1981 - Meldungen 385-406

1981 - Meldungen 385-406 rhartmann Mi, 1997-12-31 09:00

Vatikan

(385) Feb 1981. Papst Johannes Paul II. hat scharfe Kritik an "progressiven" Geistlichen geübt, die sich von der traditionellen Lehre der Kirche entfernt hätten und damit die Gläubigen verwirrten. Vor 500 Priestern und Ordensleuten erklärte er in Rom: "Auf den Gebieten des Dogmas und der Moral werden wahre Ketzereien verkündet, die Zweifel, Verwirrung und Rebellion stiften, und die Liturgie wird verändert." Die Christen würden einem permissiven, intellektuellen und moralischen Relativismus ausgesetzt, der sie in den Atheismus oder Agnostizismus treibe. Die "Progressiven" verträten ein "soziologisches Christentum ohne definitive Dogmen oder eine objektive Moral". (Vgl. Süddeutsche Zeitung vom 9. Februar 1981.)

Westeuropa

BRD

(386) Sep/Dez 1980. Die innerkirchliche Auseinandersetzung zwischen katholischen Hierarchen und sozial- und gesellschaftspolitisch engagierten Theologen ist Ende 1980 in der Bundesrepublik Deutschland in ein neues Stadium getreten: Mit ungewöhnlicher Schärfe attackierte der Theologieprofessor Nikolaus Koch (Witten/Ruhr) den Vorsitzenden der westdeutschen Bischofskonferenz, Josef Höffner, und seine Amtsbrüder in zwei offenen Briefen (25.September/1. Dezember 1980): "Wenn Sie aus Ihrem klerikalen Muckertum nicht in offene Freiheit christlichen Glaubens finden und den christlichen Namen noch länger für dieses Muckertum mißbrauchen, blockieren Sie sich und Ihren Hörigen wirksames christliches Engagement in der Welt. Sie machen sich mitschuldig am drohenden Holocaust von 100, 200, 500 und 1000 Millionen Kindern, Frauen und Männern... Sollte sich der Verdacht erhärten, daß Sie den Papst in Tendenzen zu einem klerikalen Europa bestärken, so werde ich das mir Mögliche tun, die lebensgefährlichen Folgen politischen Wahns abwenden zu helfen." Das zweite Schreiben des couragierten Theologieprofessors vom 1. Dezember 1980 trägt den Titel: "Gegen die antirevolutionäre Mißdeutung des christlichen Glaubens". Darin analysiert Koch nicht nur die Situation der westdeutschen Kirche nach dem Papstbesuch, sondern er rechnet auch mit dem gegenwärtigen Papst rigoros ab. Für Nikolaus Koch steht fest, "daß Johannes Paul II. die offene Freiheit christlichen Glaubens nicht anders als römisch-mittelalterlich-gegenreformatorisch verfremdet, sie nur durch das vatikanische Gitter juristisch-institutionalistisch-etatistischer Sperren wahrzunehmen vermag... Und auf deutschem Boden wird ihm statt Hilfe zur offenen Freiheit christlichen Glaubens ein serviles Obskuratentum geboten, das das Mittelalter und die nachmittelalterliche Entwicklung von der Reformation bis zum weltrevolutionären Marxismus nicht kritisch aufarbeitet und im guten aber schwachen Willen zur Ökumene alle klerikalen Ladenhüter bewahrt, die zwar manche Schönheit und viel Tradition für sich, den freien christlichen Glauben und die offene Menschlichkeit aber gegen sich haben." Dem Vorsitzenden der westdeutschen Bischofskonferenz, Höffner, bescheinigt Koch: "Sie spielen sich auf, als seien Sie 'die Kirche', als sei Ihr Hirtentheater 'der christliche Glaube', als seien Ihre mittelalterlich-barocken Kuriositäten 'das Heil der Welt'. Sie scheinen blind für den Abgrund zu sein, der Ihr Kirchspiel von den realen Aufgaben und Chancen christlichen Glaubens in der sich zum Untergang rüstenden Welt scheidet. Sie scheinen den Blutpreis nicht zu kennen, den Katholiken und Nichtkatholiken zu zahlen haben, wenn Ihr Spiel noch lange währt. Und bisher haben Sie demonstriert, daß Sie Ihr Theater weiterspielen wollen, solange die Bühne hält." Nikolaus Koch fährt fort: "Das allgemeine Unbehagen wächst weiter. Es wird zum Bruch führen, wenn Sie nicht endlich aufhören, den christlichen Glauben mit dem Mittelalter zu verwechseln... Am heraufziehenden Holocaust von 500 Millionen oder 1000 Millionen Kindern, Frauen und Männern werden Staatsverschuldung, Antipillenfanatismus und kirchlicher Ruf nach Gefängnis für Frauen, die ihre Schwangerschaft abbrechen, zu Randfragen. Sie und Ihre Mitbischöfe sollten sich besser um Ihre Mitschuld am drohenden Holocaust kümmern. Noch immer schwärt die Politik weiter, mit der Pius XII. die ganze antisozialistische Welt zum Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion zu verleiten suchte. Noch immer sind die klerikalen Perversionen nicht aufgearbeitet, die der päpstliche Intimus Gustav Gundlach vor 20 Jahren dem Clerus major, dem Clerus minor und allen Schafen der Bundesrepublik unwidersprochen zuzumuten wagte: klerikale Gutheißung atomarer Weltzerstörung, klerikale Gleichsetzung christlicher Gewaltlosigkeit und Liebe mit Ohnmacht, klerikale Verabsolutierung mittelalterlicher Rechtsordnung, klerikales festhalten an Militärtheologie im Dienste etablierter Gewalt... Für wie schafsmäßig müssen Sie die Schafe innerhalb und außerhalb des Kirchenzauns halten, wenn Sie so tun, als gebe es eine selbstverständliche und eindeutige 'kirchliche Soziallehre'. Wenn die französische Revolution den Clerus major nicht aus dem barocken Faulbett herausgeworfen hätte und wenn die sozialistische Weltbewegung den Kirchenapparat nicht in Konkurrenznot gebracht hätte, würden wohl auch heute noch die klerikalen Ladenhüter des Mittelalters und der Barockzeit die 'kirchliche Soziallehre' ausmachen."

