1981 - Meldungen 421-430

1981 - Meldungen 421-430 rhartmann Wed, 12/31/1997 - 09:00

Westeuropa

BRD/Westberlin

(421) Mai 1981. Der Berliner Landesverband der Katholischen Erziehergemeinschaft Deutschlands (KEG) hat alle katholischen Mitglieder in der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) aufgefordert, "zu überprüfen, ob sie ihre Mitgliedschaft in dieser Organisation noch aufrechterhalten können", da die "weltanschauliche und politische Grundorientierung eines katholischen Pädagogen" in wesentlichen Punkten mit der Verbandspolitik der Berliner GEW in Widerspruch stehe. Zu den Zielen der GEW gehöre die "Konfliktstrategie im Sinn von Konfrontation mit Familie, Staat, Kirche", die "Idealisierung der Homosexualität als der Ehe gleichwertige Lebensform" sowie "Aufforderung zum globalen Widerstand gegen die Staatsautorität" und "Mißbrauch der Unterrichtsfächer durch einseitige Politisierung". (Vgl. Tagesspiegel vom 28. Mai 1981.)

BRD

(422) Aug 1981. Das Finanzgericht Hamburg hat entschieden, daß die Erhebung von Kirchgeld im hamburgischen Gebiet der Bistümer Osnabrück und Hildesheim sowie der nordelbischen evangelisch-lutherischen Kirche gegen das Grundgesetz verstößt. Das Gericht betont, die unterschiedliche Besteuerung von getrennt und zusammen zur Einkommensteuer zu veranlagenden Kirchenangehörigen sowie die Nichtberücksichtigung von unterhaltspflichtigen Kindern sei nicht mit den Artikeln 3 Absatz 1 und 6 Absatz 1 des Grundgesetzes zu vereinbaren. Auch sei das zu versteuernde Einkommen beider Ehegatten kein geeigneter Maßstab für den Lebensführungsaufwand des kirchensteuerpflichtigen Ehegatten. Das Hamburger Finanzgericht weicht mit seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ab. - Für Christen, die kein eigenes Einkommen haben, schuldet in Hamburg und Schleswig-Holstein seit dem 1. Januar 1979 gemäß dem Paragraphen 9 der Kirchensteuerordnung der Nordelbischen Kirche der verdienende Ehepartner der Kirche ein sogenanntes Kirchgeld - auch wenn er Mohammedaner oder Heide ist. Für die Katholiken der beiden Länder gilt das gleiche. In Hessen ist eine ähnliche Regelung bereits seit 1968 in Kraft. Im Nordelbischen reicht die Abgabe von 240 Mark jährlich bei einem Jahreseinkommen von 48.000 Mark bis zu 4800 Mark bei einem Jahreseinkommen über 400.000 Mark. Wer Gütertrennung einführt, braucht kein Kirchgeld zu zahlen, verliert aber die steuerlichen Vorteile einer gemeinsamen Steuer-Veranlagung. - Zur rechtlichen Begründung der Besteuerung ziehen Kirchenjuristen ein fiktives Hausfrauengehalt heran, das es bisher in der Bundesrepublik gar nicht gibt. - Die direkte Besteuerung eines aus der Kirche Ausgetretenen für die Kirchenmitgliedschaft seiner Ehefrau hat das Bundesverfassungsgericht 1965 für unzulässig erklärt. (Vgl.Frankfurter Rundschau vom 7. August 1981; stern Nr. 23 vom 27. Mai 1981.)
(423) Aug 1981. Die Mun-Sekte (Vereinigungskirche) will ihren Hauptstützpunkt von London nach Frankfurt verlegen. Die Londoner Tageszeitung Daily Mail berichtete, die Sektenmitglieder würden Großbritannien wegen ihrer Erfolglosigkeit verlassen. Die Zeitung hatte im April 1981 einen der teuersten Zivilprozesse der britischen Rechtsgeschichte gegen die Mun-Bewegung gewonnen, der sie vorgeworfen hatte, Familien zu zerstören.

Frankreich

(424) Sep 1981. Ein 48jähriger Portugiese, der sich vom Teufel besessen glaubte, hat in Montpellier den kirchlichen Exorzisten mit einer Revolverkugel getötet und anschließend eine Hellseherin mit einem Schuß verletzt. Bei dem Exorzisten handelte es sich um den offiziellen Teufelsaustreiber der Diözese von Montpellier. (Vgl. Volksblatt Berlin vom 16. September 1981.)

