-
(407) Mrz 1981. An den Folgen einer qualvollen Teufelsaustreibung durch ihre Mutter starb in
Neumünster die sechsjährige Daniela S. Wie die Kieler Mordkommission mitteilte, hatte die einer religiösen Sekte angehörende
24jährige Doris S. ihr Kind wochenlang gequält und schließlich erwürgt. Nach Meinung der Frau war ihre Tochter vom "Bösen"
befallen, das sie ausgetrieben habe. (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 17. März 1981.)
-
(408) Mrz 1981. Der geistliche Chefredakteur des Würzburger katholischen Sonntagsblatts, Helmut
Holzapfel, der wegen antisemitischer Äußerungen in einer Artikelserie unlängst Schlagzeilen machte und gegen den
verantwortlichen MIZ-Redakteur Schütte gegenwärtig mit einer Beleidigungsklage prozessiert (vgl. MIZ 1/81, S. 19), hat erneut
Aufsehen erregt. In einer Rezension über die Fernsehsendung "Warum haben 1933 so viele Protestanten Hitler gewählt?" führte
Holzapfel in seinem Kirchenblatt aus: "Die protestantischen Kreise hatten damals kein Verhältnis zur Weimarer Republik. Auch
heute fehlt vielen ein gesundes Verhältnis zu unserer Demokratie. Daher die Anfälligkeit für sogenannte Umweltschützer,
Wehrdienstgegner und Hausbesetzer. Viele lernen eben nichts aus der Geschichte." - Der Diözesanrat der Diözese Würzburg hat
sich von den Äußerungen Holzapfels distanziert, weil er sie "für unrichtig hält und weil durch sie die ökumenischen Bemühungen
beeinträchtigt werden". (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 21. und 23. März 1981.) - Der Duisburger Jurist Heinz J. Sehr hat bei
der Staatsanwaltschaft des Landgerichts Würzburg Strafantrag gegen Holzapfel wegen "des dringenden Verdachts der Vergehen gegen
§§ 130, 185 StGB" gestellt. Der Beschuldigte habe sich nach den Ausführungen der Frankfurter Rundschau "in teils abfälliger,
teils beleidigender und verhetzender Weise gegenüber den Protestanten in der Bundesrepublik Deutschland geäußert".
-
(409) Mai 1981. Die Arbeit der Polizei hat der Oberkirchenrat des evangelischen Kirchenkreises
Augsburg, Walter Rupprecht, in einem Schreiben an Schwabens Polizeipräsident Kaestl gewürdigt. Wörtlich heißt es in dem Brief:
"Unsere Kirche weiß, was der Dienst der Polizei für unseren Staat und unsere Gesellschaft bedeutet, welche Einsatzbereitschaft
damit verbunden ist und welchen Mißverständnissen und Angriffen der Polizeibeamte immer wieder ausgesetzt ist." Der Dienst der
Polizei gehöre nach dem Verständnis der Kirche zu dem "weltlichen Regiment Gottes", das in dieser Welt das Zusammenleben der
Menschen untereinander ermögliche und vor Gewalt und Unrecht schützen wolle. (Vgl. Augsburger Allgemeine vom 16. Mai
1981.)
-
(410) Mai 1981. Bayerns Kultusminister Hans Maier hat den Ordensschulen aufgrund ihrer
weltanschaulichen Bindung ein weites Betätigungsfeld in der heutigen Bildungslandschaft zugewiesen. In einem Vortrag zur
Gründungsfeier der christlichen Schulen in Illertissen erklärte Maier, kaum ein anderes Land innerhalb deutscher Grenzen sei in
kultureller Entwicklung und in der Gestaltung seines Schulwesens der Kirche und den Klöstern enger verbunden als Bayern.