In diesem Zusammenhang erwähnt Koch die Verleihung des vatikanischen Gregoriusordens im Herbst 1980 an Otto von Habsburg: "Die vatikanische Auszeichnung ist mehr als eine kuriose Erinnerung an vergangene Zeiten. Im Zusammenhang mit manchen verwandten Aktivitäten dient sie dem Wahn eines klerikalen Europa, das zwischen der Sowjetunion und den USA unabhängig das Mittelalter als christliche Gemeinschaft der Völker in der naturrechtlich-göttlichen Tradition des heiligen römischen Reiches restauriert. Ausgesprochen und diplomatisch verdeckt lebt dieser Wahn in zahlreichen Publikationen und Demonstrationen klerikaler Einzelner, klerikaler Organisationen und klerikaler Parteiungen. Unter dem Titel 'Vatikan und Habsburg - Weichensteller der Reaktion' dokumentiert ihn das Heft 3/80 der Zeitschrift Materialien und Informationen zur Zeit. Der Umstand, daß die Zeitschrift sich 'Politisches Journal der Konfessionslosen und Atheisten' nennt, sollte niemand abhalten, die Angaben zu lesen und zu prüfen ... Aber vorläufig rangiert der romantische Wahn eines erneuerten heiligen Reiches voran. 'Naturrecht', 'göttliches Recht' und 'Gottesgnadentum' werden gehandelt, als gäbe es die weltrevolutionäre Öffnung des geschlossenen Mittelalters nicht ..." Schließlich sieht Koch "die wahre Chance eines christlichen Europa" darin, "sich aus den beiden Weltblöcken zu lösen, im Innern eine starke, im Gewissen fundierte Grundordnung des kulturellen, wirtschaftlichen und politischen Zusammenlebens aller europäischen Völker zu entwickeln, den USA wie der Sowjetunion ziviles Vertrauen zu geben". Nach Nikolaus Koch ist "der christliche Dienst, der mir, Ihnen und uns Allen ziemt", die Verwirklichung der "allgemeinen Menschenwürde und der elementarsten Menschenrechte auf gesundes Loben, auf Bildung, auf Arbeit, auf Muße und auf solidarische Hilfe in der Not".
(387) Okt 1980. Die katholische Kirche in Baden-Württemberg hat zwischen 1970 und 1979 vom Land Pauschalbeträge - einschließlich der Zuschüsse an die katholischen Akademien - in Höhe von 435 Millionen Mark erhalten. Die zusätzlichen finanziellen Zuwendungen an die Kirche für Wohnungsbau, Schulen, Denkmalpflege, Weiterbildung und andere kulturelle Zwecke sind im genannten Betrag nicht berücksichtigt. Mit diesen Zahlen beantwortete das Stuttgarter Finanzministerium eine entsprechende Anfrage des SPD-Abgeordneten Hans Beerstecher. Aus dem Kirchensteueraufkommen hat die katholische Kirche in Baden-Württemberg zwischen 1969 und 1979 5,05 Milliarden Mark bezogen. Es erhöhte sich in diesem Zeitraum von 238,9 auf 654,1 Millionen Mark. Das bedeutet eine Steigerung um 173,8 Prozent. (Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 31. Oktober 1980, S. 8.)
(388) Okt 1980. "Auf dieser Erde braucht man auch zur Vorbereitung und Durchführung geistlicher Veranstaltungen Geld", erklärte Kardinal Höffner anläßlich des bevorstehenden Papstbesuches am 16. Oktober 1980 in Köln. Die Kosten dafür müßten vom Kirchensteuerzahler, aber auch vom normalen Steuerzahler und von Privatpersonen getragen werden. Schließlich stelle der Besuch des Papstes ein Ereignis dar, das indirekt oder direkt für die gesamte Gesellschaft bedeutsam sei. Höffner erinnerte daran, "daß auch Staatsbesucher, Weltmeisterschaften, Festivale und Olympiaden vom Bund, von den Ländern und Gemeinden unterstützt werden". Im übrigen dürfe mit Rücksicht auf materielle Bedürfnisse irgendwo in der Welt nicht anderswo das Feiern von Festen unterbleiben. Daß dieses Geld nicht direkt zu den Armen fließt, wertete der Kölner Kirchenfürst sogar positiv. Denn zu der Milliarde Mark, die katholische Gläubige ohnehin jedes Jahr für die Notleidenden in der Dritten Welt und den Katastrophenschutz aufbringen würden, käme einiges hinzu, weil "das Wort des Papstes sie in ihrer Haltung der Offenheit für die Not anderer bekräftigen und beflügeln wird". Auf die Frage, warum denn nicht das reiche Erzbistum Köln die Kosten übernommen hätte, meinte Höffner vieldeutig, "wir würden wohl nicht bankrott machen", aber dies sei "eine sehr theoretische Frage". (Vgl. Stuttgarter Zeitung vom 17. Oktober 1980, S. 2.)
(389) Okt 1980. Eine im Dienst der katholischen Kirche tätig gewesene 24jährige Frau ist nach einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in Kassel "zu Recht" aus dem kirchlichen Dienst entlassen worden, weil sie nach ihrer Ehescheidung wieder geheiratet hatte. Die Frau arbeitete als Schreibkraft beim Caritasverband für die Diözese Passau. Das Bundesarbeitsgericht stützte sein Urteil auf die verfassungsmäßige Autonomie der Kirche (Aktenzeichen: 1 AZR 1274/79).

