IBKA-Mitglieder melden sich in der Presse zu Wort

Aus: IBKA Rundbrief Juli 2000

Kein Monopol auf Moralvorstellungen

Artikel: "Symbol statt Zwangsinstrument", Schwabacher Tageblatt, 27.3.00.

Für die angeblich so tolerante, christlich-religiöse Weltanschauung, als die scheinbar einzig richtige "Gesellschaftsordnung mit Gott", bezog der bayer. Staatssekretär (und ehemalige Religionslehrer) Karl Freller in einer Rede vor der KAB und Kolpingfamilie Schwabach Stellung. Diese Weltanschauung soll möglichst verbindlich an bayerischen Schulen und ohne Konkurrenz - wie z.B. Lebenskunde in Berlin oder LER (Lebensgestaltung, Ethik, Religionskunde) in Brandenburg - existieren können. Den Religionsunterricht an staatlichen Schulen will Freller keinesfalls als christliche "Indoktrination" verstanden wissen. Aber was ist sie denn sonst?

Humanistische Wertevermittlung findet sicher nicht (primär) im Religionsunterricht statt. Konfessionsfreie Schüler, die das Wahlpflichtfach Ethik belegen, wären nach dieser Argumentationslogik "wertelos". Mittlerweile gehören etwa 33 Prozent aller deutschen Bürger keiner der beiden christl. Großkirchen an. Wo bleibt für diese Mitbürger ein humanistischer Schulunterricht in Form eines ordentlichen Lehrfaches? Christliche Ideologien haben kein Monopol auf Moralvorstellungen, menschliche Ethik oder Humanismus. Christliche Politiker wie Freller sollten ebensoviel Toleranz aufbieten, wie es das Grundgesetz unserer Republik in Art. 4 seinen Bürgern gewährt, also insbesondere Weltanschauungen außerhalb der ihrigen akzeptieren lernen.

Herbert Ferst

Kaum Einrichtungen für Atheisten

Zur Diskussion in Schwanstetten zum geplanten Kinderhort, Schwabacher Tageblatt, Juni 99

"Mein Haus soll ein Bethaus sein und ihr habt eine Räuberhöhle daraus gemacht!" Mit diesen Worten soll der christliche Religionsstifter Jesus von Nazareth die Geldwechsler und Taubenhändler aus dem Gotteshaus vertrieben haben (Matth. 21, 12-13). Seit mindestens 2000 Jahren ist die Symbiose zwischen Religionsausübung und wirtschaftlicher Betätigung umstritten. Die beiden christlichen Großkirchen teilen diese Sichtweise ihres Gründers nicht. Sie sind in Deutschland der zweitgrößte Arbeitgeber und betreiben viele "wirtschaftliche Einrichtungen", die neben Kirchensteuern eine beachtliche Einnahmequelle sind, um ihre Tätigkeit zu finanzieren.

"Kinder sind (...) Menschen. D.h. ihre Würde ist prinzipiell gegeben und soweit zu achten und zu schützen, und sie sind von Anfang an Träger aller Grundrechte", so schreibt Professor Dr. Heinhard Steiger. - Eigentlich sollte das selbstverständlich sein.

In der Diskussion um das geplante Kinderhort in Schwanstetten vermisse ich die Positionen von erklärt religionslosen Mitbürgern und Eltern (bundesweit etwa 35% der Bevölkerung). Wer sich mit dieser Thematik auseinandersetzt stößt unmittelbar auf den Umstand, dass in Bayern 50% der Kindergärten in katholischer und 22% in evangelischer Hand sind. Da die Kommunen 25% betreiben, bleiben für freie nichtkirchliche Träger ganze 3% übrig.

Im Normalfall ist die Einsparung der Kommunen bei der Übernahme von Kindergärten/-horten durch kirchliche Träger nur gering. Die öffentliche Hand finanziert etwa 75-80% der Betriebskosten. Hinzu kommen ca. 15% Elternbeiträge; beim Träger verbleiben also maximal nur 8-10%. Aber dabei bleibt es oft nicht. Gerade kirchliche Einrichtungen verlangen von Kommunen neuerdings zusätzliche freiwillige Leistungen.

Wieso werden somit die Finanzierung und Weitervermittlung von religiösen Lehren zu einer Staatsaufgabe gemacht? Wie verträgt sich diese Haltung mit dem Artikel 4 unseres GG, respektive mit dem Artikel 18 der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte" (UNO) vom 10.12.1948? In welche Einrichtungen können Atheisten und Agnostiker ihre Kinder im Vorschulalter bringen?