Privatschulen sollten nach Maiers Worten eine Alternative zum öffentlichen Schulwesen im Sinne des Miteinanders darstellen. Von
der Ordensschule werde in besonderem Maße das verstärkte Bemühen um die Erziehung der Jugend über die bloße Wissensvermittlung
hinaus erwartet. In heutiger Zeit sei der Entwicklung des Gemüts Aufmerksamkeit zu schenken, und es wäre wünschenswert, wenn
von daher die Klosterschulen eine Signalwirkung auch auf die öffentlichen Schulen ausüben würden. (Vgl. Augsburger Allgemeine
vom 13. Mai 1981.)
-
(411) Jun 1981. Nach einem Beschluß des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVG) vom 12. Juni
1981 haben Gewerkschaften kein Recht, "von außen" auf Arbeitnehmer in kirchlichen Kindergärten, Krankenhäusern und Altenheimen
einzuwirken, ausgenommen Gewerkschaftsmitglieder in den Kirchen selbst (Aktenzeichen 2 BvR 384/78 - Beschluß vom 17. Februar
1981). In erster Linie hatten die Karlsruher Verfassungsrichter darüber zu entscheiden, ob den Gewerkschaften aus Artikel 9
Absatz 3 des Grundgesetzes ein Recht zusteht, in karitativen Einrichtungen der Kirchen durch Gewerkschaftsbeauftragte, die in
den betreffenden Einrichtungen selbst nicht beschäftigt sind, zu informieren, zu werben und Mitglieder zu betreuen. Dieses
koalitionsrechtliche oder berufsverbandliche Zutrittsrecht war am 14. Februar 1978 vom Bundesarbeitsgericht hinsichtlich der
kirchlichen Einrichtungen anerkannt worden, in denen Beschäftigte bereits der Gewerkschaft angehören. Die Karlsruher Richter
hoben nun in ihrer Beschlußbegründung hervor, daß eine gewerkschaftliche Betätigung verfassungsgemäß nur insoweit verbürgt sei,
als diese für die Erhaltung und Sicherung des Koalitionsrechtes (Fähigkeit des Zusammenschlusses der Arbeitnehmer) als
unerläßlich betrachtet werden müsse. Weiter begründete der Senat, die Anerkennung eines koalitionsrechtlichen Zutritts für
anstaltsfremde Gewerkschaftsbeauftragte würde das verfassungsmäßige Selbstbestimmungsrecht der kirchlichen Einrichtungen aus
Artikel 140 Grundgesetz (in dem Rechte und Pflichten der Kirchen festgeschrieben sind) in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3
der Weimarer Reichsverfassung verletzen. Dieses kirchliche Selbstbestimmungsrecht könne nur durch ein "für alle geltendes
Gesetz" eine verfassungsrechtlich zulässige Einschränkung erfahren. Ein solches Gesetz gebe es nicht, weshalb dem
Zutrittsbegehren der Gewerkschaft die Rechtsgrundlage fehle. Laut BVG ist für betriebsfremde Gewerkschaftsangehörige ohne
berufsverbandliches Zutrittsrecht eine Gefährdung der Erhaltung und Sicherung der Koalitionen (Zusammenschlüsse) mit Sicherheit
da auszuschließen, wo die Gewerkschaft bereits durch Mitglieder vertreten ist. In diesen Fällen könnten sich die Koalitionen
nicht nur den Betriebsangehörigen gegenüber außerbetrieblich uneingeschränkt betätigen, sondern durch ihre zur Belegschaft
zählenden Mitglieder auch innerbetrieblich die ihrem Fortbestand dienenden Rechte ausreichend wahrnehmen. Es bestehe keine
Möglichkeit, an die betriebsverfassungsrechtliche Zwangsregelung (Paragraph 2 Absatz 2 Betriebsverfassungsgesetz) in
"richterlicher Rechtsfortführung ein allgemeines gewerkschaftliches Zutrittsrecht zu entwickeln". - Als eine "Herausforderung