BRD/Westberlin

(390) Okt/Nov/Dez 1980. Der Papstbesuch hat in Köln zu einer Welle von Austritten aus der katholischen Kirche geführt. Während das Kölner Amtsgericht in den ersten acht Monaten 1980 durchschnittlich 200 Austrittserklärungen pro Monat registrierte, schnellte die Zahl im September auf 340, im Oktober auf 485, in der ersten Novemberhälfte gar auf 381 Personen. Zahlreiche Austrittswillige bezogen sich ausdrücklich auf das Hirtenwort der Bischöfe vor der Bundestagswahl und auf den Papstbesuch. - In Nürnberg treten pro Monat durchschnittlich etwa 200 Personen aus den beiden großen Kirchen aus. Im November 1980 hatte dagegen die katholische Kirche allein 109 Austritte zu verzeichnen (November 1978 = 55, November 1979 = 48 Austritte). - In Berlin hat die Zahl der Kirchenaustritte 1980 wieder zugenommen. Sie betrug 12.900 gegenüber 10.701 Austritten Im Jahr 1979. Dabei ist der Anstieg mit 18 Prozent auf katholischer Seite erheblich höher als auf protestantischer (12 Prozent mehr Austritte im Vergleich zu 1979). Besonders im vierten Jahresquartal 1980 kehrten viele Katholiken Ihrer Kirche den Rücken, was mit dem Papstbesuch in Zusammenhang stehen dürfte. Seit 1974, als 29.000 Personen die Kirchen verlassen hatten, waren die Ziffern der Kirchenaustritte in Berlin jedes Jahr zurückgegangen. Dagegen stieg der Anteil der Frauen unter den Ausgetretenen, der früher bei rund 30 Prozent lag, inzwischen aber auf über 40 Prozent an.
(391) Okt/Dez 1980, Feb 1981. Mit einer ganzseitigen Anzeige im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel (Nr. 89 vom 24. Oktober 1980) warb der eidgenössische Christiana-Verlag für das Buch "Anneliese Michel und ihre Dämonen - Der Fall Klingenberg in wissenschaftlicher Sicht". Laut Anzeigentext ist diese "wichtige Neuerscheinung" "brillant in der Darstellung, frappant im Tatsachen- und Bildmaterial, brisant in seinen Schlußfolgerungen". Die Autorin, Felicitas D. Goodman, wird als "Deutschamerikanerin" und "Nichtkatholikin" vorgestellt, als "Wissenschaftlerin" und "Professorin für Anthropologie an der Universität Ohio". Frau Goodman habe von "einem der erschütterndsten Mädchenschicksale der Gegenwart" zuerst in der US-Zeitschrift Newsweek gelesen und sei sogleich nach Deutschland geflogen, "um sich an Ort und Stelle zu informieren und mit den Augenzeugen persönlichen Kontakt aufzunehmen". "Frau Prof. Goodman hat bei verschiedenen Völkern die religiösen Ausnahmezustände untersucht, und sie kam nach einer wissenschaftlichen Analyse der Tonbänder im Fall Anneliese Michel, die als 23jährige Pädagogikstudentin auf rätselhafte Weise starb, zum Schluß, daß hier eine echte Besessenheit vorliegt ... Frau Prof. Goodman bürgt als Wissenschaftlerin für eine unvoreingenommene Behandlung des Stoffes." (Über die tatsächlichen Hintergründe berichtete MIZ Nr. 3/1976 - MIZ-Redaktion.) - Der Spiegel (Nr. 50 vom 8.Dezember 1980) erwähnt die Vision einer süddeutschen Karmelitin, welche die "religiös und sittlich saubere" Anneliese Michel bereits "sehr hoch im Himmel" sähe. Pilger flehten zum "barmherzigen Vater", damit er durch das "Sühneopfer" seiner "Dienerin" Anneliese "die Priester, die Jugend und das deutsche Vaterland" retten möge. Nach dem Ableben des auf 31 Kilo abgemagerten Mädchens am 1.Juli 1976, das zehn Monate lang in 67 exorzistischen Sitzungen von zwei kirchlich bestellten Teufelsaustreibern buchstäblich zu Tode gequält wurde, und nach dem ersten bundesdeutschen Exorzismus-Prozeß im Frühjahr 1978, bei denen die Exorzisten sowie Annelieses Eltern zu je sechs Monaten Freiheitsstrafe mit Bewährung verurteilt worden waren, setzten wallfahrtsähnliche Pilgerreisen zum Grab der A.M. in Klingenberg ein. Katholische Laien und Theologieprofessoren - so der pensionierte Bamberger Bundesbahnoberinspektor Bullinger und die Professoren Siegmund (Fulda) und Holböck (Salzburg) - leiteten den Seligsprechungsprozeß publizistisch ein und haben nun von Frau Goodman aus USA Schützenhilfe erhalten. - Das Goodman-Buch, das zuerst im angesehenen New Yorker Verlag Doubleday mit einer Auflage von 20.000 Exemplaren erschien, hat in kürzester Zeit in der Bundesrepublik zahlreiche Nacheiferer gefunden. So behauptet Pfarrer Max Schultes im Regensburger Bistumsblatt vom 5. Februar 1981, der Verlauf des Exorzismus-Prozesses habe gezeigt, "daß für die Urteilsfindung des Gerichts nur die medizinischen Gutachten ausschlaggebend waren, alle möglichen vorhandenen Symptome tatsächlicher Besessenheit aber nicht zur Kenntnis genommen oder als nicht existent abgetan wurden". Es habe einfach nicht wahr sein dürfen, was dem Weltbild eines fortschrittlichen Zeitalters entgegengesetzt schien, nämlich die Existenz teuflischer Mächte anzuerkennen oder gar deren Wirken durch Gerichtsurteil zu bestätigen.
