1979 - Meldungen 307-336

1979 - Meldungen 307-336 rhartmann Wed, 12/31/1997 - 09:00

Westeuropa

BRD

(307) Mrz 1979. In einem Urteil der 1. Jugendkammer des Amtsgerichts Augsburg heißt es, bei einem Schwangerschaftsabbruch liege es keineswegs in der Absicht des Gesetzgebers, "dem mit der Prüfung der Notlage befaßten Arzt einen großzügigen Ermessensspielraum einzuräumen". Der Arzt müsse statt dessen eine "lebenserhaltende Tendenz" zum Ausdruck bringen. Trotz dieses Tenors sprach das Gericht eine Mitarbeiterin der Augsburger Pro-familia-Beratungsstelle, die 1974 ein Mädchen auf Adressen ausländischer Abtreibungskliniken hingewiesen hatte, von der Beihilfe zur Abtreibung frei.
(308) Jul - Sep 1979. Kardinal, Josef Höffner ließ Ende Juli im Deutschlandfunk eine Äußerung des CSU-Politikers Holzgartner unwidersprochen, daß die Nazis die Juden getötet hätten und die "internationalen Sozialisten ungeborenes Leben töten". Was in der Bundesrepublik mit dem Schwangerschaftsabbruch geschehe, sei der Weg zurück nach Auschwitz. Höffner unterstrich die These, Abtreibungen seien Massenmord. Darauf protestierte Bundesjustizminister Vogel (SPD) in seiner Eigenschaft als katholischer Bundestagsabgeordneter (nicht als Justizminister!) bei Höffner. Mitte September 1979 bekräftigte der Kardinal in seiner Antwort an Vogel, daß der Schwangerschaftsabbruch auch dann als Massenmord anzusehen sei, wenn der Gesetzgeber ihn legalisiere. Trotz dieser eindeutigen Antwort las Vogel aus der Stellungnahme Höffners "eine Reihe bemerkenswerter Klärungen" heraus.
(309) Aug 1979. Der am Tod der Studentin Anneliese Michel mitschuldige Exorzistenpater Ernst Alt aus Ettleben soll mit Beginn des neuen Schuljahres in der Teilhauptschule Werneck auf Weisung des erzbischöflichen Ordinariats Würzburg wieder im Schuldienst eingesetzt werden. Die bayerische FDP protestierte gegen diesen "unverständlichen Mißgriff". Das bayerische Kultusministerium erklärte, es hätte auf diese Nominierung keinen Einfluß.
(310) Aug 1979. Der "Wunderheiler" Josef Müller aus Dillingen erklärte auf einer Pressekonferenz in Homburg/Saar, er könne dem schwer verletzten Handballnationalspieler Joachim Deckarm durch "übersinnliche Kräfte" bis spätestens Weihnachten 1979 helfen. Über seine Lebensgefährtin, die ihm bei seiner parapsychogischen Tätigkeit als "Schreib-Medium" diene, will Müller mit den Geistern verstorbener medizinischer Kapazitäten in Verbindung getreten sein, die eine andere Diagnose als die behandelnden Ärzte gestellt hätten. Müller teilte den erstaunten Journalisten mit, daß der Handballspieler bereits 28 "Behandlungen" von einer Dauer zwischen 15 und 60 Minuten bewältigt hätte, aber noch mindestens die gleiche Anzahl dieser exorzismusartigen Sitzungen zur endgültigen Heilung benötige. (Anmerkung der MIZ-Redaktion: Es ist eigentlich unvorstellbar, daß in einem bundesdeutschen Krankenhaus derartige Praktiken eines Verrückten zugelassen werden. Erst nach dieser "Pressekonferenz" entschlossen sich die behandelnden Ärzte, wohl nach der "Ferndiagnose" ihrer verstorbenen Kollegen, zu einer Gegenstellungnahme, und die Staatsanwaltschaft Saarbrücken hat endlich ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs und Vergehen gegen das Heilpraktikergesetz eingeleitet.)
(311) Aug 1979. Die Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) hat beim Arbeitsgericht Stuttgart Klage gegen den Deutschen Caritasverband erhoben. Die Caritas-Zentrale in Freiburg hatte mit einem Rundschreiben ihre Untergliederungen angewiesen, "jede gewerkschaftliche Betätigung von betriebsfremden wie Betriebsangehörigen Gewerkschaftsmitgliedern oder -funktionären" zu untersagen. Die ÖTV sieht in diesem Vorgehen einen Verstoß gegen das im Grundgesetz garantierte Koalitionsrecht der Arbeitnehmer. Sie beruft sich bei der Klage auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 14. Februar 1978, das den Gewerkschaften Zutrittsrecht auch zu kirchlichen Einrichtungen zum Zweck der Information und Werbung zuspricht.
