1988 - Meldungen 1102-1140

1988 - Meldungen 1102-1140 rhartmann Wed, 12/31/1997 - 09:00

Europa

Bundesrepublik Deutschland

(1102) Berlin-West. Der Anteil der Konfessionslosen bei Geburten und Eheschließungen in der BRD und Westberlin nimmt weiter zu. Waren 1984 bei 4,7% aller Eheschließungen beide und bei 11,7% ein Partner konfessionslos, so stieg der entsprechende Anteil bis 1986 auf 4,9% bzw. 2,5% an. Auch bei den Geburten stieg der Anteil der Eltern mit mindestens einem konfessionslosen Elternteil zwischen 1984 und 1986 von 11,5 auf 12,1%. (Eigene Meldung, basierend auf der Statistischen Beilage Nr. 83 zum Amtsblatt der EKD, 15.11. 1988; für die Tendenzen bis 1984: siehe MIZ 4/86, S. 2 ff.)
(1103) Augsburg. Die Zahl der noch aktiv in der Seelsorge tätigen katholischen Geistlichen ging in der BRD (einschließlich West-Berlin zwischen 1979 und 1988 von 10533 auf 9284 zurück. Die Zahl aller Priester sank im gleichen Zeitraum von 17827 auf 15124. (Weltbild, 23.3.1989)
(1104) Berlin-West. Für den Evangelischen Kirchentag vom 7. bis 11. Juni 1989 werden 21 Mio. DM aus dem Berliner Etat für direkte und indirekte Subventionen bereitgestellt. Dazu steuert der Bund weitere 675.000 DM bei. (Tagesspiegel, 12.10.1988)
(1105) Wiesbaden. Zum Stichtag der (umstrittenen) Volkszählung vom 25. Mai 1987 waren 42,9% der bundesdeutschen Bevölkerung katholisch und 41,6% protestantisch. Der Anteil der beiden Kirchen nahm damit gegenüber der letzten Volkszählung 1970 um 1,7 bzw. 7,4% ab, während der Anteil der "Sonstigen" von 6,4 auf 15,5% stieg. (Wieviel davon konfessionsfrei sind, steht zur Zeit noch nicht fest.) Am stärksten nahmen die Kirchen in den norddeutschen Stadtstaaten ab, am geringsten in den süddeutschen Flächenstaaten. Die Konfessionslosen sind in Hamburg mit 41,4% und in Westberlin mit 39,0% sowie in Bremen mit 30,4% am stärksten (Frankfurter Rundschau, 30.12.1988, Rheinischer Merkur, 24.3.1989) Zu berücksichtigen bleibt allerdings, daß der Anteil der Konfessionslosen jährlich um durchschnittlich etwa 0,3% zunimmt und diese zwei Jahre alten Daten entsprechend zu aktualisieren wären.
(1106) Hannover. Die zwölf Kirchenzeitungen im Bereich der EKD hatten zwischen 1970 und 1986 einen Auflagenschwund von 910.000 auf 625.000 Exemplare. Danach setzte sich der Trend trotz eines Rekord-Werbeaufwands (allein 3,3 Mio. DM für 1986) fort. Für einen neugewonnenen Abonnenten investierten die Kirchenverlage durchschnittlich 65 DM. (Publik-Forum, 9.9.1988)
(1107) Hannover. Die Ökumenische Versammlung Niedersachsen forderte die Kirchen auf, ihre Vermögen und Kapitalbewegungen offenzulegen. Wenn die Kirchen glaubwürdig bleiben wollten, müßten sie auch mit ihrem eigenen finanzpolitischen Verhalten die "Option für die Armen" verdeutlichen. (Publik-Forum, 7.10.1988)
(1108) Bremen. Eine Erzieherin, die acht Jahre in einem evangelischen Kindergarten in Osterholz-Scharmbeck tätig war, wurde fristlos gekündigt, weil sie zu einer evangelischen Freikirche übertrat. (Publik-Forum, 9.9.1988)
(1109) Hamburg. Da sich die Privatschulen angesichts des hohen öffentlichen Subventionsanteils in den letzten Jahren sehr stark ausgebreitet haben, wollen nun verschiedene Bundesländer die Zuschüsse an nichtstaatliche Schulen kürzen. (Spiegel, 9.1.1989)
(1110) Freiburg. Die Caritas kann auf Zivildienstleistende kaum mehr verzichten. Mit Nachdruck wandte sich die Organisation deshalb gegen Pläne, für den Einsatz von Zivildienstleistenden eine Prioritätenliste aufzustellen und dabei unmittelbaren Diensten am Menschen einen Vorrang vor Verbänden einzuräumen. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 17.1.1989) Die Kosten von Zivildienstleistenden, gegenwärtig etwa 1.000 DM monatlich, werden zu 80% vom Bund getragen, so daß "Zivis" letztlich äußerst billige Arbeitskräfte sind.
(1111) Bielefeld. Bei einer Umfrage des emnid-Instituts im Juni 1988 sprachen sich 42% der Protestanten und 37% der Katholiken für die Möglichkeit der Todesstrafe aus, bei den "Sonstigen" (zu etwa zwei Dritteln Konfessionslose) hingegen nur 18%. (emnid-Informationen 7/88)
