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(948) Aachen. Henry Kissinger, ehemaliger US-Außenminister, erhielt am 28. Mai den Karlspreis der
Stadt Aachen aus der Hand des Aachener Oberbürgermeisters und hochrangigen Opus-Dei-Mitglieds Kurt Malangré. Kissinger gehörte
zu den ersten westlichen Politikern, die nach dem Papst-Attentat im Mai 1981 mit der "Enthüllung" an die Öffentlichkeit
getreten waren, der sowjetische KGB und dessen damaliger Chef, Jurij Andropow, hätten den Papst ermorden wollen. Jürgen Roth
schreibt dazu in seinem kürzlich im IBDK-Verlag erschienenen Buch "Geschäfte und Verbrechen der Polit-Mafia": "Robert Moss und
Brian Crozier vom Londoner Institut für Konfliktforschung sind beispielsweise Teilnehmer des Cercle Violet, genau wie William
Colby, der ehemalige CIA-Chef, oder Kissinger. Diese Namen wird man sich merken müssen, wenn es um die politische Protektion
der organisierten Kriminalität geht." (J. Roth, S. 58) Auch habe es Beziehungen zwischen Kissinger und der kriminellen Loge P 2
gegeben: "Die italienische Justiz verfügt über Zeugenaussagen, daß Kissinger Mitglied einer anderen Loge war, nämlich des
Comite Monte Carlo. Diese Loge wurde vom Großmeister der italienischen Freimaurerloge (P 2), Licio Gelli, gegründet." (J. Roth,
S. 128.) Das italienische Magazin Panorama stellte sogar einen Zusammenhang mit der Ermordung Aldo Moros her: "Dieser Name
Kissinger ist Symbol jener Kreise, die Moros politischem Leben ein blutiges Ende gesetzt haben." (J. Roth, S. 129.) Kissinger
gab sich auch bei der Verleihung des Karlspreises als konsequenter Gegner der Abrüstung zu erkennen. Er sprach von der
"gemeinsamen europäischen Bedrohung" durch die Sowjetunion, von der "Herausforderung durch die Sowjetunion", die "komplexer und
subtiler" geworden sei, forderte eine Koordinierung der Nuklearstreitkräfte Großbritanniens und Frankreichs und erinnerte mit
einem Aufruf zur "Wachsamkeit" daran, daß die atlantische Partnerschaft einst aus "der Furcht vor einer Aggression des
totalitären sowjetischen Staates" entstanden sei. "Die Regierenden im Westen müssen aufhören, so zu tun, als könnten die
Nuklearwaffen abgeschafft werden." (vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.5.1987, Der Tagesspiegel, 30.5.1987; die taz
brachte hierzu eine einzige Zeile in der Nachrichtenrubrik: "Was fehlt?")
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(949) Hamburg/Würzburg. Mit einer beispiellosen Telefonwerbeaktion wollten 700 evangelische
"Laienapostel" 69.000 Hamburger Haushalte erreichen, um abgeschlaffte oder abtrünnige Glaubensbrüder wieder für die Kirche zu
mobilisieren. Nur ein Drittel zeigte allerdings Interesse an einem kostenlos angebotenen Buch, und zu weiteren Gesprächen war
dann nur noch ein Zehntel der Angerufenen bereit. Inzwischen sieht die nordelbische Landeskirche den Hauptsinn der 184.000 DM
teuren Aktion in der Möglichkeit, aktiven Laien ein Bestätigungsfeld zu verschaffen. In einer ähnlichen Aktion ließ die
konservative "Evangelische Allianz" zusammen mit einem "Missionswerk Operation Mobilisation" 53.000 Würzburger Haushalte durch
800 Aktivisten heimsuchen. Als Schirmherr gab sich WÜrzburgs Oberbürgermeister Zeitler (SPD) her. (Spiegel, 9.3.1987;
Rheinischer Merkur, 13.3.1987; epd Bayern, 9.4.1987.)
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(950) Karlsruhe. Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, daß nichtkonfessionelle
Privatschulen vom Staat bei der Finanzierung nicht "willkürlich" schlechter gestellt werden dürfen als kirchliche. Gleichzeitig
hat der Senat festgestellt, daß der Staat mit seinen Zuschüssen den "Bestand" einer Privatschule zu sichern, diese aber auch
eine angemessene Eigenleistung zu erbringen habe. Geklagt hatten zwei Privatschulträger, die nur zu 25% von Hamburg bezuschußt
wurden, während kirchliche Schulträger zwischen 77 und 82% erhielten. (AZ: 1 BVL 88 und 16/84) (Frankfurter Allgemeine Zeitung,
9.4.1987; Frankfurter Rundschau, 9.4.1987; Katholische Nachrichten Agentur, 9.4.1987; Süddeutsche Zeitung, 9.4.1987.) Für
Kirchenfreie ist dieses Urteil zwar positiv, aber kein voller Erfolg, weil offensichtlich geringe Unterschiede nicht von
vornherein unzulässig sind.
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(951) Bonn/München. Die Frage nach der Religionszugehörigkeit bei der Volkszählung wurde laut
Staatssekretär Waffenschmidt auf ausdrücklichen Wunsch der Kirchen aufgenommen. Noch deutlicher äußerte sich der Präsident des
Bayerischen Statistischen Landesamts, Schiedermaier (zugleich auch Mitglied der evangelischen Synode in Bayern), in einem
Interview mit dem Evangelischen Sonntagsblatt Bayern: "Die Frage nach der Religionszugehörigkeit ist ausschließlich auf den
Wunsch der Kirchen und Glaubensgemeinschaften zurückzuführen. Der Staat hat gar kein Interesse an dieser Fragestellung."