(312) Aug 1979. Der 5. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat die Berufungsklage einer verheirateten Frau, die über kein persönliches Einkommen verfügt, gegen die Zahlung einer Kirchensteuer verworfen. Die evangelische Klägerin, deren Unterhalt von ihrem konfessionslosen Ehegatten bestritten wird, hatte sich gegen das 1968 vom hessischen Gesetzgeber beschlossene "besondere Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe" zur Wehr gesetzt. Das "besondere Kirchgeld" wird nach einer Tabelle erhoben, die von dem Einkommen ausgeht, Über das eine Familie verfügen kann: So sind bei einem jährlichen Familieneinkommen von 100.000 bis 149.900 Mark in Hessen 996 Mark Kirchensteuer zu zahlen. Die Wiesbadener Ehefrau machte vor Gericht geltend, daß diese Tabelle die besondere Belastung der einzelnen Familien völlig außer acht lasse und sich letztlich gegen den konfessionslosen Ehemann richte. Die hessische Regelung verstoße gegen die Artikel 3, 4 und 6 des Grundgesetzes. Niemand dürfe danach wegen seiner religiösen Anschauung benachteiligt werden. Das weltanschauliche Bekenntnis sei ungesetzlich. - Der Verwaltungsgerichtshof berief sich dagegen bei seiner Abweisung auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1965 (BVG 19, 268/2927), das nahegelegt habe, in konfessionsverschiedenen Ehen ein Kirchgeld entsprechend der Lebensführung der betroffenen Ehefrau zu erheben. (Anmerkung der MIZ-Redaktion: Die Beziehung zwischen einer evangelischen Ehefrau und ihrem konfessionslosen Ehegatten als "konfessionsverschiedene Ehe" auszulegen, ist in der Tat eine juristische Meisterleistung! Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, daß Konfessionslose in der Bundesrepublik als Bürger zweiter Klasse behandelt werden.)
(313) Aug 1979. Bayerns Ministerpräsident Franz Josef Strauß und eine 250köpfige CSU-Gruppe des bayerischen Landtags startete zu einem "Fraktionsausflug" nach Ungarn. Der gerade gekürte Kanzlerkandidat Strauß, einer der energischsten Fürsprecher Otto von Habsburgs, wurde mit seiner Delegation von Staats-, Partei- und Kirchenführern der ungarischen Volksrepublik betont herzlich empfangen.
(314) Sep 1979. Ein Gynäkologe aus Furtwangen in Baden-Württemberg mußte sich auf Betreiben einer Provinzoberin der katholischen Kreuzschwestern verpflichten, im Städtischen Krankenhaus Schwangerschaften nur noch aus medizinischen Gründen abzubrechen. Die Oberin der Ordensschwestern hatte in einem Brief an den Bürgermeister von Furtwangen gedroht, ihre Untergebenen aus dem Krankenhaus abzuziehen, wenn dort weiterhin Abtreibungen vorgenommen würden.
(315) Sep 1979. Während die Parlamentarier im Bonner Bundestag über die Zukunft der Kernenergie debattierten, bekannten sich am 13. September der Präsens der Evangelischen Kirche im Rheinland, Immer, und der Bischof des Ruhrbistums, Hengsbach, in einer Studie "Energie und Umwelt" eindeutig zum Ausbau der Kernenergie. Diese sei, wenn sie "mit Umsicht und Vorsicht" weiterentwickelt werde, unerläßlich. Das Risiko des einzelnen Bürgers bei einem Reaktorunfall verletzt oder getötet zu werden, sei sehr viel geringer als alle übrigen Risiken, denen man täglich freiwillig oder unfreiwillig ausgesetzt sei. (Anmerkung der MIZ-Redaktion: Der frühere Militär- und heutige Ruhrbischof Hengsbach unterhält vertrauliche Beziehungen zu zahlreichen Industriellen und Bankiers an Rhein und Ruhr. Er gehörte zu den ersten Befürwortern der Bundeswehr.)

