- bis 39-Jährigen den geringsten Einfluss der Normen verspüren. Nur 16,2 Prozent aus dieser Gruppe fühlen sich von den Vorschriften beeinflusst, während es bei den 60- bis 92-Jährigen 31,5 Prozent sind. Verwitwete sehen sich stärker von den Vorschriften beeinflusst (30,5 Prozent) als Geschiedene (14,1). Bei den Menschen mit engem Verhältnis zu einer Glaubensgemeinschaft stimmt mehr als die Hälfte (57,5 Prozent) der Aussage zu, dass religiöse Normen ihr Sexualverhalten beeinflussen. Von denen, die ihrer Glaubensgemeinschaft ablehnend gegenüber stehen, ist es immerhin noch jeder vierte (25). Auch für jeden fünften der nur lose gebundenen oder religiös gleichgültigen Menschen haben die Werte Bedeutung (21,5 beziehungsweise 20,7). (Aol-Newsbote, 28.5.02)

  • (3167) Bremen. Als eines der letzten Bundesländer hat Bremen erstmals das Verhältnis zu den evangelischen Kirchen verbindlich geregelt. Beide Seiten unterzeichneten im Bremer Rathaus einen Staat-Kirche-Vertrag, in dem die Zusammenarbeit von Staat und Kirche festgeschrieben wird. Der Vertrag regelt unter anderem Bremens Verpflichtungen für biblischen Geschichtsunterricht an öffentlichen Schulen. Der Staat schützt und fördert zudem die Jugendarbeit der Kirchen. (Nordwest-Zeitung, 3.5.02)

    Anm. MIZ: Wie der Weser Kurier berichtete, stimmten nach der Unterzeichnung der Vertrags, der inhaltlich wenig Neues bringt und die bisherige Auslegung der sog. "Bremer Klausel" weiterführt, die Anwesenden unter Leitung von Bürgermeister Henning Scherf  den christlichen Kanon "Dona nobis pacem" an (Schlussvers des Agnus Dei: "Lamm Gottes, du nimmst hinweg die Sünde der Welt, gib uns deinen Frieden."). Der feierliche Festakt schien Scherf so überwältigt zu haben, dass er vergaß, dass er dort als Repräsentant eines weltanschaulich neutralen Staates agieren sollte - und nicht als bekennendes Mitglied der evangelischen Kirche.

  • (3168) Hannover. Das umstrittene Opus Dei (Werk Gottes) gewinnt nach Meinung des Fachautors Peter Hertel in der katholischen Weltkirche zunehmend an Macht. Vor allem im Kardinalskollegium, das den nächsten Papst wählt, sei der Einfluss der theologisch konservativen Priester- und Laienorganisation stark gewachsen, sagte Hertel in Hannover bei der Vorstellung seines neues Buches "Schleichende Übernahme: Josemaria Escrivà, sein Opus Dei und die Macht im Vatikan" (Verlagsgesellschaft Publik-Forum, Oberursel). Auch wenn nur ein Kardinal der Organisation angehöre, so gäben sich doch 21 der derzeit 124 Papstwähler offen als Freunde des Opus Dei zu erkennen. 30 weitere ließen intern keinen Zweifel an ihrer Vorliebe für das Werk. Papst Johannes Paul II. will den Gründer des Opus Dei, den spanischen Priester Josemaria Escrivà (1902-1975), am 6. Oktober heilig sprechen. "Das Opus Dei wird weltweit Schlagzeilen machen und mit dieser Veranstaltung dem Vatikan und der Welt vor Augen führen, wer die stärksten Bataillone in der katholischen Kirche und die Macht hat, sie generalstabsmäßig nach Rom zu führen", meinte der in Ronnenberg bei Hannover lebende Theologe und Journalist, der bereits zuvor zwei Bücher über das Opus Dei verfasste. Von den knapp 85.000 Mitgliedern des Werkes in etwa 80 Ländern seien gut 2000 Kleriker, darunter ein Kardinal und 16 Bischöfe. Escrivà gründete das Opus Dei 1928 in Madrid. Die Mitglieder verfolgen das Ziel einer "Heiligung des Alltags": Sie sollen ihr Leben und ihre Arbeit ganz in den Dienst Gottes stellen, Gesellschaft und Staat "christianisieren". Außerdem gibt es strenge Gehorsams- und Bußregeln für die Mitglieder. (Aol-Newsbote, 8.5.02)