(1112) Bonn. Der CDU-Bundestagsabgeordnete und frühere Diözesanjugendführer Adolf Herkenrath [Bruder des bekannten Misereor-Prälaten] sprach sich für die Abschaffung des staatlichen Kirchensteuereinzugssystems aus. Er begründete dies mit der Notwendigkeit des Kirchenapparats, für mehr Glaubwürdigkeit zu sorgen und einen besseren Kontakt - zur örtlichen Basis zu gewinnen. Auf vielen Auslandsreisen habe er festgestellt, daß sich ein direkter Beitragseinzug durch die Kirchengemeinden bewährt habe. Erwies auch auf einen ähnlichen Vorschlag des früheren Kölner Kardinals Frings hin. Während von der Kirchenbasis überwiegend Zustimmung signalisiert wurde, lehnten die Sprecher der katholischen Bischofskonferenz und der EKD den Vorschlag schroff ab. (Publik-Forum, 5.8.1988; Tagesspiegel, 10.7.1988)
(1113) Karlsruhe. Die evangelische Landeskirche Baden will gemäß ihren Richtlinien künftig alles vermeiden, "was geeignet ist, Ausgetretene bloßzustellen [oder] auszugrenzen ", belästigt sie andererseits aber mit Briefen und "Gesprächsangeboten". Für einen Wiedereintritt soll nunmehr sogar schon eine "mündliche Bitte" (sic!) ausreichen, während für den Austritt nach wie vor ein persönlicher Gang zum Standesamt oder Amtsgericht je nach Bundesland) nötig ist. (Amtsblatt der EKD, 15.2.1989)
(1114) Bielefeld. Das emnid-Institut ermittelte im Juni 1988, daß je 40% der Katholiken und Protestanten "NPD/Neonazis/FAP/Republikaner" als gefährlich einstufen, jedoch 49% unter den Konfessionslosen und Minderheiten. "Rechtsextreme" bzw. "Rechtsradikale" im allgemeinen werden jedoch nur noch von 14% der Protestanten und 16% der Katholiken für gefährlich gehalten, jedoch immerhin von 39% der Sonstigen. Einem Fünftel der Protestanten und einem Viertel der Katholiken gelten die Grünen als gefährlich, was unter den "Sonstigen" weniger als ein Prozent behaupten. Nur je ein Prozent der Kirchenmitglieder, aber 8% der "Sonstigen" finden religiöse Fanatiker gefährlich.(emnid-Informationen 5/6 1988)
(1115) Bad Wildungen. Auf der jüngsten Synode der EKD bezweifelte eine Reihe von Kirchendelegierten die "Unabhängigkeit des kirchlichen Dienstes" bei der Truppe und verurteilte die enge Bindung der Militärpfarrer an den Staat, der die Militärseelsorge bezahlt. (Frankfurter Rundschau, 10.11.1988)
(1116) Bonn. Die Papst-Worte zu Aids stießen bei allen Bundestagsfraktionen auf deutliche Kritik. Selbst der familienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion meinte, da nicht alle Menschen der katholischen Religionsgemeinschaft angehörten und die päpstlichen Forderungen übernähmen, seien Verhütung und Kondome in vielen Fällen eine bessere Hilfe. Der Pontifex hatte zuvor erklärt, auch bei Aidskranken sei die Anwendung von Kondomen und anderen "künstlichen" Verhütungsmitteln verboten. (Frankfurter Rundschau, 17.11.1988)
(1117) Düsseldorf/Kiel. Nach langem Tauziehen will die NRW-Landesregierung ab kommendem Schuljahr Philosophie als Ersatzfach für Religion einführen. Damit solle, so Minister Schwier, sichergestellt werden, daß sich niemand mehr zur Erlangung von Freistunden dem Religionsunterricht entziehen könne. Der Kultusminister zeigte sich befriedigt, daß nach langwierigen Verhandlungen mit den beiden Kirchen ein Kompromiß gefunden wurde, durch den diese sich nicht brüskiert sehen könnten. Die Verbände der katholischen Lehrerinnen und der (katholischen) Religionslehrer plädierten hingegen für die Einführung des Faches "Ethik". Auch in Kiel legte die neue SPD-Regierung einen Entwurf vor, der einen Pflicht-Ersatzunterricht für das Fach Religion vorsieht. (Katholische Nachrichten-Agentur, 17. u. 26.1. sowie 3.2.1989; WAZ 8.1.1989; Deutsche Tagespost, 17.1.1989; vgl. auch FAZ 7.1. und 16.2. 1989, SZ, 9.1.1989)
(1118) München. Dank den Nachforschungen eines IBKA-Mitglieds wurde bekannt, daß die SOS-Kinderdörfer nur Kinderdorfmütter einstellen, die der katholischen oder evangelischen Kirche angehören. Begründet wurde dies mit der christlichen Grundeinstellung der SOS-Kinderdörfer. Der Bund für Geistesfreiheit kritisierte daraufhin in einem Leserbrief an die Süddeutsche Zeitung (erschienen am 12.1.1989), daß sich das SOS-Kinderdorfwerk nicht schon im Namen als christlich zu erkennen gebe. (Eigene Meldung) Mittlerweile erklärten mehrere bisherige Förderer des Werkes in Zuschriften an den Bund für Geistesfreiheit Augsburg, diese Organisation wegen ihrer weltanschaulich einseitigen Ausrichtung nicht mehr unterstützen zu wollen.

