1990 - Meldungen 1269-1297
Europa
Deutschland
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Die badische Landeskirche verteidigte ihr Vorgehen gegen Kritik aus den eigenen Reihen. (Frankfurter Rundschau, 3.7.90; Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 11.5.90)
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Auch im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck hat man von einer derartigen Diskriminierung Konfessionsloser bislang "noch nie gehört". Dennoch meinte Oberlandeskirchenrat Dickel, dies sei ein "Anstoß zum Nachdenken" für jene, die durch ihren Kirchenaustritt "Tausende von Mark" sparten und ihre Kinder "auf Kosten der Allgemeinheit in den Kindergarten schicken".
Der Streitfall wurde durch eine lokale Kontroverse veranlaßt: Während in Hessen Eltern, Kommune und Kindergartenträger üblicherweise je ein Drittel der Kosten aufbringen, sollen die Eltern in Fritzlar einen geringeren Anteil tragen. Die daraus resultierende Deckungslücke wollte die Stadt bisher jedoch nicht zur Hälfte tragen, wie dies die Kirchen wünschen, sondern nur zu einem Viertel. Ebendiese Differenz wollte die Kirche nun den konfessionslosen Eltern aufbürden. Nach Protesten der Eltern und der Grünen-Stadtratsfraktion verhandelt die Stadt jetzt nochmals mit den Kirchen über einen Kompromiß. (Frankfurter Rundschau, 16.7.90)
Anmerkung der MIZ-Redaktion:
- Niemand zwingt die Kirchen, sich der öffentlichen Sozialeinrichtungen zu bemächtigen; vielmehr sind den Kommunen durch das
seit 1961 geltende Subsidiaritätsprinzip sogar die Hände bei der Einrichtung konfessionsneutraler Kindergärten gebunden. Wenn
die Kirchen aber schon meinen, sich in das öffentliche Sozialwesen drängen zu müssen, haben sie den dort geltenden
weltanschaulichen Gleichheitsgrundsatz zu respektieren.
Vermutlich wollen sie hier ein genau kalkuliertes Aufsehen erregen, um ein Entgegenkommen der Stadt mit rabiaten Methoden zu erzwingen, denn daß ein solcher Verstoß gegen die Weltanschauungsfreiheit und das grundgesetzliche Gleichbehandlungsgebot vor Gericht kaum Billigung fände, dürfte auch den Kirchenverantwortlichen klar sein.
- Es ist üble Methode, Konfessionslose als Schmarotzer kirchlicher Sozialeinrichtungen hinzustellen. Tatsächlich wenden die
Kirchen jedoch von ihren jährlich über 13 Milliarden DM Kirchensteuern höchstens eine einzige Milliarde (knapp 8 %) für
öffentliche soziale Zwecke auf. Andererseits finanzieren Konfessionslose aber über die staatlichen Steuern die Priester- und
Theologenausbildung der Kirchen (eine Milliarde DM) ebenso mit wie den kirchlichen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen
(über 3 Milliarden DM), die kirchliche Seelsorge in öffentlichen Einrichtungen wie Militär, Polizei, Grenzschutz, Gefängnis,
geschlossene Anstalten, z.T. Krankenhaus etc. (150 Mio. DM), Staatszuschüsse aufgrund von Konkordaten und Kirchenverträgen
(über 600 Mio. DM), Bundes-, Landes- und kommunale Zuwendungen für Kirchenbauten (geschätzt auf mindestens 4 Mrd. DM) sowie
zahlreiche andere innerkirchliche Belange.
Stellt man die kirchlichen Sozialleistungen zugunsten der Öffentlichkeit den Subventionen der öffentlichen Hand für innerkirchliche Angelegenheiten gegenüber, ergibt sich ein krasses Mißverhältnis von mehr als 1:8 zum Nachteil der Konfessionslosen.
Dieser auf der Auswertung kirchlicher und öffentlicher Haushalte beruhende Sachverhalt wurde in der Vergangenheit noch von keiner kompetenten kirchlichen Stelle bestritten; andernfalls ließe sich durch eine schrittweise Entflechtung staatlicher und kirchlicher Subventionierung sehr schnell verifizieren, welche Seite mehr von der anderen profitiert!