  • (3169) Berlin. Moslemische Lehrerinnen an Grund- und Hauptschulen dürfen das Kopftuch nicht im Unterricht tragen. Das entschied das Bundesverwaltungsgericht in Berlin (Az.: BVerwG 2 C 21.01). Es bestätigte damit die Auffassung des Oberschulamts Stuttgart. Dieses hatte es 1998 abgelehnt, die Klägerin, die aus Afghanistan stammt und 1995 eingebürgert wurde, als Beamtin in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg zu übernehmen (vgl. MIZ-Meldung 3033). Auch in Niedersachsen hatte das Oberverwaltungsgericht im März entsprechend entschieden. "Die Pflicht zu strikter Neutralität im Bereich der staatlichen Schule wird verletzt, wenn eine Lehrerin im Unterricht ein Kopftuch trägt", urteilten die Bundesrichter. Das Kopftuch sei ein deutlich wahrnehmbares Symbol einer bestimmten Religion, selbst wenn seine Trägerin keinerlei missionarische Absicht damit verfolge und das Kopftuch nur aus eigener Glaubensüberzeugung trage. Wegen der Vorbildfunktion, die eine Lehrerin an Grund- und Hauptschulen ausübe, dürfe sie den in ihrer Persönlichkeit noch nicht gefestigten Schülern keine bestimmte Glaubensüberzeugung ständig und unübersehbar vor Augen führen. In der immer mehr von multikulturellen Einflüssen geprägten Gesellschaft gelte das Gebot der Neutralität gegenüber unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen in staatlichen Pflichteinrichtungen umso mehr, sagte der Vorsitzende Richter des zweiten Senats, Peter Silberkuhl. Jeder Schüler habe auf Grund seiner Religionsfreiheit Anspruch darauf, vom Staat nicht dem Einfluss einer fremden Religion, auch in Gestalt eines Symbols, ausgesetzt zu werden. Auch die Eltern religionsunmündiger Schüler könnten verlangen, dass der Staat sich in religiösen und weltanschaulichen Fragen neutral verhält. Silberkuhl wies darauf hin, dass gerade Kinder im Grundschulalter mental noch relativ leicht zu beeinflussen seien. Ein Kopftuch, das symbolisch eine religiöse Überzeugung ausdrücke, könnte durchaus so wirken. "Für ein islamisches Kopftuch gilt nichts anderes als für jedes andere religiöse Symbol auch."

    Die 30-jährige Lehrerin Fereshta Ludin, die 1998 ihr zweites Staatsexamen in Baden-Württemberg ablegte, unterrichtet zur Zeit an einer islamischen Grundschule in Berlin-Kreuzberg. Sie zeigte sich bestürzt über das Urteil, ließ aber offen, ob sie Verfassungsbeschwerde einlegen will. "Ich hoffe, dass das Urteil nicht zu einer Diskriminierungswelle führt", sagte sie anschließend. Sie betonte, dass für sie das Tragen einer Kopfbedeckung in der Öffentlichkeit eine Selbstverständlichkeit sei. "Ich bedecke damit meine Reize." Der Sprecher des Stuttgarter Oberschulamts, Stefan Reip, begrüßte die Entscheidung. Der Anwalt der Lehrerin, Hansjörg Melchinger, sagte in der Verhandlung: "Es kommt nicht darauf an, was die Lehrerin auf dem Kopf hat, sondern was sie im Kopf hat." Der Tübinger Professor für Öffentliches Recht, Ferdinand Kirchhof, der das Land Baden-Württemberg vertrat, sagte: "Ein bisschen Kopftuch, das geht in diesem Fall nicht." Auch für den Bundesvertreter, Prof. Hans-Dietrich Weiß, stand fest: "Das Kopftuch ist ein Symbol". Gewiss werde Lehrern keine absolute Neutralität in weltanschaulichen Fragen abverlangt. "Auch dem Bundespräsidenten ist es erlaubt, aus seinem christlichen Herzen keine Mördergrube zu machen." Doch mit dem Tragen eines Kopftuchs verlasse die Klägerin die Grenze der gelockerten Neutralitätspflicht. Der Fall sei vergleichbar mit der Kruzifix-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. "Ist der staatliche Unterricht unter dem Kreuz verwehrt, muss es auch verwehrt sein, staatlichen Unterricht unter dem Shador zu betreiben." (Aol-Newsbote, 4.7.02)

    Anm. MIZ: Ein Urteil, das der weltanschaulichen Neutralität des Staates geschuldet ist, oder eines, das im Geiste eines christlichen Kulturkampfes gefällt wurde? Nimmt man die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zum Maßstab, ist auch das über der Kleidung getragene Kreuz an der Halskette einer Lehrerin nicht mehr tabu. Ob die Richter diese Konsequenz ihres Urteils bedacht oder gar bezweckt haben, darf bezweifelt werden.