(392) Nov/Dez 1980, Mrz 1981. Der ehemals schnellste Mann der Erde (100-Meter-Sprint in 10 Sekunden) und Goldmedaillengewinner von Rom, Armin Hary, muß jetzt gegen die katholische Kirche, den größten Grundbesitzer Bayerns, vor dem Landgericht 1 in München antreten. Hary hatte Anfang der siebziger Jahre als eingeheiratetes Neumitglied der reichen Reiterfamilie Bagusat eine Vermittlungsagentur für Immobilien eröffnet und sich mit dem "Liegenschafts-Referenten" der Erzdiözese München-Freising und Chef der "lsar-Süd-Bau", Karl-Heinz Bald, liiert. Bald handelte mit Kirchengrundstücken und kassierte dafür eine monatliche "Aufwandsentschädigung" in Höhe von 10.000 Mark von seinen kirchlichen Geschäftspartnern. Über den Erlös aus den Grundstücksobjekten kam es zwischen Bald und Hary zum Streit. - Laut Klageschrift sei es Bald unter Ausnutzung seiner Vertrauensstellung in sechs Fällen - in zweien davon unter Mithilfe Harys - gelungen, "Inhaber von Pfarrpfründen und den genehmigungspflichtigen Finanzdirektor der Erzbischöflichen Finanzkammer zu nachteiligen Grundstücksgeschäften unter Täuschung über den tatsächlich erforderlichen Aufwand oder erzielbaren Erlös zu veranlassen, um Dritte und sich selbst rechtswidrig aus verschwiegenen Differenzbeträgen von insgesamt 3.145.119 Mark zu bereichern". Bald wird Untreue im schweren Fall angelastet, begangen in den Jahren 1975/76. Im erzbischöflichen Finanzplan soll durch Balds Referententätigkeit ein Minus von acht Millionen Mark zu Buche stehen, von denen Generalvikar Gruber im April 1978 "namens und im Auftrag des hochwürdigsten Herrn Kardinals" - gemeint ist Ratzinger - 5,5 Millionen Mark als "Ersatz" zurückforderte. Armin Hary wiederum wird vorgeworfen, er habe in einem Fall 140.000 Mark eingestrichen, indem er die Pfarrpfründestiftung Garching auf ein Grundstück aufmerksam machte, für das mit dem Segen des erzbischöflichen Finanzdirektors Johann Strasser 600.000 Mark bezahlt werden sollte, das aber tatsächlich nur für 460.000 Mark vom neuen Besitzer erworben wurde. Strasser, der von den Gewinnen Balds und Harys zunächst nichts gewußt haben will, ist nach Beschlagnahme des im Ordinariat aufbewahrten Aktenmaterials der Mitwisserschaft überführt und steht jetzt mit seinem Stellvertreter Heck wegen Falschaussage vor Gericht. Der Justitiar des erzbischöflichen Ordinariats München-Freising, Hein Röder, ist wegen des gleichen Delikts sowie wegen Urkundenunterdrückung, falscher Anschuldigung und versuchten Prozeßbetrugs ebenfalls angeklagt. - Notiz am Rande: Der gewerkschaftseigenen Wohnungsbaugesellschaft "Neue Heimat" verkaufte der mit dem offiziellen Briefkopf des Ordinariats firmierende Bald ein Kirchengrundstück zu einem "Aufpreis" von einer Million Mark. (Vgl. stern Nr. 50 vom 4. Dezember 1980; Frankfurter Rundschau vom 30. Dezember 1980, S. 3: Süddeutsche Zeitung vom 10. März 1981, S. 3.)
(393) Dez 1980. "Richtlinien zur Verwaltung ortskirchlichen Grundvermögens" hat Kardinal Ratzinger (München) erlassen. Danach ist "kirchliches Vermögen eine der Grundlagen für die Erfüllung kirchlicher Aufgaben. Wesentlicher Bestandteil dieses Vermögens ist der Grundbesitz. Diesen ungeschmälert zu erhalten und einen angemessenen Ertrag daraus zu sichern, ist die Aufgabe kirchlicher Vermögensverwaltung." Der "angemessene Ertrag" kann z. B. durch geschickte "Veräußerung" oder durch Tauschgeschäfte erzielt werden, wobei "das angebotene Tauschgrundstück auf Dauer wirtschaftlich mindestens genauso gut nutzbar sein (muß) wie das abzugebende". Kirchliches Kapital ist in Immobilienfonds und Grundstücken anzulegen, "auf denen vermietbare Objekte errichtet werden können oder schon errichtet sind". Bei Mietobjekten "bedarf es eingehender wirtschaftlicher, markt- und sachkundiger Betrachtung". Von Waldgrundstücken verspricht sich Ratzinger dagegen keinen allzu hohen Profit. Deshalb "sollte man eine Wiederanlage in Wald hauptsächlich nur dann erwägen, wenn Waldgrundstücke unter besonders günstigen Bedingungen angeboten werden, eine wirtschaftlich interessante Größe und Lage haben oder zur Abrundung vorhandenen Besitzes bzw. zu einer besseren Bewirtschaftung desselben führen . . ." (Vgl. Johannes Glötzner, in: Mitteilungen der Humanistischen Union, Nr. 93, Dezember 1980.)
(394) Dez 1980. Dem bereits mit einem kirchlichen Lehrverbot belegten katholischen Priester und wissenschaftlichen Assistenten an der Universität Augsburg, Werner Hörmann, hat der Augsburger Bischof Stimpfle schriftlich mitgeteilt, daß die von Hörmann in einem Interview geäußerten Zweifel an der Unfehlbarkeit des Papstes sowie an der unbefleckten Empfängnis Marias den Tatbestand des Irrglaubens erfüllten. Hörmann habe sich wie alle vom katholischen Glauben Abgefallenen "durch die Tat als solche exkommuniziert". (Vgl. Tagesspiegel vom 10.Dezember 1980, S. 7.)