- Niemand zwingt die Kirchen, sich der öffentlichen Sozialeinrichtungen zu bemächtigen; vielmehr sind den Kommunen durch das
seit 1961 geltende Subsidiaritätsprinzip sogar die Hände bei der Einrichtung konfessionsneutraler Kindergärten gebunden. Wenn
die Kirchen aber schon meinen, sich in das öffentliche Sozialwesen drängen zu müssen, haben sie den dort geltenden
weltanschaulichen Gleichheitsgrundsatz zu respektieren.
Deutsche Demokratische Republik
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Inzwischen hat sich allerdings der Staatssekretär im Bildungsministerium, York (CDU), gegen Religionsunterricht und für Gesellschaftskunde als Pflichtfach ausgesprochen. (Frankfurter Rundschau, 3.7.90; Frankfurter Allgemeine Zeitung, 12.7.90)
Anm. MIZ-Red.: Damit wird der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten genau bestätigt, der von Anfang an den eigentlichen Grund für das massenhafte Besetzen politischer Ämter durch Pfarrer in der Absicht vermutet hatte, die Rechtslage der DDR möglichst stark zugunsten der Kirchen zu verschieben.
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Anm. MIZ-Red.: Schon lange war klar, daß nicht die angeblich höheren Verwaltungskosten der Grund für das kirchliche Festhalten am staatlichen Kirchensteuereinzug sind. Bei dem heute erreichten Standard der Großrechenanlagen dürfte eher das Gegenteil zutreffen. Die Beispiele in den Schweizer Kantonen Basel-Stadt und Basel-Land zeigten aber, daß eine Abbuchung vom Konto wesentlich stärker ins Auge springt als ein unscheinbarer Abzug vom Bruttolohn, der auf dem Gehaltszettel zwischen Steuern und Sozialabgaben fast verschwindet. Daher nimmt die Austrittsneigung rapide zu, zumal dann auch der Arbeitgeber nichts mehr davon mitbekommt.
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Bedenken meldete die SPD-Volkskammerfraktion gegen den Begriff der "freien Schulen" an, weil damit suggeriert werde, daß "öffentliche Schulen nicht frei sind". Versuche, den Begriff in "Privatschulen" oder "Schulen in nicht-staatlicher Trägerschaft" abzuändern, blieben erfolglos. Weit mehr empörte die SPD freilich, daß damit in die Finanzhoheit der künftigen Länder und der Kommunen eingegriffen wird. (Frankfurter Rundschau, 19. u. 26.7.90)
Belgien
Großbritannien
Österreich
Polen
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In Polen werden jährlich etwa eine Million Abbrüche vorgenommen. (Frankfurter Rundschau, 25.4.90)
Portugal
Schweiz
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Zusatzinformation der MIZ-Red.:
1. Der auf die katholische Kirche entfallende Anteil dürfte insgesamt nur geringfügig hinter dem der (statistisch leicht dominierenden) evangelisch-reformierten Kirche liegen. Die Gesamtsumme dieser strittigen Einkünfte liegt in der Größenordnung von etwa 20 Millionen DM im Jahr.
2. Da eine juristische Person ihren Austritt aus der Kirche begreiflicherweise nicht erklären kann, kommt in der Mehrzahl der betroffenen Kantone (zu denen auch der besonders finanzstarke Kanton Zürich zählt) eine Befreiung nur in Frage, wenn keiner der Eigentümer einer juristischen Person einer Kirche angehört.
Spanien
Tschechoslowakei
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Auch seine Parteifreunde gerieten immer häufiger ins Zwielicht. Der neue Bürgermeister von Brünn, der einen kommunistischen Amtsvorgänger ersetzen sollte, konnte nur wenige Stunden amtieren. Als seine Mitarbeit in der Staatsicherheit feststand, entschuldigte er sich mit dem Hinweis, er habe dies mit Zustimmung von "Bruder Bartoncik" getan, inzwischen Vorsitzender der Katholischen Volkspartei. Nur enthüllte die österreichische Zeitschrift Profil mittlerweile, daß Bartoncik sowie seine Parteifreundin Vera Bartoskova (nach der Wende stellvertretende Außenministerin) selbst Mitglieder des Sicherheitsdienstes waren. (TAZ, 17.5.90)
Anm. MIZ-Red.: Bei den zwischenzeitlichen Wahlen erhielt die Katholische Volkspartei die Quittung: Mit nur wenig über 10 Prozent der Stimmen ist ihre Bedeutung erheblich geschrumpft.