  • (3170) Neu-Ulm. Der Neu-Ulmer Hauptschullehrer Gerhard Rauch hat Klage gegen den Freistaat Bayern erhoben, um das Kruzifix aus seinem Klassenzimmer entfernen zu lassen. Alle Versuche einer gütlichen Einigung mit dem Schulleiter bzw. dem Staatlichen Schulamt waren zuvor gescheitert. Rauch unterrichtete im Schuljahr 2001/02 in einer 6. Hauptschulklasse der Erich-Kästner-Schule Neu-Ulm/Ludwigsfeld. Der 53-jährige Pädagoge sieht sich selbst ausdrücklich als Atheist. Seine Klage richtet sich u.a. gegen die bayerische Praxis, das Kreuz in den Unterrichtsräumen der Volksschulen zu belassen, obwohl das Bundesverfassungsgericht 1995 dies für verfassungswidrig erklärt hatte: "Das Kreuzsymbol hat unabhängig von einem etwa möglichen nur kulturellen Verständnis untrennbar immer auch die Bedeutung eines religiösen Symbols (mit welchem Detailverständnis auch immer). Die religiöse Bedeutung des Kreuzsymbols konnte somit nicht durch den Landesgesetzgeber einfach wegdefiniert werden." Mit einer erstinstanzlichen Entscheidung ist frühestens im September 2002 zu rechnen. (Pressemitteilung G.R., 19.7.02)

Österreich

  • (3171) Burgenland. Der evangelische Militärseelsorger des Burgenlandes trat aufgrund seiner Verwicklung in eine "Pornoaffäre" von seinen Ämtern zurück. Die Bilder im Sexmagazin ÖKM zeigten den evangelischen Militärseelsorger, Oberpfarrer Geza Molnar, in eindeutigen Stellungen mit einer blonden Partnerin. In einer Stellungnahme gegenüber dem ORF sprach Molnar von einem fatalen Fehler: "Ich habe da vor einiger Zeit große, machomäßige Dummheiten hinter mir. Gott sei Dank habe ich nie jemanden geschädigt und wir waren immer alle freiwillig dabei. Ich will niemanden da hineinziehen und schädigen. Deshalb war es für mich eine Selbstverständlichkeit, mich aus meinen bisherigen beruflichen Funktionen und Institutionen vollkommen zurückzuziehen."

    Geza Molnar war seit 1990 evangelischer Pfarrer. Seine Aufgaben als Militärpfarrer werden zunächst Militärpfarrer aus anderen Bundesländern übernehmen. (ORF-Online, 1.6.02)

Frankreich

  • (3172) Paris. Die französische Tageszeitung Le Monde ist bislang in religiösen Fragen nicht besonders aufgefallen - nun wird der Verlag 30-Prozent-Gesellschafter der katholischen Publications de la vie catholique, die unter anderem die Zeitschriften Telerama und La Vie herausgeben. Le Monde wird sich auch an der Geschäftsführung beteiligen und hat die Charta der akquirierten Gruppe unterschrieben, die als Hauptziel die Verbreitung christlicher Zeitschriften vorsieht. (Süddeutsche Zeitung, 24.7.02)

Großbritannien

  • (3173) London. Die anglikanische Kirche von England hat einen Milliardenbetrag an der Börse verloren. Vor allem durch den starken Kursverfall in den vergangenen sechs Monaten büßte sie nach eigenen Angaben ein Viertel ihres Vermögens ein. Nach einem Bericht der Zeitung The Guardian beträgt die Summe umgerechnet etwa 1,3 Milliarden Euro. Die Finanzberater der Kirchenleitung hatten den Angaben zufolge vor allem in Telekommunikations-, Technologie- und pharmazeutische Unternehmen investiert, die in Großbritannien wie überall in der Welt dramatische Einbußen hinnehmen mussten. Besonders der Kursverfall des Handy-Herstellers Vodafone habe die anglikanische Kirche schwer getroffen, berichtete die Zeitung.

    Ein Sprecher der Kirche bestätigte hohe Verluste, dementierte jedoch, dass sich die Finanzen der Kirche in einer Krise befänden: "Der Markt ist im Moment am Boden. Aber nur, weil sich der Wert der Aktien verringert hat, heißt das noch lange nicht, dass auch die Dividenden im Keller sind."