(Publik-Forum, 15.4.1987 und Evangelische Sonntagsblatt Bayern, 19.4.1987, S. 7.) Die Zahl der Kirchenmitglieder läßt sich aus
den Daten der Meldebehörden problemlos ermitteln. Was die Kirchen für ihre Vorausplanung wollen, ist die Kombination mit
anderen Daten, zum Beispiel Alter und Bildungsgrad ihrer Mitglieder und das alles dank einer kostenlosen Dienstleistung des
Staates! Damit ist nicht nur die Trennung von Staat und Kirchen verletzt, sondern auch die Auflage des "Volkszählungsurteils"
des Bundesverfassungsgerichts vom 15.2.1983, wonach die Frage nach der Religionszugehörigkeit zulässig ist, "wenn die Erhebung
der Erfüllung einer Bundesaufgabe dient" (vgl. Neue Juristische Wochenschrift 8/1984, S. 421).
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(952) Freiburg. Weniger als die Hälfte der katholischen Studenten, die ein Priesteramtsstudium
aufnehmen, bleiben ihrem Berufsziel auch tatsächlich treu. Dies ist einer der Gründe für die Abnahme der Priesterzahl in der
BRD von 24.000 auf 22.000 seit 1980. 1986 hat die Zahl der Neupriester mit 286 zwar wieder den Stand von 1973 erreicht (das
Minimum lag 1979 bei 205), aber die Zahl der Studienanfänger ist seit 1983 kontinuierlich rückläufig. (Katholische Nachrichten
Agentur, 21.2.1987; Le Monde, 30.4.1987; Augsburger Kirchenzeitung, 10.5.1987.)
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(953) Bonn. Zum erstenmal seit fast vier Jahren hat die katholische Kirche wieder statistische
Daten veröffentlicht. Die Kirchenaustritte haben demnach 1985 mit 75.000 ihren zweithöchsten Stand nach 1974 (83.000) erreicht,
ihnen standen 8 700 Eintritte gegenüber. Die Zahl der Katholiken in der BRD und Westberlin ging 1985 auf 26,3 Millionen zurück,
die der Protestanten auf 25,1 Millionen. (Bei einer Einwohnerzahl von 61,020 Millionen sind das 43,1 bzw. 41,1%.) Auch die Zahl
der Taufen weist rückläufige Tendenzen auf: Während die Geburtenzahl von 1970 bis 1985 um 27,7% abnahm, sank die der Taufen um
31,1 % von 370.000 auf 254.000; die Zahl der kirchlichen Bestattungen lag 1985 um 32 200 über der der Taufen (wobei die
Todesfälle von Katholiken ohne kirchliches Begräbnis noch nicht einmal erfaßt sind). Die 113.000 kirchlichen Trauungen stellen
den niedrigsten Stand seit Kriegsende dar, obwohl inzwischen die geburtenstarken Jahrgänge ins heiratsfähige Alter kommen. Die
Bischofskonferenz schließt daraus auf eine extrem starke Auflösung kirchlicher Bindungen in dieser Altersgruppe. Die
durchschnittliche Zahl der Gottesdienstbesucher ging 1985 auf 6,8 Millionen (25,8% aller Katholiken) zurück; selbst in den
"erzkatholischen" bayerischen Bistümern Regensburg, Eichstätt und Passau ging nur rund ein Drittel sonntags zur Kirche (37,6/%,
33,2% und 31,2%), in Essen und Mainz nur 17,5 bzw. 18,1 % und in Westberlin gar nur 13,6% (Katholische Nachrichten Agentur,
20.5.1987; Augsburger Allgemeine, 20.5.1987.) Aufschlußreich ist auch die Umfrage des Allensbach-Instituts vom November 1986:
39% der Katholiken gaben an, jeden oder fast jeden Sonntag in die Kirche zu gehen (Stern, 2.4.1987). Die Diskrepanz zwischen
Selbsteinschätzung und tatsächlicher Zählung enthüllt, daß viele Katholiken nach außen gläubiger erscheinen wollen, als sie es
wirklich sind. Sie stellt aber auch die Zuverlässigkeit von Umfragen speziell im religiösen Bereich stark in Frage. Immerhin:
Nur 66% gaben an, an Gott zu glauben, genau halb so viele bezeichneten sich als kirchentreu. Andererseits sehen sich 25% als
unreligiös und weitere 3% als ausgesprochene Atheisten. (Letzteres wären immerhin 1,8 Millionen!) Eine andere Umfrage im
Auftrag der Frauenzeitschrift Brigitte ergab, daß 95% der Bundesbürger an einen Lebens-Sinn glauben, den sie vor allem in Ehe,
Parnerschaft oder Kindern finden, kaum aber in der Religion. Nur 32% glauben (nach dieser Studie) "fest" an Gott, 28% an den
Teufel und 24% an ein Leben nach dem Tode. Interessanterweise glauben 70% der Katholiken nicht, daß ihre Kirche eine Lösung für
Probleme der Gegenwart findet (vgl. Süddeutsche Zeitung, 22.4.1987).
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(954) Bonn. Bundesbildungsminister Möllemann forderte, den Unterricht der Fächer Sport und Religion
aus dem Lehrplan der Berufsschulen zu streichen. Funktionäre beider Großkirchen reagierten mit heftiger Kritik. (Katholische
Nachrichten Agentur, 16.5.1987; Süddeutsche Zeitung, 22.5.1987). Wenn auch des Ministers Forderung aus rein wirtschaftlichem
Interesse (Vermeidung eines zweiten Berufsschultags) erfolgt ist, so ist die inhaltliche Begründung gerade bei einer nicht
allgemeinbildenden Schule durchaus stichhaltig.