MIZ 4/20 erschienen

Vor 150 Jahren begann der sogenannte Kulturkampf. MIZ 4/20 wirft im Schwerpunkt einen Blick auf diese historische Auseinandersetzung zwischen Katholizismus und preußisch-deutschem Staat. Dabei geht es sowohl um die Einordnung der Ereignisse in die Geschichte von Emanzipation und Repression als auch um eine grundlegende Reflexion kultureller Kämpfe.

In einem umfangreichen Überblicksartikel stellt Historiker Olaf Blaschke sieben Aspekte des „Kulturkampfes“ vor. Er betont, dass die häufig in den Vordergrund gerückte Erklärung als „Machtkampf“ zwischen Staat und Kirche die Ereignisse nur unzureichend erklärt, und eröffnet weitere sozial- und ideengeschichtliche Perspektiven. Im Editorial verweist Gunnar Schedel darauf, dass der Kulturkampf heute meist herausgelöst aus dem europäischen ideengeschichtlichen Kontext wahrgenommen wird. Dieser Blickwinkel weist der Kirche die Opferrolle zu – was zwar angesichts der tatsächlichen Repression nicht falsch ist, aber unter den Tisch kehrt, dass einige der damals ergriffenen Maßnahmen als gerechtfertigte Modernisierungsschritte gesehen werden sollten.

In zwei Interviews wird die Auseinandersetzung mit dem Begriff „Kultur“ und den Kämpfen, die um diese in jeder Gesellschaft stattfinden, vertieft. Der Ethnologe Christoph Antweiler gibt zu bedenken, dass die „Überbetonung kultureller Vielfalt“ leicht dazu führen könne, dass Kultur auf Differenz reduziert werde. Dabei gerate in Vergessenheit, dass Menschen über Gruppengrenzen hinweg in vieler Hinsicht gleich sind. Die Philosophin Cinzia Sciuto kritisiert das Konzept des Multikulturalismus, da es die Komplexität von Kulturen „verflache“. Eine Folge sei die Blindheit des Konzepts gegen Menschenrechtsverletzungen beispielsweise in religiösen Gemeinschaften.

Staat und Kirche

Gerhard Rampp nimmt die jüngsten Überlegungen der Partei Die Linke zur Kirchenfinanzierung zum Anlass, das in Deutschland bestehende Kirchensteuersystem grundsätzlich zu kritisieren. Dabei geht es vor allem um den Einzug der Steuer durch die Finanzämter und die Taufe als Rechtsgrundlage für die Kirchensteuerpflicht.

Kontroverse Debatten

Frank Welker befasst sich mit der Impfgegnerschaft in Zeiten des Coronavirus. Er kommt zu dem Schluss, dass viele der vorgetragenen Behauptungen einer kritischen Prüfung nicht standhalten.

Rebecca Schönenbach erinnert an die sexualisierte Gewalt in der Silvesternacht vor fünf Jahren, als hunderte von Frauen sexualisierter Gewalt ausgesetzt waren. Eine wirkliche Diskussion über mögliche Ursachen kam damals nicht auf. Dies, so fordert die Autorin, müsse nun nachgeholt werden und diesmal müsse die Perspektive der Opfer eingenommen und auch der kulturell-religiöse Hintergrund untersucht werden.