Deutsche Demokratische Republik
(1119) Berlin. Anfang Januar wurde in DDR-Medien die Gründung eines Arbeitsausschusses für die Bildung eines Verbandes der Freidenker (VdF) bekanntgegeben. Der Verband selbst soll im Sommer 1989 offiziell entstehen. (Siehe Artikel in diesem Heft; dort auch Quellenangaben.)

Griechenland

(1120) Athen. Etwa 8000 griechisch-orthodoxe Popen protestierten öffentlich gegen die Zölibatsregelung, die eine Heirat nach der Priesterweihe verbietet und Verheiratete von höheren "Dienstgraden" oder gar einem Bischofsamt ausschließt. (Frankfurter Rundschau, 18.1.1989)

Großbritannien

(1121) London. Der ungarische Finanzminister Kulcsar machte deutlich, seine Regierung sei offen für eine völlige Trennung von Staat und Kirche, aber die Kirche müsse dann auch alle finanziellen Konsequenzen tragen und auf staatliche Subventionen verzichten. (KNA, 9.2.1989; vgl. MIZ 4/88, IR 1095)

Irland

(1122) Dublin. Die Republik Irland muß nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Straßburg ein Gesetz aufheben, nach dem Homosexualität verboten ist. Dagegen hatte sich der protestantische Pastor Ian Paisley mit einer Kampagne "Rettet Ulster vor der Sodomie" gewandt.