für alle Arbeitnehmer" hat die Gewerkschaft ÖTV das Karlsruher Urteil kritisiert. Das BVG habe das Selbstbestimmungsrecht der
Kirchen über die verfassungsrechtlich garantierte Koalitionsfreiheit gestellt, die nach gewerkschaftlichem Verständnis auch das
Zugangs-und Informationsrecht für Gewerkschaftsbeauftragte umfassenden über 550.000 Beschäftigten der Kirchen als zweitgrößtem
Arbeitgeber in der BRD würden grundlegende Arbeitnehmerrechte vorenthalten, rügte die ÖTV, die von einer
"gewerkschaftsfeindlichen Tendenz" des Karlsruher Urteils und einer "Gefährdung des sozialen Friedens" sprach. "Die Kirchen
haben den Kampf um ihre Glaubwürdigkeit gegenüber den eigenen Mitarbeitern verloren." Der Widerspruch zwischen wohlmeinenden
Worten zur Arbeiterbewegung und einer krassen "Herr-im-Haus-Politik" als Arbeitgeber sei offensichtlich. - Klägerin des
Ausgangsverfahrens in Karlsruhe war die Gewerkschaft ÖTV. Mit seinem Beschluß vom 12. Juni 1981 gab das BVG der
Verfassungsbeschwerde der zum Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche gehörenden "Orthopädischen Anstalten Volmarstein"
(Westfalen) statt. Hier war Mitte der siebziger Jahre von einigen der 900 Beschäftigten eine ÖTV-Betriebsgruppe gegründet
worden, die am "Schwarzen Brett" Informationsmaterial durch betriebsfremde Gewerkschafter aushängen lassen wollte. Die Leitung
des Rehabilitationszentrums untersagte ein solches Vorhaben und rief das Bundesarbeitsgericht an. Im bereits genannten Urteil
vom Februar 1978 legte sich das Bundesarbeitsgericht eindeutig fest: "Der Gewerkschaft selbst muß das Recht eingeräumt werden,
dort zu informieren, wo sich das Arbeitsleben abspielt, nämlich in den Betrieben." Dagegen legten die Volmarsteiner
Verfassungsbeschwerde ein. (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 13. Juni 1981, Augsburger Allgemeine vom 16. Juni 1981, druck und
papier Nr. 13 vom 29. Juni 1981). - Bereits Anfang 1981 schrieb der stern (in Nr. 6/81 vom 29. Januar) zur kirchlichen
Verfassungsbeschwerde: "Mit ihrem Gang nach Karlsruhe starten die beiden Kirchen den letzten Versuch, gewerkschaftliches
Engagement unter den eigenen Beschäftigten klein zu halten. Denn zuvor waren die christlichen Arbeitgeber bereits in über 60
Fällen vor dem Kadi damit gescheitert, betriebsfremden Gewerkschaftern am kirchlichen Arbeitsplatz die Werbungsund
Informationsarbeit zu verbieten ... Sie fürchten auch um den Bestand ihres selbst entwickelten Arbeitsrechts. Diese
Arbeitsbestimmungen für Kirchenbedienstete kennen keine Tarifverträge, dulden keinen Betriebsrat und verbieten jede Form von
Arbeitskampf ... Bisher sind unter ihnen (den Kirchenbediensteten, MIZ) nur rund 12 Prozent in der Gewerkschaft. Die ÖTV: Die
wenigen organisierten Kollegen sind einem großen Druck ausgesetzt. Die Kirche hat Methoden entwickelt, die den 'Dienern des
Herrn' nicht zur Ehre gereichen." ... Um den acht Verfassungsrichtern das Problem deutlich vor Augen zu führen, haben sie (die
Kirchen, MIZ) ihrer Klageschrift eine mit dem religiösen Selbstverständnis unvereinbare Karikatur aus einer
Gewerkschaftszeitung beigelegt, Text: 'Hochwürden, die kirchlichen Mitarbeiter sind unterbezahlt!' Antwort des Geistlichen: 'Im
Jenseits wird ihnen gerechter Lohn widerfahren.'"