(395) Dez 1980, Jan/Feb 1981. Die nordelbische Kirchenleitung in Kiel hat den evangelischen Pfarrer Ulrich Hentschel (Rotlingen) aus Furcht vor einem "Riß in der Gemeinde" vom Amt suspendiert. Hentschel ist Mitbegründer der norddeutschen "Aktion gegen Strauß" und zog in Predigt und Konfirmandenunterricht gegen Rüstung und Kriegsdienst zu Felde. Springers Hamburger Abendblatt beschimpfte ihn als "Rebellen", der "Wehrkraftzersetzung, linke Indoktrination und die Förderung von Staatsverdrossenheit" betreibe. Hentschels zuständiger Propst, der evangelische Militärbischof für die Bundesrepublik Deutschland, Sigo Lehming (Pinneberg), hatte Mitte 1980 die These vertreten, daß es dem Frieden unter den heutigen Bedingungen mehr diene, "wenn man Soldat in der Bundeswehr ist". - In einem von über 500 "Christen in der Verantwortung" unterzeichneten Aufruf: "Die Kirche darf nicht wieder die Waffen segnen", heißt es: "Wegen ihrer eindeutigen Stellungnahmen werden gegenwärtig in der nordelbischen Kirche Pfarrer in der Ausübung ihres Dienstes behindert. Uns erschrecken diese Disziplinierungen deshalb so sehr, weil seit ungefähr einem Jahr in der Bundesrepublik öffentlich von der Möglichkeit eines Krieges gesprochen wird ... Hand in Hand mit der militärischen Bereitschaft geht eine ideologische Offensive, die die Bevölkerung auf den Krieg vorbereiten soll. Zum ersten Mal seit dem Bestehen der Bundeswehr werden in so massiver Form Soldatenvereidigungen öffentlich durchgeführt ... Gleichzeitig werden Friedensinitiativen diffamiert: Verteidigungsminister Apel nennt Christen, die auf die Kriegsgefahr hinweisen, Alarmisten ... In dieser ideologischen Offensive des Staates übernimmt die Kirche eine besondere Rolle ... So ist Anfang des Jahres (1981) in der evangelischen Kirche eine Tendenz zu beobachten, die die halbherzige Gleichbewertung von Kriegsdienst und Zivildienst zugunsten des Kriegsdienstes aufhebt ... Pfarrer sollen nicht mehr vom Wehrdienst freigestellt werden. Mit der Betreuung von Zivildienstleistenden sollen möglichst Geistliche beauftragt werden, die 'gedient' haben. In dem Maße, in dem die Kirche den Krieg zu legitimieren versucht, unterdrückt sie alle Äußerungen von Einzelnen und Gruppen, die den Frieden in höchstem Maße gefährdet sehen ..." Der Aufruf führt neben der Suspendierung Hentschels weitere Fälle als Belege für die wehrfreudige Haltung der evangelischen Kirchenleitung (EKD) an. So sei Pfarrer Konrad Lübbert (Uetersen) in seiner Tätigkeit für den Internationalen Versöhnungsbund stark eingeengt worden, weil er den Oberhirten vorgeworfen hatte, sie ließen sich für die militärischen Zwecke der Bundeswehr einspannen. - Die Verlagsleitung der EKD-eigenen Wochenzeitschritt Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt verhinderte die Veröffentlichung des Aufrufes "Die Kirche darf nicht wieder die Waffen segnen" als bezahlte Anzeige mit dem Hinweis, das Sonntagsblatt sei mit einer Auflage von 120.000 Exemplaren in sehr hohem Maß von der Militärseelsorge abhängig, die ein Drittel der Gesamtauflage zum kostenlosen Verteilen an die Soldaten aufkaufe. (Vgl. Arbeiterkampf vom 16. Februar 1981, S. 22; stern Nr. 50 vom 4.Dezember 1980; Tagesspiegel vom 7.Januar 1981.)
(396) Mrz/Nov 1979, Jan 1981. "Seine Vehemenz Papst Satyrikus I." alias Siegfried Zimmerschied, Kabarettist aus Passau, hat mit seinem erstmals im März 1979 erschienenen kirchenkritischen "Hirtenbrief an alle schwarzen Schafe" nicht nur die kabarettistische Szene in Bewegung gebracht. Einige Hierarchen fühlten sich seinerzeit in ihrer oberhirtlichen Ehre gekränkt und stellten Strafantrag. Zimmerschieds "Hirtenbrief" - "Herausgeber: Satirisches Ordinariat Passau, Vertrieb: Heiliger Geist mbH, Erscheinung: Je nach Eingebung" - enthält neben satirischen auch politische Texte, Karikaturen (von MIZ-Mitarbeiter Martin Färber!) und Fotomontagen. So wird im "Holocaustquiz" der "Rätselecke" eine Lobpreisung "Zum 51.Geburtstag des Führers" veröffentlicht, die am 21.April 1940 im Passauer Bistumsblatt erschien. Damaliger verantwortlicher Schriftleiter war Emil Janik, Bruder des heutigen Chefredakteurs der Passauer Neuen Presse. Emil Janik behielt auch nach dem Krieg den Chefredakteur-Posten beim Bistumsblatt und forderte kürzlich die Wiedereinführung des Arbeitsdienstes für Jugendliche. - Ende 1979 gastierte Zimmerschied im Münchner Theater im Fraunhofer mit "Bildern aus Niederbayern". Die Süddeutsche Zeitung schrieb am 5.November 1979 über seine "Lektion in Kabarett": "Sein schauspielerisches Talent und seine engagierte Ehrlichkeit machen nicht nur Vergnügen. Man kann sich gut vorstellen, daß manch einer in seiner Heimatstadt die Straßenseite wechselt, um ihm nicht 'Grüß Gott' sagen zu müssen. Denn dabei müßte er ihm in die Augen schauen." - Inzwischen trampt Zimmerschied mit Sketchen aus dem "Hirtenbrief" durch die Bundesrepublik. ln Westberlin trat er Ende Januar 1981 an mehreren Abenden hintereinander vor ausverkauftem Haus in der Kreuzberger Kneipenszene auf.
(397) Jan 1981. Die Arbeitsgemeinschaft für die Trennung von Staat und Kirche hat auf ihrer Tagung am 24. Januar 1981 in Nürnberg ein Positionspapier mit dem Titel "Kirchensteuereinzug durch den Staat verletzt Religionsfreiheit und Datenschutz" beschlossen. Es soll zusammen mit den "Thesen" (vgl. MIZ Nr. 1/80, S. I - IV) sowie weiteren Informationen über die Arbeitsgemeinschaft und den ihr angeschlossenen Organisationen in einer Materialsammlung noch in diesem Jahr veröffentlicht werden.