In dem 14 Jahre dauernden Rechtsstreit hatten sich Regierung und Justiz darauf berufen, die irische Verfassung müsse mit der christlichen Lehre übereinstimmen. (Tagesspiegel, 27.10.1988; Frankfurter Rundschau, 29. 11. 1988)

Eine "Kampagne für die Trennung von Staat und Kirche" (Campaign to Seperate Church and State, CSCS) wandte sich in diesem Zusammenhang an die internationale Öffentlichkeit und bat um finanzielle Unterstützung. Sie strengt zur Zeit eine Reihe von Gerichtsprozessen gegen Regierungsministerien wegen Verletzung der irischen Verfassung an. So sind in Irland Scheidung, Abtreibung und Homosexualität verboten, eine Zensur von Sexualität findet in allen Bereichen statt, Erziehungsund Gesundheitswesen stehen unter Kontrolle religiöser Interessen. Die Kampagne erwägt als letztes Mittel die Anrufung der Europäischen Menschenrechtskommission. (international Humanist, April 1989; Free lnquiry 1/1989)

Italien

(1123) Rom. Nach langem Tauziehen hat das oberste italienische Gericht entschieden, daß für Schüler, die am Religionsunterricht aus weltanschaulichen Gründen nicht teilnehmen wollen, eine Verpflichtung zur Teilnahme an Alternativunterricht nicht besteht. Nur einige Tage nach einer öffentlichen Anhörung erklärte das Gericht damit die bisher von Vatikan und italienischer Regierung unterstützte Praxis der Auslegung des Konkordats von 1984 für illegal. Während sich die bislang diskriminierten und nichtkatholischen christlichen Minderheiten sowie linke und liberale Kreise zufrieden zeigten, meldete die italienische katholische Bischofskonferenz weitestgehende und motivierte Vorbehalte

an. Die evangelisch-lutherische Kirche rechnete mit einem diplomatischen Protest des Vatikan. (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 24.3.1989)
(1124) Mailand/Vatikanstadt. Nach jahrelangen Untersuchungen bezweifelte das zuständige Mailänder Gericht eine Selbsttötung des früheren Kirchen- und Mafiabankiers Roberto Calvi und ging von seiner Ermordung aus. Calvis Witwe teilte der Presse mit, ihr Mann habe kurz vor seinem Ableben gesagt "die Priester wollten ihn tot sehen" Im vergangenen September hatte eine gerichtliche Untersuchungskommission in Mailand empfohlen, 41 Personen wegen des Zusammenbruchs von Calvis Ambrosiano-Bank vor Gericht zu stellen, und der Vatikan-Bank eine schwere Mitverantwortung angelastet. (Süddeutsche Zeitung, 28./29.1.1989; Kath. Nachrichten-Agentur, 2.2.1989) Unterdessen wurde bekannt, daß die Vatikanbank IOR reorganisiert werde, jedoch ihre Selbständigkeit nicht verliere. Auch die Ablösung des IOR-Präsidenten Erzbischof Marcinkus wurde, entgegen anderslautenden Pressemeldungen, noch nicht realisiert, doch soll ihm ein Aufsichtsrat mit professionellen Bankiers zur Seite gestellt werden. (Kath. Nachrichten-Agentur, 1. u. 2.3. 1989; vgl. auch FAZ 2.3.1989; AZ 4.3.1989; SZ, 14.3.1989; Handelsblatt 13.3.1989) Nach wie vor auf freiem Fuß befindet sich auch Licio Gelli, der Ex-Chef der Geheimloge P 2, der zwar wegen Beteiligung am Attentat von Bologna (85 Tote) zu insgesamt knapp 20 Jahren Haft verurteilt wurde, aber wegen eines medizinischen Attests (so die offizielle Version) und der Auslieferungsbedingungen der Schweiz (er durfte nur wegen der Beteiligung am Banco-Ambrosiano-Skandal belangt werden), nicht eingesperrt und sogar von staatlichen Leibwächtern geschützt wird. (taz, 6.1.1989)