Nachdem scheinbar die Alternativen in Schwanstetten extrem gering sind, plädiere ich zumindest für eine kommunale Trägerschaft des geplanten Kinderhortes - ohne einer politischen Partei das Wort reden zu wollen.

Herbert Ferstl

Mahnung ist unzumutbar

Artikel: "Gott soll im Grundgesetz bleiben", Frankfurter Neue Presse, 19.4.00

"Bundespräsident Johannes Rau ist für den Verbleib der Formel von der 'Verantwortung vor Gott' in der Präambel des Grundgesetzes. Diese Mahnung sei unverzichtbar und zumutbar. Ohne die christliche Botschaft wären wir ärmer. Auch Deutsche jüdischen und muslimischen Glaubens könnten sich angesprochen fühlen." [Diese Meldung stand unter "Die Gute Nachricht" auf Seite 1, Höchster Kreisblatt]

Bruder Johannes ist für den Verbleib der Formel von der "Verantwortung vor Gott" in der Präambel des Grundgesetzes. Diese Mahnung sei unverzichtbar und zumutbar.

Was ist mit den Atheisten und Konfessionslosen? Wir, die keinen Glauben haben und nicht an Gott glauben können und wollen. Haben wir in dieser christlichen Gesellschaft keine Rechte? Wir leben doch wie alle anderen, bloß dass wir Gott und den Glauben aus erzieherischen und vielen Gründen ablehnen. Für uns Atheisten und Konfessionslose ist diese Mahnung unzumutbar. Dieses christliche bevormundende "Abendland" diskriminiert uns in fast allen Bereichen. Immer, wenn die Kirchen ihre christliche Botschaft verbreiten, ohne die wir angeblich ärmer wären, glauben wir, auf einen falschen Planet zu sein.

Gegenüber uns Atheisten und Konfessionslosen herrscht eine derartige Rücksichtslosigkeit. Es gibt auch atheistische und konfessionslose Abgeordnete im Bundestag, für die es garantiert keine gute Nachricht ist.

Andrea Weber

Geistig-moralische Nachhut

Artikel "Die große Geste des alten Mannes" (Schulderklärung des Papstes), taz vom 13.3.00

"Die geistig-moralische Führerschaft in der Welt übernehmen" will die katholische Kirche? Es wäre schon etwas gewonnen, wenn sie der Moral vieler weltlich denkender Menschen nicht ganz so weit hinterherhinken würde.

Zum Beispiel in der Frage der Toleranz: Toleranz heißt nach Meinung vieler weltlich denkender Menschen: "Niemand darf wegen (...) seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden" (aus Artikel 3 GG). Auch dann nicht, wenn er sich um einen Arbeitsplatz bewirbt - sofern es sich nicht gerade um einen Arbeitsplatz als Geistlicher, Religionslehrer oder dergleichen handelt. Aber in vielen kirchlichen Einrichtungen wird auch Krankenschwestern, KindergärtnerInnen, AltenpflegerInnen oder TherapeutInnen die Einstellung verweigert, wenn sie nicht der "richtigen" Kirche angehören.

Die vielerorts marktbeherrschende Stellung der Kirche als Arbeitgeber in diesem Bereich führt dazu, dass Nichtkirchenmitglieder dieser Berufsgruppen kaum Aussicht auf Arbeit in ihrem Beruf haben, teilweise nicht einmal auf irgendeine Arbeit. Die Kirche bedroht Andersdenkende heutzutage zwar nicht mehr mit Folter und Tod, wohl aber mit faktischen Berufsverboten und mit Arbeitslosigkeit.

Auch in der Verantwortung für Hungernde hat die katholische Kirche einen Nachholbedarf. Ihre Polemik gegen Empfängnisverhütung trägt dazu bei, dass Frauen in der Dritten Welt Kinder zur Welt bringen, die sie nicht haben wollten und die sie nicht ausreichend versorgen können. Solche Kinder sterben vielfach an Krankheiten, die sie bei besserer Ernährung leicht hätten überstehen können. Die katholische Kirche macht sich mit schuldig am Tode dieser Kinder.

Ebenso macht die katholische Kirche sich mit schuldig am Tode von Menschen, wo ihre Polemik gegen Kondome diese Aids-Prophylaxe in Misskredit bringt und dazu führt, dass viel zu viele Menschen durch ungeschützten Verkehr sich und ihre Partner in Lebensgefahr bringen.

Solange die katholische Kirche nicht mehr Verantwortungsbewusstsein beweist gegenüber Menschen, die von Hunger, Elend und tödlicher Krankheit bedroht sind, muss sie sich zur geistig-moralischen Nachhut zählen lassen.

Irene Nickel