(398) Jan 1981. Am 28.Januar empfing der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Vetter, Vertreter der westdeutschen Bischofskonferenz unter Leitung von Kardinal Höffner zu einem Gespräch in Düsseldorf. Es war das erste Treffen seit dem 16. Juni 1975. Beide Seiten betonten, daß gerade in schwierigen Zeiten "zum Wohle des einzelnen Menschen und des Ganzen" gemeinsam handeln und u. a. konkrete Wege zur Lösung der Arbeitslosigkeit aufzeigen zu wollen. Die Kirchenvertreter erklärten, in der Einheitsgewerkschaft könnten auch christliche Arbeitnehmer ihre Anliegen und Ziele zur Geltung bringen, gewerkschaftliche Solidarität und christliches Bekenntnis zur Freiheit und Würde des Menschen gehörten innerlich zusammen. Arbeitervertreter und Kirchenobere erörterten darüber hinaus die "weithin als unbefriedigend angesehene Situation der Frau und Mutter in Beruf und Familie". - Dem Treffen in Düsseldorf wohnte auch die stellvertretende DGB-Vorsitzende Maria Weber bei. Frau Weber gehört dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an und zählt zu den wenigen DGB-Funktionären, die 1974 gegen die Fristenregelung bei Schwangerschaftsabbruch (§ 218) stimmten. DGB-Chef Vetter ist katholischer Kirchensteuerzahler. - Das Gespräch von Düsseldorf soll fortgesetzt werden.
(399) Feb 1981. Unter dem Motto "Stoppt die Macht der Kirche" - so der Text eines Autoaufklebers - wirbt eine Frankfurter Gruppe für den Kirchenaustritt. Die neuformierte Initiative will den Bürgern klar machen, daß "die Kirche in der BRD mehr Macht hat, als es ihrer tatsächlichen Bedeutung oder ihrem Ansehen entspricht". Auf die selbstgestellte Frage "Was tun hier in der Bundesrepublik?" antworten die Frankfurter Konfessionslosen in einem Informationsblatt wie folgt: "Kurzfristig ist Kirchenaustritt in größerem Umfang eine Möglichkeit, die Machtausübung der Kirche zu erschweren, denn erstens kann sie sich dadurch weniger als Vertreter von so vielen Christen ausgeben, und zweitens bedeutet der Ausfall von Kirchensteuergeldern eine Einschränkung ihres finanziellen Aktionsraums. Mittelfristig mußte es jedoch darum gehen, den Kirchen auf politisch-rechtlicher Ebene Vorrechte und Machtpositionen wieder zu entziehen. Die 'Arbeitsgemeinschaft für die Trennung von Staat und Kirche' strebt diese Ziele an. - Langfristig aber ist die Macht der Kirche nur erschütterbar, wenn es gelingt, deren Grundlagen - nämlich Religion und Glaube - in Frage zu stellen und aufzuheben. Doch das wiederum ist nur denkbar als Teil von umfassender politischer Arbeit, die ebenso die Aufhebung jeglicher Entfremdung, Ideologie und lrrationalität in Denken, Handeln und Erleben anstrebt."
(400) Feb 1981. Helmut Holzapfel, geistlicher Chefredakteur des Würzburger Katholischen Sonntagsblatts, muß wegen seiner judenfeindlichen Artikelserie "Die Zeitgeschichte holt uns ein" vorerst nicht vor den Richter. Eine Strafanzeige des Duisburger Lehrers und Juristen Heinz H. Sehr gegen Holzapfel wegen Beleidigung und Volksverhetzung wurde zunächst von der Staatsanwaltschaft Würzburg und jetzt auch von der Generalstaatsanwaltschaft in Bamberg abgelehnt. Begründung: "Der Beschuldigte hat zwar teilweise Formulierungen gebraucht, wie sie in ähnlicher Art zur Zeit des Nationalsozialismus dazu herhalten mußten, die Menschen jüdischer Abstammung insgesamt bei der Bevölkerung verhaßt zu machen ... Der Beschuldigte hat seine klischeehaften Behauptungen nicht isoliert aufgestellt und nicht die Neigung vieler Menschen ausgenutzt, angeblich schlechte Taten einzelner bedenkenlos zu verallgemeinern ... So anfechtbar seine Behauptungen im einzelnen auch sein mögen, so kann doch nicht gesagt werden, er habe mit ihnen antisemitische Instinkte beleben oder erregen wollen..."(Aktenzeichen 2 Zs 660/80). - Am 5. Februar 1981 hat die Staatsanwaltschaft beim Landgericht Berlin den verantwortlichen MIZ-Redakteur und Vorsitzenden des Internationalen Bundes der Konfessionslosen, Frank L. Schütte, sowie den französischen Journalisten Georges Reymond "angeklagt, im September 1980 gemeinschaftlich, öffentlich durch Vertreiben von Schriften einen anderen beleidigt zu haben". Gemeint ist Helmut Holzapfel, der auf den Abdruck eines Reymond-Briefes in MIZ (Nr. 3/80) mit einer Klage reagierte.
(401) Mrz 1981. Vom 5. bis 7. Juni 1981 veranstaltet eine "Christliche Tagungs- und Kongreß GmbH" im Berliner Olympiastadion eine Versammlung "Pfingsten '81". Ein aufwendiger Farbprospekt, der u.a. mit dem US-Astronauten Charles Duke und einem Herrn Shakarian, Gründer der Organisation "Geschäftsleute des vollen Evangeliums", wirbt, wurde u.a. der Westberliner Programmzeitschrift tip beigelegt. Außer einem Büro in London geben die Veranstalter noch Adressen in USA und Südafrika an. Über die eigentlichen deutschen Träger dieses Unternehmens schweigt sich der Prospekt, der einen überkonfessionellen Eindruck zu erwecken sucht, aus.