    Bereits vor zehn Jahren hatte die anglikanische Kirche 800 Millionen Pfund, umgerechnet 1,3 Milliarden Euro, durch Missmanagement und Immobilienspeku-lation verloren. Eines der Hauptprobleme der Kirche ist es nun, die Pensionsansprüche von Priestern im Ruhestand zu finanzieren. In einigen Regionen veräußert sie bereits Besitztümer. So verkauft das Bistum Durham Werke des spanischen Malers Francisco de Zurbarán aus dem 17. Jahrhundert, die im Amtssitz des Bischofs hängen. Dadurch sollen 32 Millionen Euro erwirtschaftet werden. (Süddeutsche Zeitung, 30.7.02)

  • (3174) London. Gläubige Katholiken leiden einer Studie zufolge häufiger unter Zwangsneurosen als weniger religiöse Menschen. Menschen, die in einem tiefgläubigen Umfeld aufgewachsen sind, seien öfter von dieser Störung betroffen, berichtete BBC online unter Berufung auf eine Untersuchung der Universität Parma. "Als Religion betont der Katholizismus die persönliche Schuld des Gläubigen", sagte der Psychiater Ian Hancock. Ein solcher Einfluss könne verstärkend auf jemanden wirken, "der ohnehin schon sehr anfällig dafür ist, sich ständig für alles die Schuld zu geben". Die Forscher betonen, ihre Studie beweise nicht, dass religiöse Erziehung von Kindern später zu Zwangsneurosen führen könne. Es sei ebenso möglich, dass Neurotiker sich von einer religiösen Lebensweise angesprochen fühlten. (Frankfurter Rundschau, 31.5.02)

    Anm. MIZ: Die relativierende Feststellung Hancocks ist sicherlich empirisch korrekt. Dennoch dürfte der Befund, "dass Neurotiker sich von einer religiösen Lebensweise angesprochen fühlten", kaum zu einer Imageverbesserung der katholischen Kirche beitragen.

Russland

  • (3175) Moskau. Rund 70 Jahre nach der Enteignung durch die Sowjets soll Russlands Kirche ihr Land wiederbekommen: Das russische Oberhaus will durchsetzen, dass die Orthodoxe Kirche ihren nach der Oktoberrevolution enteigneten Grundbesitz zurückerhält. Senator Iwan Starikow jedenfalls sagte den Zeitungen Iswestija und Gasjeta, man müsse der Kirche "so viel Land zurückgeben, wie sie fordert." Ein Sprecher des Patriarchats der Russisch-Orthodoxen Kirche in Moskau winkte aber auf Anfrage der SZ ab: "Uns geht es nicht um die Rückgabe des gesamten Landes. Wir wollen nur das Eigentum an jenen Ländereien, die derzeit von den Kirchen und Klöstern genutzt werden."

    Senator Starikow, Sprecher der Landwirtschaftskommission, denkt offenbar weiter. Er erhofft sich durch "die Rückgabe" einen Aufschwung der geplagten Landwirtschaft. Auf den Ländereien könne die Kirche "ökologisch unbelastete landwirtschaftliche Produkte" anbauen. Zudem könne sie die Landwirtschaft mit Sozialprogrammen für Arbeitslose, Alkoholiker oder Drogensüchtige verbinden.

    Die orthodoxe Kirche, eine der Hauptstützen des Zarenregimes, war nach der Revolution enteignet worden. In den dreißiger Jahren wurde die Enteignung umgesetzt. Auch viele Kirchen wurden von den Sowjets zerstört, geplündert oder zweck-entfremdet: als Lagerhäuser oder öffentliche Toiletten. Die Kirche hatte vor 1917 über riesige Ländereien verfügt. Nach Angaben des Patriarchatssprechers Wiktor Maluchin waren es drei Millionen Hektar Land. Nach dem Untergang der UdSSR wurden Kirchen, Klöster und Teile der Ländereien zurückgegeben. Der Sprecher des Patriarchates betonte aber, dass dieses Land weiter staatliches Eigentum sei. Es sei dem Patriarchat lediglich "zur Nutzung" überlassen worden. "Aus Gründen der Rechtssicherheit fordern wir nun das Eigentum an diesem Grund und Boden, der von Kirchen und Klöstern genutzt wird", sagte er. Mehr Land indes wolle man gar nicht: Die Kirche sei nicht an einer vollständigen Rückgabe interessiert, "weil wir nach den Jahrzehnten des Atheismus gar nicht das Personal haben, solche riesigen Ländereien zu bewirtschaften". Ebenso wichtig: Die Kirche, die in Russland heute wieder eng mit dem Staat verbunden ist, will das Eigentum zurück, ohne dass dies mit der Feststellung verbunden ist, die Enteignungen seien illegal gewesen. Hintergrund ist, dass eine allgemeine Rechtswidrigkeit der Enteignungen neue Forderungen an den Staat nach sich ziehen dürfte, etwa der enteigneten Adeligen.