Italien

(425) Jul 1981. Licio Gelli, Chef der Geheimgesellschaft P 2, soll vertrauliche Beziehungen zu vatikanischen Prälaten unterhalten haben. Nach einem Bericht der westdeutschen Wochenzeitschrift Die Zeit (Nr. 28 vom 3. Juli 1981: "Die Päpste und die Freimaurer - Finsterlinge im Vatikan?") hat auch der sozialdemokratische Parteichef Pietro Longo 1980 von Gelli den "Bruderkuß mit Ritterschlag" empfangen. "P 2" wird vielfach als Freimaurerloge bezeichnet. Die alteingesessenen italienischen Logen wehren sich jedoch gegen diese Version und distanzieren sich von der Geheimgesellschaft. Jahrhundertelang standen sich Freimaurertum und katholische Kirche als erbitterte Feinde gegenüber. Papst Clemens XII. erließ 1738 zum ersten Mal den Kirchenbann über alle Freimaurer und ihre "Synagogen des Satans". Erst 1974 hatte die römische Glaubenskongregation (früher lnquisition und Heiliges Offizium genannt) in einem Brief an den amerikanischen Bischof Krol das Freimaurerverbot für katholische Laien dahingehend abgemildert, daß der automatische Kirchenausschluß nur für die Mitgliedschaft in solchen Logen gelte, "die in Tat und Wahrheit gegen die Kirche agitieren". Am 3. März 1981, zehn Tage vor einer Hausdurchsuchung bei Gelli, veröffentlichte der Vatikan ein neues Freimaurerpapier, das den alten Streit wieder aufleben läßt.
(426) Jul 1981. Ein römisches Berufungsgericht hat den amerikanischen Autoren Robert Katz wegen Verleumdung von Pius XII. in zweiter Instanz zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monaten mit Bewährung verurteilt. Katz, der in Rom lebt, hatte in seinem Buch "Tod in Rom" behauptet, der Papst habe im März 1944 nicht alles getan, um die Erschießung von 335 italienischen Geiseln durch deutsche Soldaten bei Rom zu verhindern. (Vgl. Tagesspiegel vom 3. Juli 1981.)
(427) Sep 1981. Über 10.000 Menschen nahmen in der norditalienischen Gemeinde San Damiano Abschied von "Mamma Rosa", die 1964 in der Krone eines Birnbaumes in ihrem Garten die "Muttergottes" gesehen haben will. Zu den Teilnehmern der darauf einsetzenden Massenwallfahrten gehörte 1973 auch die 20jährige Anneliese Michel, Studentin der Pädagogik und Theologie, die drei Jahre später an einem vom Würzburger Bischof Stangl angeordneten Großen Exorzismus in Klingenberg/Unterfranken starb (vgl. MIZ Nr. 3/76).