BRD/Westberlin

(316) Jul 1979. Die Berliner SPD hat in den Koalitionsvereinbarungen mit der FDP nach der Wahl vom 18. März 1979 folgende Protokollnotiz zum Koalitionsvertrag durchgesetzt: "Die Parteien sind sich einig, daß mit den Religionsgemeinschaften mit dem Ziel verhandelt werden soll, die 'Abschließenden Protokolle' im Sinne einer zeitgemäßen Anpassung an die Entwicklung zu öffnen." Bei den "Abschließenden Protokollen" handelt es sich um konkordatsähnliche Vereinbarungen zwischen dem Senat und den beiden großen Kirchen vom 2. Juli 1970. Die "Protokolle" (vgl. MIZ Nr. 2/75, 4/75, 1/76) wurden seinerzeit ohne Mitwirkung des Abgeordnetenhauses in Kraft gesetzt. Diese verfassungswidrige Praxis wurde jetzt erneut angewendet: Am 10. Juli 1979 beschlossen Mitglieder der Berliner Koalitionsregierung - wiederum streng geheim und unter Ausschaltung des Parlaments - der bankrotten evangelischen Landeskirche 13 Millionen Mark als Soforthilfe zur Verfügung zu stellen. Laut Vereinbarung vom 10. Juli, die bis heute nicht im vollen Wortlaut veröffentlicht worden ist, zahlt der Senat künftig 100 Prozent statt der bisherigen 75 Prozent an Personalkosten für den Religionsunterricht an staatlichen Schulen. Die staatlichen Zuschüsse für kirchliche Kindertagesstätten und für die Gemeindekrankenpflege wurden ebenfalls erhöht. Selbst der Haushaltssprecher der FDP war über das Ausmaß der jüngsten Verhandlungsergebnisse nicht informiert. Proteste dagegen stießen ins Leere, da Senats- und Parlamentsmitglieder unmittelbar nach Abschluß der Vereinbarung in Urlaub fuhren. Die evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg verzeichnet innerhalb der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) seit Jahren die höchste Zahl an Kirchenaustritten. Von Mai 1970 bis Ende 1977 traten 323.000 Mitglieder aus der Kirche aus, 1978 waren es allein 10.657 Personen. Von 12.789 Eheschließungen im Jahre 1978 wurden nur 1634 vor dem Traualtar beschlossen. Weihnachten 1978 konnte die evangelische Landeskirche ihren Mitarbeitern in Berlin lediglich eine Weihnachtsgeldpauschale von jeweils 1 000 Mark statt eines 13. Monatsgehalts zahlen. Selbst diese Summe mußte durch Staatszuschüsse abgedeckt werden. Die evangelische Kirche in Berlin zählt gegenwärtig nur noch rund eine Million Mitglieder. Die Zahl der Konfessionslosen dürfte bereits etwa die Hälfte betragen.
(317) Aug 1979. Nach Auskunft des Westberliner Senats können Teilnehmer am 86. Katholikentag im Juni 1980 in Berlin unter bestimmten Voraussetzungen Bildungsurlaub beantragen. Soweit Kirchentags-Seminare sich mit der staatsbürgerlichen und politischen Mitarbeit in Staat und Gesellschaft sowie mit beruflichen Fragen beschäftigten, könnten Antragsteller, die nicht älter als 25 Jahre seien, mit der Gewährung von Bildungsurlaub rechnen. Beschäftigte des Landes Berlin erhielten ohne Altersbegrenzung auch dann Sonderurlaub, wenn die Bedingungen des Bildungsurlaubsgesetzes nicht erfüllt seien.