    Senator Starikow hat die Kirchenbesitzdebatte vor dem Hintergrund der Landreform losgetreten. Präsident Wladimir Putin hat die Reformgesetze nun unterzeichnet. Sie erlauben von 2003 an den Erwerb landwirtschaftlicher Böden durch Privatpersonen. Zudem ermöglichen sie die Lösung des Kirchenland-Problems. "Früher gab es kein in sich einheitliches Gesetz über den Grundbesitz - die einzelnen Gesetze widersprachen sich", so Starikow. Er fügte hinzu, auch alle anderen "traditionellen" Religionsgemeinschaften Russlands sollten enteigneten Besitz zurück-erhalten - "das sind die Juden, die Muslime, die Katholiken und die Buddhisten". (Süddeutsche Zeitung, 26.7.02)

Nordamerika

U.S.A

  • (3176) Washington. Staat und Kirche sind nach der amerikanischen Verfassung getrennt. In den Köpfen der Amerikaner sind Gott und Vaterland aber untrennbar miteinander verbunden. Davon zeugt die nationale Entrüstung über eine kalifornische Gerichtsentscheidung zum Fahneneid, die quer durchs Land wogte. Eine Richterkammer des U.S. Court of Appeals for the Ninth District, das bekannt ist für seine liberalen Rechtsansichten, entschied, dass das Gebot der Trennung von Staat und Kirche verletzt sei, wenn die Schüler zu Beginn des Unterrichts den Fahneneid sprächen. Zwei der drei Richter stoßen sich an der Formulierung "eine Nation unter Gott", als die Amerika in dem Treuegelöbnis beschrieben wird, das Millionen amerikanischer Schulkinder zu Unterrichtsbeginn sprechen.

    "Lächerlich" sei diese Entscheidung, ließ Präsident Bush wissen. "Traurig und absurd" und "einfach verrückt" lauteten die Kommentare führender Politiker beider Parteien in Washington. Die Empörung war so groß, dass Sitzungen im Kongress unterbrochen werden mussten. Während der Senat eine Resolution zur Beibehaltung des Fahneneides in seiner gegenwärtigen Fassung verabschiedete, versammelten sich Dutzende von Mitgliedern des Repräsentantenhauses vor dem Kapitol, sprachen mit lauter Stimme das Treuegelöbnis und sangen "God Bless America".

    Der Kläger, ein Atheist, der nicht will, dass seine Tochter mitanhören muss, wie ihre Grundschulklasse den Vereinigten Staaten als "Nation unter Gott" die Treue gelobt, versicherte im Fernsehen, er sei ebenfalls Patriot, wenngleich kein religiöser. Aufgebrachte Eiferer überhäuften die Familie des Klägers dennoch mit Beschimpfungen und selbst Drohungen. Die Stimmen jener, die den Richterspruch aus Kalifornien gutheißen, sind bislang nur schwach zu hören. Aber einige Verfassungsrechtler sprechen von einer "gut begründeten" Entscheidung, die in der "Logik der Verfassung" liege.

    In etwa der Hälfte der amerikanischen Bundesstaaten ist das Treuegelöbnis zu Unterrichtsbeginn gesetzlich vorgeschrieben, in anderen nur empfohlen. Der durch die Terroranschläge vom 11. September neu belebte Wunsch nach patriotischer Symbolik hat zudem in einigen Bundesländern neue Gesetzesinitiativen zum Fahneneid hervorgebracht. Doch nicht immer enthielt das Treuegelöbnis die umstrittene Bezugnahme auf Gott. Erst 1954, auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, entschied der Kongress, die Worte "eine Nation unter Gott" hinzuzufügen, um die Unterschiede des amerikanischen Werteverständnisses gegenüber dem kommunistischen deutlich zu machen.