Niederlande

(1125) Haarlem. In der niederländischen Diözese Haarlem muß bis zum Jahr 2000 wegen des rückläufigen Kirchenbesuchs die Hälfte aller katholischen Kirchen geschlossen werden. (KNA, 1.2.1989)

Polen

(1126) Warschau. Im streng katholischen Polen gibt es über 800.000 Abtreibungen im Jahr. Damit entfallen auf eine Geburt drei Schwangerschaftsabbrüche, was in Europa ein einmaliger Rekord ist. (Deutsche Tagespost, 13.10. 1988) Am anderen Ende der Skala liegen die liberalen und weitgehend kirchenunabhängigen Niederlande, in denen (laut KNA vom 17.4.1986) auf 1.000 Geburten nur 5,6 Abtreibungen erfolgen, was die niedrigste Abbruchrate der Welt bedeutet.

Sowjetunion

(1127) Moskau. Die Religionsausübung in der UdSSR wird weiter (mit atemberaubender Geschwindigkeit) liberalisiert. Der Wiener Alterzbischof, Kardinal Dr. Franz König, bescheinigte der Sowjet-Regierung in der Neugestaltung ihres Verhältnisses zur Religion eine Kehrtwendung von unvorstellbarem Ausmaß. Allein in den vergangenen zwölf Monaten sollen 1610 religiöse Vereinigungen in der UdSSR registriert worden sein (im Vorjahr 104), 143 Genehmigungen für den Bau neuer Kultbauten wurden erteilt (im Vorjahr 17) und 937 leerstehende Kultgebäude sollen an die Gemeinden zurückgegeben worden sein (im Vorjahr 10). Mehrere Klöster wurden wieder in die Hände der russisch-orthodoxen Kirche übergeben. 800 russisch-orthodoxe Kirchen sollen im Vorjahr neu- oder wiedereröffnet worden sein, 200 davon in der Ukraine. 1987 waren nur 18 russisch-orthodoxe Pfarrgemeinden neu registriert worden. Dem katholischen Weihbischof Dulbinski von Riega und dem Erzbischof Steponavicius die wurde Wiederausübung ihres Bischofsamtes gestattet, nachdem ihnen dies jahrzehntelang verwehrt worden war. Im Februar erschien die erste Ausgabe der litauischen katholischen Zweiwochenschrift Kataliku Pasaulus in einer Startauflage von 100.000 Exemplaren. Eine lettische katholische Zeitschrift (Katolu Dzeive), die 1940 verboten worden war, wurde wieder zugelassen und erscheint nun in einer Auflage von 30.000 Exemplaren. Allein im Februar und März 1989 öffneten in Usbekistan 25, in Tadschikistan sechs und in Turkmenien drei Moscheen ihre Pforten, schrieb die deutschsprachige Ausgabe der Moskau News unter dem Titel: Religionsfreiheit vom Staat garantiert, und: Der Glaube wird zum garantierten Menschenrecht. (Moskau News 5/ Mai 1989; begegnung, Zeitschrift für Katholiken in Kirche und Gesellschaft (DDR) 2/89 u. 4/89)

Spanien

(1128) Madrid. Die spanische Polizei nahm 71 zum Teil führende Mitglieder der wegen ihrer Geschäftstüchtigkeit umstrittenen Scientology Church fest, denen unter anderem Betrug, Unterschlagung, Steuer und Devisenvergehen, Dokumentenfälschung sowie Nötigung zur Last gelegt wurde. Ein Teil von ihnen wurde gegen Zahlung einer Kaution von rund 2 Mio. DM vorübergehen auf freien Fuß gesetzt. (Augsburger Allgemeine, 22.11.1988; SZ, 22.11.1988)