Italien

(318) Aug 1979. Junge Faschisten aus Frankreich, Belgien, der BRD und Italien werden nach einem Bericht der Zeitschrift L'Espresso im Lager Maituk der libanesischen Kataib-Partei paramilitärisch ausgebildet. Das Lager liege neben einem Kloster, das bis vor kurzem den maronitischen Mönchen des rechtsradikalen Paters Qassis gehörte. Während des libanesischen Bürgerkriegs sei dieses Kloster mit Zustimmung des Paters in ein Waffenlager der Kataib-Partei verwandelt worden. Pater Oassis ist kürzlich von Papst Johannes Paul II. im Vatikan empfangen worden.
(319) Aug 1979. Während sich der Chefarzt des Krankenhauses "lncurabili" (das heißt "unheilbar"!) in Neapel sich bei anderen Krankenhäusern in aller Eile Brutkästen für die in seinem Haus geborenen Achtlinge zusammenbetteln mußte, traf die Kirche gründlichere geistliche Vorsorge: Sie ließ durch einen Kaplan alle acht Babies taufen, bevor das erste von ihnen starb.

Schweiz

(320) Jun 1979. Die protestantische theologische Fakultät der Universität Genf schlug vor, die Präambel der neuen Bundesverfassung wie folgt zu beginnen: "Im Namen Gottes, Quelle und Grenze aller Macht, Amen." Diese Einleitung soll die bisherige Formel "Im Namen Gottes des Allmächtigen" ersetzen.

Nordamerika

USA

(321) Aug 1979. Zwei Millionen Dollar Schadenersatz hat die "Scientology Church" nach dem Urteil eines Gerichts in Portland (Oregon) an ein ehemaliges Sektenmitglied zu zahlen. Die 21jährige Klägerin hatte nach zweijähriger Zugehörigkeit die "Scientology Kirche" wieder verlassen und diese wegen falscher Versprechungen vor Gericht gebracht. Die Klägerin machte geltend, durch die "Scientology"-Mitgliedschaft keinesfalls höhere Kreativität und Intelligenz erlangt oder bessere Schulergebnisse erzielt zu haben. Statt dessen sei sie in seelische Not geraten. Die Sekte hatte sich mit dem Hinweis auf den religiösen Schutzparagraphen in der US-Verfassung vergeblich um eine Annullierung des Prozesses bemüht.

Asien und Ozeanien

VR China

(322) Jul 1979. Der bisherige katholische Pfarrer der Pekinger "Kirche zur Unbefleckten Empfängnis", Fu Ti-shan, wurde von der Synode des "Verbandes der patriotischen Katholiken" der Diözese Peking zum neuen Bischof gewählt. Der 47 Jahre alte Oberhirte ist Nachfolger des 1978 verstorbenen Wang Tschi-ting. Bischof Fu soll von drei anderen chinesischen Diözesanbischöfen geweiht werden. Die Bischofsernennungen werden ebenso wie der 1957 gegründete "Verband patriotischer Katholiken" vom Vatikan bisher nicht anerkannt. Eine spätere Einigung erscheint jedoch nicht ausgeschlossen. Gegenwärtig will sich der päpstliche Stuhl seinen Handlungsspielraum für etwaige Verhandlungen mit der Pekinger Regierung offen halten und keine Vorleistungen - etwa in Anerkennung des genannten Verbandes - erbringen. - In Kürze werden in Kanton eine katholische Kathedrale und eine protestantische Kirche, die während der Kulturrevolution geschlossen worden waren und gegenwärtig renoviert werden, wieder eröffnet.
(323) Sep 1979. Ministerpräsident Hua Kuo-feng wird bei seinem offiziellen Besuch Italiens im November möglicherweise auch mit Papst Johannes Paul II. im Vatikan zusammentreffen. Italienische Zeitungen berichteten, daß entsprechende Vorbereitungen angelaufen seien.