    Dem kalifornischen Berufungsrichter zufolge ist diese politische Absicht jedoch nicht mit der Trennung von Staat und Kirche vereinbar. Das Trennungsgebot verbiete staatliche Unterstützung für Religion auf Kosten des Atheismus. Die Bekundung, Amerika sei eine "Nation unter Gott", widerspreche der Verfassung genau so, wie wenn es hieße, Amerika sei eine Nation "unter Jesus", "unter Vishnu", "unter Zeus" oder auch eine Nation "unter keinem Gott". Die Richter lassen auch nicht gelten, dass die kalifornischen Schüler nicht gezwungen sind, den Fahneneid zu sprechen. Grundschulkinder seien leicht zu beeinflussen. Ob die Entscheidung Bestand haben wird, die für neun Bundesstaaten im Westen gelten würde, gilt jedoch als fraglich. Zunächst könnte das Berufungsgericht selbst sie verwerfen, denn bislang hat nur eine Kammer entschieden. Und dann könnte sich womöglich auch der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten damit befassen. Eine Entscheidung des Supreme Court unmittelbar zum Fahneneid gibt es bislang nicht. Das Gebot der Trennung von Kirche und Staat hat die obersten Richter aber schon oft beschäftigt. Für verfassungswidrig erklärten sie Gebete im Schulunterricht, auch wenn diese freiwillig seien. Dagegen soll es amerikanischen Gemeinden nach Meinung der Richtermehrheit grundsätzlich erlaubt sein, zur Weihnachtszeit Krippen aufzustellen, da das Weihnachtsfest mitsamt seinen Symbolen inzwischen auch säkularen Charakter habe. In anderen Entscheidungen, in denen sich die Frage nach der Zulässigkeit religiösen Handelns und religiöser Symbole im öffentlichen Leben stellte, argumentierten die Richter ebenfalls, dass sich die religiöse Bedeutung abgeschliffen habe. So argumentiert auch der kalifornische Richter, der den Fahneneid mit dem Gottesbezug im Gegensatz zu den beiden anderen Richtern des Berufungsgerichts für verfassungsmäßig hält. Wenn der Supreme Court den Streit entscheiden sollte, dann steht womöglich auch eine Zeremonie in seinem eigenen Haus zur Debatte: Denn jede Sitzung wird mit den Worten "God save the United States and this Honorable Court" eröffnet. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 28.6.02)

  • (3177) Washington/Hannover. Nach monatelangem Tauziehen ist es jetzt beschlossene Sache: Die Regierung Bush entschied, die finanzielle Unterstützung des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA) in diesem Jahr ganz zu streichen. "Die Entscheidung der Regierung Bush ist ein Sieg des erzkonservativen Fundamentalismus gegen die Menschlichkeit", kritisierte der Geschäftsführer der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW), Dr. Hans Fleisch, den Beschluss. "Damit haben sich die reaktionären, aufklärungs- und frauenfeindlichen Kräfte in der Regierung Bush durchgesetzt."

    Zwar hatte der US-Kongress bereits im Herbst letzten Jahres 34 Millionen US-Dollar für UNPFA bewilligt. Doch auf Druck konservativer Lobbygruppen hatte Präsident George W. Bush die Auszahlung der bereits bewilligten Gelder gestoppt. Obwohl der Vorwurf, UNFPA würde in China Abtreibungen und Zwangssterilisationen tolerieren, inzwischen von einer von der US-Regierung entsandten Kommission widerlegt wurde, sind die Gelder nun vollständig gestrichen worden. Auch UNFPA-Direktorin Thoraya Obaid bedauerte die Entscheidung der US-Regierung und warnte vor den Folgen der fehlenden Unterstützung. "Mit diesen 34 Millionen US-Dollar könnten zwei Millionen ungewollte Schwangerschaften und 77.000 Fälle von Säuglings- und Kindersterblichkeit verhindert werden", so Obaid. "Aufgrund dieser Entscheidung werden Frauen und Kinder sterben."

    Nach Ansicht der DSW sind jetzt vor allem die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gefordert, ihre finanzielle Unterstützung für UNFPA zu erhöhen. "Entscheidend ist auch, dass die EU beim kommenden Erdgipfel in Johannesburg weiterhin darauf dringt, dass das Thema Bevölkerungswachstum und freiwillige Familienplanung nicht in den Hintergrund gerät", so Fleisch. "Dies wäre sonst ein weiterer Sieg der erzkonservativen Kräfte." (Presseerklärung der DSW)

  • (3178) Los Angeles. Über 20 Jahre hatte der Rechtsstreit zwischen Scientology und dem früheren Mitglied der Sekte, ­Lawrence Wollersheim, gedauert. Um der Angelegenheit ein Ende zu bereit, griff die Organisation jetzt tief in die Tasche. Der 53-jährige Wollersheim hatte Scientology 1980 verklagt. Unter anderem warf er der Organisation vor, ihn an den Rand des Wahnsinns getrieben zu haben. Scientology-Vertreter hinterlegten bei einem Gericht in Los Angeles einen Scheck in Höhe von 8.674.843 Dollar mit der Begründung, sie wollten die Angelegenheit nun endgültig abschließen. Ein Geschworenengericht hatte Wollersheim 1986 eine Entschädigung in Höhe von 30 Millionen Dollar zugesprochen. Die Summe wurde später in einer Berufungsverhandlung auf 2,5 Millionen Dollar reduziert. (Der Spiegel,11.5.02)