Türkei

(1129) Ankara/Istanbul. Nach einer Umfrage der Zeitung Hürriyet zum Thema "Religion und Staat" wünschen 16% der Befragten eine islamische türkische Republik. Bisher hatten Offizielle diesen Anteil auf etwa 7% veranschlagt. Vor allem in linken Zeitungen wird in letzter Zeit verstärkt über die laizistischen Reformen Atatürks berichtet und kritisch gefragt, was aus ihnen geworden sei. Fünf bekannte Journalisten, die Atatürks kritische Sicht des Islam als Machtinstrument mit Originalzitaten belegt hatten und für die Trennung von Staat und Religion eintraten, wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt - "wegen Beleidigung Atatürks". (FAZ, 29.12.1988)

Vatikanstaat

(1130) Vatikan. Das Opus Dei baut seine Machtstellung zielstrebig aus. So wurden Freunde und Mitglieder der rechtskonservativen Personalprälatur zu Bischöfe in Chur, Wien, Feldkirch, Madrid und verschiedenen lateinamerikanischen Diözesen (davon allein vier in Peru) ernannt. Die auf 76.000 Mitglieder gewachsene einstige Laien-Organisation erhält in letzter Zeit insbesondere unter Priestern und Priesterkandidaten Zulauf. Sie unterhält 479 Universitäten und höhere Schulen, 604 Zeitungen, 52 Rundfunkanstalten und 38 Nachrichten- und Werbeagenturen in 87 Nationen. Der Augsburger Bischof Stimpfle stellte dem Opus Dei sogar eine Starnberger Villa als "Bildungshaus "zur Verfügung. (Frankfurter Rundschau, 23.11.1988; Publik-Forum, 2.12.1989; Augsburger Kirchenzeitung, 29.1.1989) Aus Platzgründen hat die MIZ-Redaktion in den letzten Nummern verzichtet auf die zahlreichen KNA-Meldungen einzugehen, die vom wachsenden innerkirchlichen Einfluß des Opus Dei zeugen.
(1131) Vatikan. Die Kurie sieht sich zunehmend mit widersprüchlichen Haltungen der Katholiken zur Abtreibung konfrontiert. Während der New Yorker Weihbischof, der nach einer Blockadeaktion vor einer Abtreibungsklinik festgenommen worden war, sogar eine zweitägige Gefängnisstrafe in Kauf nahm, sprach sich sein mexikanischer Kollege Osoho für Abtreibungen nach einer Vergewaltigung aus und bezeichnete dies als "Hilfeleistung für die Opfer". In Großbritannien wiederum befürworteten in einer repräsentativen Umfrage zwei Drittel der Katholiken das Recht auf Abtreibungen in den ersten Schwangerschaftsmonaten. (KNA, 1.12.1988; 23.1.1989)

Asien

Israel

(1132) Tel Aviv. Mehr als 20.000 Menschen demonstrierten gegen die Befreiung der Theologiestudenten vom Militärdienst. Ein Sprecher meinte, es sei an der Zeit, die Vorzugsbehandlung der 18.000 Talmud-Schüler aufzuheben. Die Demonstration richtete sich auch gegen die zahlreichen Konzessionen der großen Parteien gegenüber den religiösen Splittergruppen, die ihre Rolle als "Zünglein an der Waage" bei der Regierungsbildung weidlich ausnutzten. (Frankfurter Rundschau, 1.12.1988)