Australien

(324) Aug 1979. Ein unter strengen Sicherheitsvorkehrungen tagendes Gericht in Sydney hat drei Angehörige der aus Indien stammenden Sekte Ananda Marga zu je 16 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Richter hielten die 24 bis 26 Jahre alten Angeklagten für überführt, einen Bombenanschlag auf den Führer der australischen "Nationalen Front" und dessen Familie geplant zu haben.

Vatikan

(325) Jul 1979. In einem Mahnschreiben der päpstlichen Glaubenskongregation an die Bischöfe in aller Welt heißt es: "Die Kirche glaubt, indem sie am Neuen Testament und an der Überlieferung treu festhält, an die Seligkeit der Gerechten, die einmal bei Christi sein werden. Ebenso glaubt sie, daß eine ewige Strafe den Sünder so trifft, daß er der Anschauung Gottes beraubt wird und daß die Auswirkung dieser Strafe das ganze Sein des Sünders erfaßt. Was aber die Auserwählten betrifft, so glaubt sie, daß vor der Anschauung Gottes eine Reinigung stattfinden kann, die jedoch von der Strafe der Verdammten völlig verschieden ist." (vgl. Der Spiegel Nr. 35 vom 27. August 1979.)
(326) Aug/Sep/Okt 1979. Am 19.August 1979 erklärte Johannes Paul II. in Calstelgandolfo: "Wir sind bereit, alles mögliche zu unternehmen, um eine Annäherung an China zu erreichen." Nach Maos Tod sind die Voraussetzungen dafür günstig. Besonders die Jesuiten betätigen sich gegenwärtig als Vermittler zwischen Rom und Peking. So war Jesuitenpater Michel Chu, der in Schanghai geboren wurde und heute französischer Staatsbürger ist, in geheimer Mission in der chinesischen Hauptstadt. Chu ist für die chinesisch-sprachigen Sendungen von Radio Vatikan verantwortlich. - Jesuitengeneral Pedro Arrupe traf in den Albaner Bergen mit dem neuernannten Kardinaistaatssekretär Casaroli zusammen. Am 4. September 1979 wurde Arrupe vom Papst empfangen. Beidemal ging es um das Thema China. - In aller Stille bildet die dem Jesuitenorden gehörende Universität in Massachusetts zwei Dutzend Priester aller Nationen für den Einsatz in China aus. - Der in London lebende Exilpole Leszek Kolakowski wurde von Johannes Paul II. in der Frage konsultiert, wie die Chancen für die katholische Kirche in den Ostblockländern stünden, wenn eine Annäherung des Vatikans an China zustandekäme. - Der Botschafter Formosas beim päpstlichen Stuhl hat sich seit der Wahl Woitylas vergeblich bemüht, vom Vatikan die Garantie dafür zu erlangen, daß der neue Papst die diplomatischen Beziehungen zu seinem Land auch in Zukunft aufrechterhält. (vgl. Frankfurter Rundschau vom 11. Oktober 1979.)
(327) Okt 1979. Auf einer Generalaudienz hat Johannes Paul II. erneut die "angestammte Rolle" der Frau in der römisch-katholischen Kirche betont, die von den Frauen mit all ihrer Kraft zu Glauben und Milde ausgefüllt werden müßte.
(328) Nov 1979. Die Zeit des "nachkonziliaren Experimentierens" erklärte Papst Johannes Paul II. bei der in Rom tagenden Internationalen Konferenz für Ordensoberinnen als abgeschlossen. "Der Zeitpunkt ist gekommen, die unternommenen Versuche objektiv und demütig zu beurteilen, um die positiven Elemente und die eventuellen Verirrungen zu erkennen und eine von der Kirche approbierte stabile Lebensregel vorzubereiten."