  • (3179) Boston. Tausende US-Katholiken haben sich zusammengeschlossen, um die Macht der Bischöfe zu beschränken. Sie schmiedeten bei einem Treffen in Boston Pläne, wie der Kirche die Kontrolle über das Geld der Gläubigen entzogen werden kann. Nach den Skandalen um Bischöfe und Priester der katholischen Kirche in den USA, denen Kindesmissbrauch vorgeworfen wird, wollen die Gläubigen mehr Einfluss und mehr Demokratie durchsetzen. Ein Ziel der Gruppe mit dem Namen Voice of the Faithful (Stimme der Gläubigen) ist es, den Katholiken mehr Mitsprache in ihrer Kirche zu verschaffen. Das will die Gruppe nun über den Zugriff auf die Kirchenfinanzen erreichen. "Wir sind 99,9 Prozent der Kirche und 100 Prozent des Geldes", sagte Jim Muller, einer der Gründer der Gruppe. Die Gruppe um Muller traf sich erstmals im Januar und hat nach eigenen Angaben inzwischen 20.000 Mitglieder in mehreren Ländern. An dem Treffen in Boston nahmen 4000 Menschen teil.

    Der Skandal um Kindesmissbrauch zeige "die ungezügelte Abhängigkeit" der Kirchenhierarchie von Macht, sagte Pastor Thomas Doyle. "Heute holen wir uns das wieder, was man uns weggenommen hat. Wir sind im Jahr 2002, nicht 1302." Joe Hickey, ein Teilnehmer aus New York, bekannte, er sei als Kind von einem Priester missbraucht worden. Niemand habe etwas davon wissen wollen. Sein Vorschlag gegen das Verschweigen und Vertuschen lautete: "Wenn man ihnen ihr Geld wegnimmt, werden sie zuhören. So einfach ist das."

    Die Gruppe diskutierte auch alternative Formen der Kirchenfinanzierung. In den USA gibt es keine Kirchensteuer. Nun will die Gruppe Wege finden, wie den Bischöfen die Kontrolle über die Spenden der Gläubigen entzogen werden kann. Seit Januar, als die katholische Kirche in den USA wegen des Falls eines pädokriminellen Priesters in die Krise stürzte, sind vier Bischöfe und mehr als 250 Priester von ihrem Amt zurückgetreten oder suspendiert worden. (Netzzeitung.de, 21.7.02)

  • (3180) Milwaukee. Milwaukees zurückgetretener Erzbischof Rembert Weakland (75) hat den sexuellen Missbrauch eines Mannes eingeräumt und sich öffentlich für seine Sünden entschuldigt. Vor mehreren hundert Gläubigen sagte er , er bedauere seine Vergehen und bekenne seine Verantwortung für die "sündige Natur seiner Beziehungen" zu dem Mann. Er entschuldige sich für alles, was er ihm angetan habe.

    Weakland hatte am 24. Mai nach dem Vorwurf, einen jungen Mann sexuell missbraucht zu haben, seinen Rücktritt erklärt. Der Erzbischof hatte dabei seine Unschuld beteuert, aber die Zahlung einer Geldsumme an das mutmaßliche Opfer Paul Marcoux bestätigt. Der heute 53-jährige Marcoux hatte im US-Sender ABC erklärt, Weakland habe ihn vor 20 Jahren sexuell missbraucht. 1998 habe ihm die Erzdiözese gegen ein Schweigeversprechen umgerechnet 450.000 Euro gezahlt. Derzeit liegen allein in der Erzdiözese Boston rund 450 Missbrauchsklagen vor. (Frankfurter Rundschau, 3.6.02)

Lateinamerika

Paraguay

  • (3181) Asuncion. Statt ins Gefängnis hat eine Richterin in Paraguay einen Vergewaltiger in die Kirche geschickt. Wegen des Missbrauchs seiner minderjährigen Schwägerin muss Jose Vega zwei Jahre lang eine Stunde pro Woche zum katholischen Religionsunterricht gehen, wie die Zeitung La Nacion berichtete.