Italien

(402) Nov 1980. Das in Italien seit 1978 geltende liberale Abtreibungsgesetz soll wieder abgeschafft werden. Die reaktionär-katholische "Bewegung für das Leben" hat zwei Millionen Unterschriften für eine Volksabstimmung gegen das Gesetz 194 gesammelt - nur ein Viertel der Stimmen ist für den Antrag nötig. Mit einem eigenen Referendum will die Radikale Partei dagegen die völlige Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs erreichen. Die in der römischen Abgeordnetenkammer mit 18 Mitgliedern vertretene Gruppe, die 600.000 Unterschriften sammelte, prangert zugleich die Heuchelei vieler Katholiken an: Während in öffentlichen Krankenhäusern Tausende von Ärzten den Abbruch "aus Gewissensgründen" verweigern, nehmen sie in ihren Privatpraxen bereitwillig Abtreibungen zu Höchsthonoraren vor. Die Radikale Partei setzt sich für eine uneingeschränkte Abtreibung innerhalb der ersten 90 Schwangerschaftstage ein. Das katholisch inspirierte "Movimento per la Vita" will den "Aborto" nur dann zugelassen sehen, wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist oder wenn "klar erkannte krankhafte Vorgänge eine Bedrohung bilden für die leibliche Gesundheit der Mutter". - Die geltende italienische "Aborto"-Lösung ist vor allem für weniger gebildete Frauen schwer durchschaubar. Wer einen Abbruch wünscht, kann sich innerhalb der ersten 90 Tage zu einem Arzt begeben. Dieser kann den Eingriff zunächst um acht Tage verschieben. Erst danach darf die Frau ungefragt auf Abtreibung bestehen. Der Arzt kann einem Abbruch dann nicht mehr widersprechen, den Eingriff selbst aber verweigern. Die lästige Prozedur, das Hinauszögern der endgültigen Entscheidung und die schließliche Verweigerung durch den Arzt treiben die betroffenen Frauen häufig - vor allem in Süditalien - in die Hände von Kurpfuschern. - Die Kommunistische Partei Italiens hält an dem bestehenden "Aborto"-Gesetz fest. Sie fürchtet um den Verlust linkskatholischer Wählergruppen und weicht deshalb einer weitergehenden Abtreibungsregelung aus. (Vgl. Der Spiegel Nr. 45 vom 3.November 1980, Frankfurter Rundschau Nr. 39 vom 16.Februar 1981, S. 13.)
(403) Feb 1981. Am 5.Februar wurde in Rom der vatikanische Finanzmanager Luigi Mennini verhaftet und im Zusammenhang mit dem in Mailand stattfindenden Sindona-Prozeß vernommen. Mennini wird der Beihilfe zum betrügerischen Bankrott verdächtigt. Während der Börsenspekulant und Strohmann des Vatikans, Michele Sindona (vgl. MIZ Nr. 1/75: Das Milliardending, S. 2; MIZ Nr. 3/80: Offener Brief an Kardinal Höffner, S. 24: MIZ Nr. 4/80: Int. Rundschau., Meldung Nr. 375, S. 26), in New York wegen des gleichen Delikts und der illegalen Machenschaften seiner "Franklin National Bank" bereits verurteilt worden ist, geht es in Mailand um Sindonas pleite gegangene "Banca Privata". Mennini gehörte dem Verwaltungsrat dieser Sindona-Bank an und war zugleich einer der wichtigsten Finanzmanager der von Pius XII. gegründeten Vatikanbank "Institut für die Werke der Religion." Und 1963 wurde Mennini von Paul Vl. zum päpstlichen "Ehren-Kammerherrn" ernannt, einer seiner Söhne erhielt im Beisein des damaligen Ministerpräsidenten Aldo Moro die Priesterweihe.