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In der Bevölkerung löste der Besuch jedoch zwiespältige Gefühle aus. Enthusiastische Slowaken forderten die Heiligsprechung des Priesters Jozef Tiso, der 1939 bis 1945 als Präsident des Nazi-Vasallenstaats Slowakei 70.000 Juden an die Nazis auslieferte, ohne daß ein einziger deutscher Soldat auf slowakischem Boden stand. Zahlreiche Bürger kritisierten jedoch den Zeitpunkt der Visite kurz vor den ersten freien Wahlen. Frantisek Sykora, Chefredakteur und Herausgeber der Preßburger Kirchenzeitung, versprach zwar: "Wir werden der Versuchung nicht erliegen, Macht und Einfluß zu erringen", räumte aber ein, daß die Kirche in den Wahlkampf eingreife. Auf Tiso anspielend fügte er hinzu: "Wir haben schreckliche Erfahrungen mit dem Klerikalismus in der Politik gemacht. Aber ich glaube, es gibt jetzt keine Alternative. Wir werden bis zu den Wahlen den Menschen begreiflich machen müssen, um welche Werte es geht."
Noch deutlicher brachte ein Studentenvertreter das Unbehagen weiter Bevölkerungskreise auf den Punkt: "Das Letna-Gelände ist seit Wochen gesperrt, um alles für den Tag T, den Tag des Besuchs vorzubereiten. Dort wird dann, statt wie früher die leninistische, die katholische Messe zelebriert werden. Kaum ist der Kommunismus abgeschafft, sollen die Menschen auch schon wieder das Knie beugen vor einer Macht, die ebenso autoritär und intolerant ist wie die vorigen Machthaber. Das Gedächtnis der Menschen ist so erschöpft, daß es sich vorhergehender Verbrechen nicht mehr erinnert." (Süddeutsche Zeitung, 23.4.90; TAZ, 21.4.90)
Dem SZ-Artikel war auch zu entnehmen, daß nach kirchlichen Schätzungen 80 % der Slowaken katholisch sind, während in Mähren nur noch 60 % als Christen gelten (also einschließlich der anderen christlichen Konfessionen) und in Böhmen gar nur mehr 25 %.
Ungarn
Nordamerika
USA
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Der Untersuchung zufolge nimmt die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche bei einer restriktiven Gesetzeslage keineswegs ab, die Zahl der Todesfälle bei illegalen Abbrüchen jedoch drastisch zu. In Ländern, in denen Empfängnisverhütung eine geringe Rolle spielt - sei es aus religiösen Gründen, mangelnder Information oder fehlenden Verhütungsmitteln - ist die Abtreibung die gebräuchlichste Form der Geburtenregelung.
Am schnellsten ist die Zahl der Abbrüche laut dieser Studie in jenen Ländern gesunken, die sie zu einem legalen Teil der freiwilligen Familienplanung gemacht haben. Als Beispiele für Staaten, in denen Abtreibungen nach der Sterilisation der Frau sowie nach mechanischen und chemischen Verhütungsmitteln erst an vierter Stelle der Geburtenkontrollmaßnahmen stehen, werden Dänemark, Frankreich, Island, Italien und die Niederlande angeführt. (Frankfurter Rundschau, 16.7.90)
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Der katholische Gouverneur New Yorks, Mario Cuomo, hat seine Zustimmung bereits angekündigt, weil alle Patienten "eine Behandlung erfahren, die ihren persönlichen religiösen und moralischen Vorstellungen entspricht". Das Gesetz wurde sowohl von Organisationen der Aids-Kranken als auch der Seniorenvereinigung begrüßt. (KNA, 2.7.90)
Lateinamerika
Mexiko
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Im Gegensatz zu ihrem wachsenden politischen Einfluß nimmt der Anklang der katholischen Kirche in der Bevölkerung merklich ab: Der Anteil der Katholiken sank seit 1980 von 91 auf 85 %. (Der Spiegel, 26.2.90; Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 11.5.90)
Nicaragua
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Chamorro ist selbst Mitglied des Baukomitees, dem u.a. auch der US-Unternehmer Tom Monaghan angehört. (KNA, 14.7.90)
Brasilien
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Wie isoliert die römische Kurie in Brasilien trotz ihrer personalpolitischen Strategie immer noch ist, zeigte sich am Boykott zahlreicher Würdenträger: Nur 96 von 373 Bischöfen sagten ihre Teilnahme an Veranstaltungen mit Ratzinger zu, der von Kritikern als moderner Großinquisitor betrachtet wird. (Frankfurter Rundschau, 26.7.90)