    Ein Vertreter der Kirchengemeinde von Ita nahe der Hauptstadt Asuncion soll die regelmäßige Teilnahme kontrollieren. Auf diese Weise könne sich Vega weiter um seine drei Kinder kümmern, begründete die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf die ungewöhnliche Strafe. Vega hatte seine Schwägerin vor zwei Jahren vergewaltigt, dabei geschwängert, und mit dem Tode bedroht. Das Urteil verpflichtet ihn auch dazu, das Kind der Schwägerin in seiner Familie aufzunehmen. (religion.orf.at, 24.5.02)

    Anm. MIZ: Ob dieses Urteil angesichts der aktuellen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche (siehe u.a. die beiden vorangegangenen Meldungen) besonders weise war, sei einmal dahingestellt. Schließlich schickt man einen Alkoholiker auch nicht zum Entzug in den Schnapsladen?

Asien

Iran

  • (3182) Teheran. Iranische Schülerinnen und Lehrerinnen müssen ihr Haupt künftig während der Schulstunden nicht mehr bedecken. Das Bildungsministerium des Landes will die islamische Kleiderordnung in Mädchenschulen abschaffen, wie die Zeitung Siassat Ruz berichtete. Die Schulgebäude sind laut dem Bericht jedoch mit verspiegelten Fenstern ausgestattet worden, damit die Mädchen und Frauen nicht von Männern gesehen werden können. Pläne für eine Neuregelung der Kleidervorschriften lagen bereits seit dem Jahr 2000 im Bildungsministerium. Fundamentalisten waren dagegen Sturm gelaufen. Im islamischen Iran müssen Mädchen ab dem Alter von neun Jahren in der Öffentlichkeit ein langes Gewand und ein Kopftuch tragen. (Focus, 3.8.02)

Israel

  • (3183) Jerusalem. Vertreter der zwei linken Parlamentsfraktionen protestieren gegen das "Tal-Gesetz", das eine Kommission unter dem Vorsitz des früheren Richters Zvi Tal in den letzten zwei Jahren verfasst hatte. Es erlaubt ultra-orthodoxen Religionsstudenten, in ihren "Jeschivot" (Religionsschulen), weiterhin die Torah studieren zu dürfen - ohne den Grundwehrdienst ableisten zu müssen. Premierminister Ariel Scharon hatte nach der Abstimmung gesagt, er habe "schweren Herzens" dafür gestimmt, schließlich blicke er selbst auf eine Karriere in der Armee zurück. Doch das Zähneknirschen Scharons war halbherzig: Hätte er nicht für die Ausnahmeregelung gestimmt, hätten seine ultra-orthodoxen Koalitionspartner die Regierung verlassen. Nach dem Rücktritt zweier Minister kann sich Scharon eine weitere Erosion der großen Koalition nicht leisten.

    Im mehrheitlich weltlich orientierten Israel wurde das Tal-Gesetz als sozial ungerecht empfunden. Die Demonstranten in Tel Hashomer wie auch Leitartikler der Tageszeitung Haaretz etwa sehen in der Ausnahmeregelung für die Jeschiva-Studenten eine gesellschaftliche Spaltung. Das neue Gesetz erlaubt es Jeschiva-Studenten, deren Torah-Studien vom Staat finanziert werden, selbst zu entscheiden, ob sie Militärdienst oder eine Art Zivildienst ableisten oder ob sie ihre Religionsstudien fortsetzen wollen. Die Studenten und ihre Rabbiner-Mentoren argumentieren, sie trügen durch ihr Studium genauso zur israelischen Gesellschaft bei wie Armee-Angehörige. Das Torah-Studium garantiere Israel die Verbundenheit zu Gott und dessen Schutz für das jüdische Volk.

    Bislang war die Rechtslage nicht eindeutig. Vor zwei Jahren jedoch entschied der Oberste Gerichtshof, dass das Parlament einen Gesetzesentwurf verabschieden müsse, der die Ausnahme von Jeschiva-Studenten am Militärdienst gesetzlich legalisiere. Bisher basierte die Regelung auf einer verbalen Vereinbarung aus Staatsgründungszeiten, wonach Religionsstudenten selbst entscheiden dürften, ob sie in die Armee wollten oder nicht. Staatsgründer David Ben-Gurion hatte diese Vereinbarung getroffen und 1948 gerade mal 400 Jeschiva-Studenten erlaubt, nicht in die Armee gehen zu müssen. Er konnte damals nicht absehen, dass es im Jahre 2002 mehrere zehntausend Religionsstudenten geben werde. (Süddeutsche Zeitung, 31.7.02)