Österreich

(404) Feb 1981. Die vom Staat mitfinanzierte Entwicklungshilfepolitik der katholischen Kirche Österreichs in Bolivien ist vom Vorsitzenden der "Aktion Kritisches Christentum", Adalbert Krims, scharf verurteilt worden. Danach hat der profaschistisch eingestellte, in der bolivianischen Diözese Chiquitos residierende österreichische Missionsbischof Bonifaz Madersbacher Hand in Hand mit der einheimischen Militärdiktatur Spendenbeiträge in Millionenhöhe statt für die Armen zur Festigung des Regimes und seiner persönlichen Machtstellung ausgegeben. Die reichlich fließenden Gelder aus Österreich und der BRD - so von den Landesregierungen und Diözesen in Oberösterreich, Salzburg und Tirol sowie von den katholischen Entwicklungshilfeorganisationen Adveniat und Misereor - wurden von Bischof Madersbacher u.a. zum Bau eines den Machthabern als Militärstützpunkt dienenden Flugplatzes verwendet. Dagegen scheiterte ein von den gleichen Financiers gefördertes Genossenschaftsprojekt in San Ignacio, weil Bonifaz Madersbacher die indianischen Dorfgemeinschaften bevormundete, die für sie bestimmten Maschinen und Industriegüter in Besitz und zur Verwendung seines Vikariats hielt und sie statt zum Einsatz in den Dorfgenossenschaften zur Renovierung von Jesuitentempeln heranzog. Wichtige Produktions-, Transport- und finanzielle Mittel gelangten nie in die Genossenschaften, sondern blieben im Apostolischen Vikariat von Chiquitos stecken. Bei Viehkäufen gab Madersbacher gegenüber seinen Geldgebern in Österreich Preise an, die 540 Prozent über dem Durchschnittswert lagen. Auf den Farmen und in den Betrieben des Vikariats wird für Niedrigstlohn gearbeitet. 1974 verleibte Madersbacher den gesamten Viehbestand der Genossenschaft von San Ignacio seiner Vikariatsfarm San Miguelito ein, indem er allen Tieren den Bischofsstab einbrennen ließ. Der Missionsbischof wurde 1980 mit dem höchsten Orden der bolivianischen Militärdiktatur ausgezeichnet. In seinem Missionsbericht 1978 schrieb er: "Was die politische und wirtschaftliche Lage anlangt, können wir mit Dank feststellen, daß im Land Ruhe herrscht." (Vgl. Salzburger Tagblatt vom 6., 7., 9., 10. und 11.Februar 1981.)

Osteuropa

Polen

(405) Nov 1980. Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen dem Vatikan und Polen ist nach einem Bericht der italienischen Zeitschrift Panorama für 1981 vorgesehen. Polen wäre dann das zweite Ostblockland nach Jugoslawien, das normale diplomatische Beziehungen zu dem Kirchenstaat unterhielte. Die Warschauer Regierung gestattete kürzlich den landesweiten Vertrieb der polnischen Ausgabe der Vatikanzeitung L'Osservatore Romano.
(406) Jan 1976, Feb 1981. Der Primas der katholischen Kirche, Kardinal Wyszynski, empfing im Februar 1981 Vertreter der von der Regierung nicht anerkannten "Bauerngewerkschaften" in Warschau. Wyszynski unterstrich laut einem vom Episkopat herausgegebenen Kommunique "das Recht der Bauern auf einen freien Zusammenschluß". Unabhängig von den bestehenden Strukturen sei dies ein "natürliches Recht, das nicht von der Erteilung durch die staatliche Führung abhängig" sei. Die Bauerngewerkschafter sollten "beständige und kluge Gewerkschaftsarbeit auf gesellschaftlich-beruflichem Gebiet" leisten.- Fünf Jahre zuvor, im Januar 1976, hatte Wyszynski an die damalige Gierek-Regierung appelliert, die Rolle des privaten landwirtschaftlichen Besitzes zu respektieren, der für die Stabilität des Lebens der Nation unentbehrlich sei. - Die polnische Landwirtschaft befindet sich seit den fünfziger Jahren in einer Strukturkrise. Wesentliche Gründe sind die Zurücknahme der Kollektivierungsmaßnahmen und die geringe Betriebsgröße durchschnittlich etwa 3,5 Hektar - der etwa drei Millionen privaten Bauernhöfe, die über 80 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche verfügen. Ein nach dem Krieg erlassenes Gesetz zur Verhinderung der traditionellen Erbparzellierung blieb praktisch wirkungslos. Eine ähnlich schlechte Betriebsstruktur weist in Europa nur noch Italien auf. Kaum mehr als eine halbe Million privater polnischer Bauernhöfe sind überhaupt in der Lage, ihren Betrieb aus eigener Kraft zu mechanisieren. Die übrigen können sich günstigstenfalls selbst ernähren, doch keineswegs für den Markt produzieren. Bei der gegenwärtigen Besitzstruktur ist die vom Staat geforderte "technische Revolution auf dem Feld und im Stall" nicht zu verwirklichen. Seit die Kollektivierung der Landwirtschaft - vornehmlich auf Betreiben der katholischen Kirche, denn die Volksfrömmigkeit der polnischen Landbevölkerung ist eine der Voraussetzungen für die starke Position des Episkopats - wieder rückgängig gemacht wurde, muß Polen riesige Mengen Fleisch, Getreide und Futtermittel aus dem Ausland einfahren.