(329) Nov 1979. 30 Theologen - Mitarbeiter der internationalen theologischen Zeitschrift Concilium - haben gegen die von der vatikanischen Glaubenskongregation (früher: "Heilige Inquisition" und "Heiliges Offizium" - MIZ) ausgesprochenen "kirchlichen Sanktionen, die gegenwärtig Theologen in Europa und Amerika drohen und andere Theologen bereits getroffen haben", protestiert. "Man kann nicht einseitig von Rom aus über die Verurteilung eines Theologen und sogar über seine zukünftige kirchliche Stellung befinden", heißt es in der Erklärung. Es gebe "Vorposten im Dienst des Glaubens heute, die insbesondere im Dialog mit den Humanwissenschaften schwer zu halten sind ... Ein gewaltsames Eingreifen verhärtet die Positionen und blockiert Entwicklungen." Zu den deutschsprachigen Unterzeichnern gehören Hans Küng, Norbert Greinacher und Johann Baptist Metz.
(330) Nov 1979. Papst Johannes Paul II. bezeichnete die Überwindung des Hungers vor 1500 Delegierten der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in Rom zwar als "schwerstes und dringlichstes Problem". Über die Ursachen des Hungers und Möglichkeiten zu seiner Beseitigung schwieg er sich jedoch aus. Der Papst verwies allgemein auf die "Menschenrechte" und setzte sich für eine nicht näher definierte "neue Wirtschaftsordnung" ein, da die "Ausfuhr industrieller Modelle und Ideologien der entwickelten Länder" genausowenig ausreichten wie Spenden aus Überschüssen und Nothilfe in Katastrophenfällen. Indirekt macht das katholische Oberhaupt den Kommunismus für den Hunger verantwortlich, denn dieses Übel sei auch "auf den Menschen selbst, die Mängel der sozialen Organisation, die die persönliche Initiative behindern, ja sogar auf den Schrecken und die Unterdrückung ideologischer Systeme und unmenschlicher Praktiken" zurückzuführen. Der Mensch "lebt nicht vom Brot allein", also müßten die Entwicklungsprogramme auf die religiösen und spirituellen Werte der Völker Rücksicht nehmen. Die technische Entwicklung sei nicht alles.
(331) Nov 1979. 337 Jahre nach dem Tod Galileo Galileis (8. Januar 1642) und 346 Jahre nach dem von der lnquisition unter Androhung der Folter erzwungenen Widerruf (1633) von Galileis Erkenntnis, daß die Sonne und nicht die Erde Mittelpunkt unseres Universums ist, wurde der berühmte Naturforscher von Johannes Paul II. "öffentlich rehabilitiert". Der Papst erklärte anläßlich des 100. Jahrestages der Geburt von Albert Einstein in der päpstlichen Akademie in Rom, daß Galilei zu Unrecht unter den damaligen "Organen" der Kirche gelitten hätte. - Erst 1835 waren Galileis verbotene Werke vom Index der katholischen Kirche gestrichen worden.
(332) Nov 1979. Auf einer von Johannes Paul II. einberufenen Sonderversammlung des Kardinalskollegiums in Rom soll über die Finanzen des Vatikans gesprochen worden sein. Angeblich beträgt das Defizit im Jahresbudget des Vatikanstaats rund 22 bis 33 Millionen Mark. Die genauen Zahlen bleiben nach wie vor streng geheim. Über die Einnahmen und Ausgaben der Weltkirche sowie über den Wert des vatikanischen Anlagekapitals liegen überhaupt keine Angaben von katholischer Seite vor.