Nordamerika

USA

(1133) Chicago. Erstmals entschied ein Bezirksgericht in Illinois, daß das Aufstellen einer Krippe auf einem öffentlichen Platz nicht gegen die Trennung von Staat und Kirche verstoße. Dagegen hatten neben protestantischen und jüdischen Organisationen auch die American Atheists von Illinois geklagt und in den vergangenen Jahren auch stets Recht behalten (auch in anderen Städten war das Aufstellen religiöser Symbole abgelehnt worden). Nun muß der Oberste Gerichtshof entscheiden. (KNA, 14.12.1988; SZ, 12.12.1988)
(1134) New York. Die Mehrzahl der katholischen Priester und auch Bischöfe sind nach Ansicht einer von der US-Bischofskonferenz eingesetzten Kommission einsam und "sexuell gestört". Auch bei einem Priester müsse "die Sexualität als wesentlicher Bestandteil des menschlichen Lebens" gesehen werden, doch helfe die Kirche den Geistlichen nicht, angesichts einer unglaublich freizügigen Gesellschaft damit fertig zu werden. Gleichzeitig wurde der Rückgang der Seminaristenzahlen von 8885 im Jahr 1965 auf 4063 im Jahr 1985 bedauert. Derzeit leben rund 53 500 katholische Geistliche in den USA. (KNA, 28.12.1988)
(1135) Alexandria. Der rechtsextreme US-Politiker Lyndon LaRouche ist von einem Bundesgericht wegen Betrugs und Steuerhinterziehung zu 15 Jahren Haft und einer Geldstrafe in Höhe von 3,25 Mio. Dollar verurteilt worden. (FR, 19.12.88; SZ, 30.1.89) Die Frau des Verurteilten, Helga Zepp-LaRouche, ist Vorsitzende des deutschen Ablegers der LaRouche-Organisation, die unter den Bezeichnungen "Europäische Arbeiterpartei" (EAP), "Patrioten für Deutschland" und "Club of Life" firmiert.
(1136) Washington. Eine Steuerbefreiung beim Verkauf von Bibeln und anderen religiösen Schriften ist nach dem Urteil des obersten Gerichts der USA verfassungswidrig. Damit wurde eine entsprechende Regelung in Texas und 13 weiteren Bundesstaaten als illegal bezeichnet, weil eine solche "unangemessene Begünstigung" alle nicht-religiösen Schriften diskriminiere. (KNA, 24.2.1989)
(1137) Charlotte/North Carolina. Der über eine Sexaffäre gestolperte Fernsehprediger Jim Bakker wurde nun auch wegen Betrug angeklagt. Er soll zusammen mit dem Ex-Vorsteher seiner TV-Kirche frommen Investoren unter Vorspiegelung falscher Vorhaben Millionen von Dollar aus den Taschen gezogen und in die eigenen geleitet haben. (Augsburger Allgemeine, 7.12.1988)
(1138) Washington. Amerikas neuer Präsident versteht sich als Vertreter der Evangelikalen. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit proklamierte er einen "Gebetstag" mit prominenten Fernsehpredigern und Kirchenführern, wobei er sich für eine Änderung der Freigabe der Abtreibung einsetzte. Im Wahlkampf, den er mit den ultrarechten Predigern Jerry Falwell und - bis zu dessen Affären - Jim Bakker führte, plädierte Bush für indirekte Staatssubventionen für religiöse Schulen und für die Wiedereinführung des organisierten Gebets an staatlichen Schulen. (SZ 23.1.1989; Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 10.2.1989, vgl. KNA 23. u. 25.1.1989)

Südamerika

Argentinien

(1139) Buenos Aires. Trotz wütender Proteste der Bevölkerung und des Stadtrats wurde in der argentinischen Kleinstadt Bragado der deutschstämmige Pfarrer Christian von Wernich in sein Amt eingesetzt, der zur Zeit der Diktatur am "Verschwindenlassen" von mindestens acht Regimegegnern mitverantwortlich war und die Folterung politischer Gefangener ausdrücklich als "patriotische Tat" guthieß: "Gott weiß, daß es für das Land gut ist." Der zuständige Bischof stärkte ihm den Rücken, da der Seelsorger "weder außerhalb des Gesetzes noch außerhalb des Kirchenrechtes" stehe. (taz, 30.11.1988)
(1140) Buenos Aires. Der paraguayische Bischof Jorge Bank räumte eine Mitschuld der Kirche an den schrecklichen Ereignissen während der Diktatur des unlängst gestürzten Diktators Strössner ein. Erst 1986 sei die Kirche seines Landes auf Distanz zu dem über 34 Jahre herrschenden Regime gegangen. (KNA, 3.3.1989)