Spanien

(428) Jan-Sep 1981. Im Januar 1981 tagte die spanische Bischofskonferenz zum ersten Mal in der Geschichte der katholischen Kirche des Landes gleich dreimal innerhalb eines einzigen Monats. 21 Bischöfe unter Vorsitz des extrem rechtsstehenden Kardinals Enrique y Taranc¢n berieten stets über das gleiche Thema: die Scheidungsvorlage im Parlament und eine entsprechende Gesetzesinitiative der Regierungspartei UCD. Ihre erste Sitzung hielten die Kirchenvertreter genau eine Woche vor dem UCD-Kongreß ab. Als dieser verschoben wurde, versammelten sich die Bischöfe wiederum demonstrativ eine Woche vor dem Kongreßtermin. Die scharfen Angriffe aus dem klerikalen Lager trugen zum Rücktritt von Premierminister Adolfo Sußrez bei. Mitten in der Regierungskrise und wenige Tage vor dem Parteitag der UCD in Palma de Mallorca versuchten die Bischöfe zahlreiche katholische UCD-Vertreter massiv zu beeinflussen, um der politischen Rechten zu mehr Einfluß zu verhelfen. - Die Scheidungsfrage hat bisher einen für die Kirche ungünstigen Verlauf genommen. Mit dem Ende der Franco-Ära hatte Spanien aufgehört, ein konfessioneller Staat zu sein. Die Kirche verlor mit zunehmender Demokratisierung an Macht. Allerdings hatten die Bischöfe in der neuen Verfassung die Generalformel "Kooperation des Staates mit der katholischen Kirche" durchsetzen können. Die neuen Behörden geben zu den Löhnen der Kardinäle, Bischöfe und Priester jährlich 200 Millionen Mark hinzu. Bis September 1980 stand dem Justizministerium stets ein absoluter Vertrauensmann der katholischen Kirche vor. Mit der Ernennung des Sozialdemokraten Fernßndez Ord¢nez zum neuen Justizminister ging diese katholische Bastion für einen kurzen Zeitraum verloren. Ord¢nez legte mit Unterstützung der Sozialisten ein Scheidungsgesetz vor, das die Fristen für die Scheidung verkürzte und erstmals das Prinzip des gemeinsamen Scheidungswillens der Ehegatten anerkannte. Grundsätzlich soll einer Scheidung eine gerichtlich attestierte Separation (Trennung) vorausgehen. Frühestens ein Jahr nach Erhalt der Separationsurkunde - spätestens fünf Jahre später - können die Ehegatten sich scheiden lassen. Der Richter, der den Schiedsspruch zu fällen hat, kann den freien Willen der Eheleute nicht mehr anfechten, er hat ihn nur noch festzustellen. - Als der Parlamentsausschuß die 107 Artikel der Scheidungsvorlage veröffentlichte, schaltete sich sofort der neue päpstliche Nuntius in Madrid, Innocenti, ein. Er hielt die Scheidungsvorlage nicht mit dem zwischen Spanien und dem Vatikan 1979 abgeschlossenen Teilabkommen vereinbar. Die Kirche sieht in der Respektierung des freien Willens der Ehegatten den Anfang vom Ende ihres Einflusses auf die Gesellschaft. Ihre Vertreter verdammen jedes Scheidungsgesetz für die zu über 90 Prozent kirchlich heiratenden Ehepaare. Unter Justizminister Ord¢nez wurde die Einflußnahme der Kirche auf zivile Angelegenheiten entschieden zurückgewiesen. Der sozialistische Spezialist in Kirchenfragen, Virgilio Zapatero, lehnte die bischöflichen Einwände als "unbegründet und unannehmbar" ab. Oberstes Prinzip für den Staat sei die Verfassung, die die "Trennung" und "Auflösung" der Ehe vorsehe. - Ein Abgeordneter der katholischen Opus-Dei-Bewegung forderte gar eine totale Kursänderung in der Scheidungsfrage. Konservative und Klerikale konnten das Scheidungsgesetz jedoch nicht zu Fall bringen. Im Juni 1981 wurde es vom Parlament verabschiedet, am 1.September 1981 trat es in Kraft. Einen Tag später erklärte Justizminister Ord¢nez seinen Rücktritt wegen des "Rechtsrucks" in der regierenden UCD. Er könne die begonnenen Reformen nicht wie vorgesehen durchführen und brauche eine "moralische Distanzierung" von den gegenwärtigen Ereignissen (eilige Prozedur des Nato-Beitritts Spaniens, Einführung des Privatfernsehens). Konservativ-katholische Kreise und die Vertreter der Finanzoligarchie in der eigenen Regierungspartei warfen Ord¢nez vor, seine Vorstellungen hätten nicht mit der "soziologischen Wirklichkeit" des Landes übereingestimmt. (Vgl. Frankfurter Rundschau vom 9.Februar 1981 und 2.September 1981; Tagesspiegel vom 24.Juni 1981; Volksblatt Berlin vom 2.September 1981.)

Osteuropa

DDR

(429) Jun 1981. In der DDR unterhalten die evangelischen Kirchen nach Angaben des Staatssekretärs für Kirchenfragen, Klaus Gysi, 48 Krankenhäuser mit rund 7000 Betten und 90 Heime für geistig und körperlich Behinderte mit mehr als 6000 Plätzen. Hinzu kommen 15 Heime für Mutter und Kind mit etwa 600 Betten, 330 Alten- und Pflegeheime mit über 11 000 Plätzen und 28 Heime für insgesamt 676 Kinder. Die Kirchen leiten ferner sechs Hospize mit rund 400 Betten, 117 Erholungsheime, 559 Gemeindepflegestationen und 325 Kindertagesstätten mit mehr als 17.000 Plätzen. Zehn Millionen Mark werden jährlich als Zuschuß für Pfarrgehälter aus dem Staatshaushalt gezahlt. Weitere vier Millionen Mark stellt die DDR-Regierung für sechs Evangelisch-Theologische Fakultäten an Hochschulen zur Verfügung. (Vgl. Volksblatt Berlin vom 2. Juni 1981.)
(430) Sep 1981. Die Partei- und Staatsführung bemüht sich neuerdings auch auf bezirklicher Ebene um ein gutes Verhältnis zur evangelischen Kirche. So traf DDR-Staatssekretär Gysi in Schwerin mit dem Bischof der evangelisch-lutherischen Landeskirche Mecklenburg, Rathke, zusammen. In dem Gespräch über "Möglichkeiten des Ringens um Frieden und Abrüstung" (so ADN) stellte Rathke fest, die "gegenwärtige Situation zwinge zu gemeinsamen Aktivitäten trotz unterschiedlicher Ausgangssituation". Die Kirche verstehe sich als "Kirche im Sozialismus" und wolle "als solche in der Gesellschaft arbeiten".