Osteuropa

DDR

(333) Aug 1979. Das kirchliche Leben in der DDR vollzieht sich nach den Worten des Ost-CDU-Vorsitzenden Götting "in normalen Bahnen". Nach Göttings Angaben werden aus dem Staatshaushalt (!) für die Besoldung der evangelischen Geistlichen und des evangelischen Kirchenpersonals jährlich rund zwölf Millionen Ostmark zur Verfügung gestellt. Für 500 Studenten an sechs Universitätssektionen für evangelische Theologie gibt der kommunistische Staat jährlich vier Millionen Mark aus. 2,2 Millionen Mark werden pro Jahr für die Erhaltung und den Wiederaufbau von evangelischen Kirchen aufgewendet. Die Staatszuschüsse für kirchliche Pflegeheime und Krankenhäuser bezeichnete Götting als "beträchtlich". Der kirchliche Verwaltungsapparat in der DDR einschließlich der Pfarrerbesoldung erhält jährlich umfangreiche finanzielle Zuschüsse von den westdeutschen Landeskirchen und von der Evangelischen Kirche in Deutschland (vgl. Der Tagesspiegel vom 9. August 1979).
(334) Sep 1979. Die Synode des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR, das gemeinsame Kirchenparlament der evangelischen Christen, hat die Eisenacher Empfehlungen vom Januar 1979 zur Gründung einer Vereinigten Evangelischen Kirche "in der Tendenz bejaht". Danach sollen die drei in der DDR bestehenden Kirchenzusammenschlüsse - der Bund der Evangelischen Kirchen, die Evangelische Kirche der Union und die Vereinigte evangelisch-lutherische Kirche - mit ihren unterschiedlichen Bekenntnissen zu einer neuen Kirche zusammengefaßt werden. Bischof Schönherr von Berlin-Brandenburg (Ost) äußerte in einer Pressekonferenz, in den "heiligen Büchern" des Marxismus-Leninismus sei das Absterben der Kirchen festgelegt. Nur sei die Frage, wann das geschehe. Da man den Zeitpunkt des Sterbens der Kirchen wohl nicht erleben werde, gelte es jetzt, sich für die Zwischenzeit einzurichten. Der Staat DDR biete die Möglichkeit des Miteinander an. Zusammenarbeit sei aber auf Dauer nur möglich, wenn man sich auch über die Grundlagen unterhalte. "Das muß noch kommen. Das geschieht schon", erklärte Schönherr.

Polen

(335) Sep 1979. Die katholischen Bischöfe protestierten in einem Hirtenbrief erneut gegen die gesetzlich erlaubte Unterbrechung der Schwangerschaften und gegen alle künstlichen Mittel zur Schwangerschaftsverhütung. Sie kritisierten die Regierung wegen ihres "programmierten Atheismus" in der Kindererziehung. Ärzte und Krankenschwestern werden aufgefordert, keine Abtreibungen vorzunehmen. Die staatlichen Gesetze sollten nach Meinung der Bischöfe "unverzüglich als ungerecht widerrufen werden". "Die Kirche lehrt, daß der Mensch nicht Gesetzen gehorchen soll, die in ihrem Wesen unmoralisch sind."
(336) Nov 1979. Nach dem Besuch von Papst Johannes Paul II. in Polen hat sich das Verhältnis der katholischen Kirche zu den evangelischen Minderheitskirchen verschlechtert. Nach Informationen des Evangelischen Pressedienstes (epd) sei am ersten Tag des Papstbesuches die evangelische Kirche in Baranowo (Hoverbeck) in Masuren von Katholiken besetzt worden. Dort hätten die Eindringlinge sofort ein Marienbild und einen Adler mit Krone angebracht. - Eine weitere Besetzung wird aus Spychowo (Puppen) bei Szcytno (Ortelsburg) gemeldet. Hier seien im Oktober 1979 ein lutherischer Pfarrer mit kleiner Gemeinde nach der Predigt vor der Kirchentür von einem katholischen Priester und einer Menschengruppe empfangen worden. Die Katholiken hätten die Lutheraner am Verschließen ihrer Kirche gehindert, ihnen die Schlüssel abgenommen, seien darauf selbst in die evangelische Kirche eingedrungen, hätten einen mitgebrachten Altar aufgebaut und das Haus vor den Augen seiner evangelischen Eigentümer wieder verschlossen. - Die letztgenannte Kirche, die erst vor kurzem mit Hilfe westdeutscher Gemeinden vollständig renoviert worden war, ist jetzt römisch-katholisch.