1978 - Meldungen 131-141

Westeuropa

Italien

• (131) Jan 1978. Die italienische Polizei zerschlug eine römische "Geldwäscherzentrale", deren Kuriere Milliarden "schmutziger", aus Entführungsfällen stammender Lire im Tessin gegen Schweizer Franken eingetauscht hatten. Eine "Bank" der Geldwäscher in Rom verfügte laut Aussage eines italienischen Beamten über eine Wechselkapazität bis zu 20 Milliarden Lire (50 Millionen Mark). Unter den ausgehobenen Geldwäschern, die ihr Geschäft im Mafia-Stil betrieben, befanden sich ein Reeder, ein Ex-Präfekt, ein früherer Kripo-Chef und ein katholischer Ordensgeistlicher.

Norwegen

• (132) Feb 1978. In einem Dorf unweit von Bergen versuchten zehn Männer, in der Mehrzahl lutherische Geistliche, einer jungen Studentin den "Teufel auszutreiben". Vor Journalisten berichtete die junge Frau, sie habe unter seelischen Störungen gelitten. Während ihres Studiums in Bergen habe ihr der Jugendsekretär der Lutherischen Inneren Mission erklärt, sie sei von Dämonen besessen. Im November 1977 hätten sie im Dorf Os mehrere Pfarrer exorzisiert. Sie sei so verängstigt gewesen; daß sie sich vorher das Leben nehmen wollte. Bei der "Teufelsaustreibung" seien zehn Dämonen ausgetrieben, nachdem man ihr den Mund gewaltsam geöffnet hatte.

Schweiz

• (133) Dez 1977. Die vom "Aktionskomitee für die Trennung von Staat und Kirche" initiierte Volksabstimmung im Kanton Zürich erbrachte ein Stimmenverhältnis von 227.808 zu 82.560 gegen das Trennungsprinzip. Angesichts des starken Widerstandes der Amtskirchen und staatlichen Behörden bei der Vorbereitung und Durchführung des Referendums ist das Abstimmungsergebnis als großer Erfolg des Aktionskomitees zu werten. Ähnliche Volksabstimmungen in anderen Kantonen sollen folgen.

• (134) Feb 1978. Sprecher des "Internationalen Bundes der Konfessionslosen" und des eidgenössischen "Aktionskomitees für die Trennung von Staat und Kirche" stellten in Zürich übereinstimmend fest, daß nur durch sachlich-kritische Aufklärung und Information ein allmählicher Bewußtseinswandel zugunsten des Trennungsprinzips herbeigeführt werden könne. Beide Vereinigungen werden künftig eng zusammenarbeiten.

• (135) Feb 1978. Die "Stiftung Studienbibliothek für die Geschichte der Arbeiterbewegung" (Sitz Zürich) und der "Internationale Bund der Konfessionslosen" (Sitz Berlin) kamen in Zürich überein, ihre Kontakte nicht nur auf den Austausch von Publikationen zu beschränken. So wollen sich beide Partner beim Ausbau der Archive gegenseitig unterstützen sowie ihre Erfahrungen und Resultate regelmäßig austauschen.

• (136) Mrz 1978. Die Präambel der neuen eidgenössischen Bundesverfassung beginnt mit der Formel: "Im Namen Gottes des Allmächtigen ..." Verfasser der Präambel ist der als progressiv geltende Professor für deutsche Literatur an der ETH Zürich, Adolf Muschg. In der Tat vom 4.März 1978 kommentierte Muschg: "Der Name Gottes ist im neuen Entwurf nicht die Garantie der schweizerischen Nation, sondern ein Signal menschlicher Würde ... Die ergänzenden Sätze zur Gottesanrufung zeigen an, daß die Verfassung den Bürger nur dann binden kann, wenn sie selbst an eine Grenze gebunden bleibt."

Österreich

• (137) Dez 1977. In Wien wurde der "Verein zur Förderung christlicher Medienarbeit" gegründet. Gründungsmitglieder sind die Katholische Männerbewegung, die Katholische Frauenbewegung, das Katholische Zentrum für Massenkommunikation, die Gemeinschaft katholischer Zeitungsverlage, der Styria Verlag, der oberösterreichische Landesverlag, die Verlagsanstalt Tyrolia, die Furche GmbH und das niederösterreichische Pressehaus. Der Verein will im Bereich der neuen elektronischen Telekommunikationsformen (Kabelfernsehen, Bildschirmzeitung) eine repräsentative und "schlagkräftige" Organisation aufbauen.

Lateinamerika

Brasilien

• (138) Feb 1978. 72 Stunden lang war die 16jährige Eliana Barbosa an einem Kreuz festgebunden, um auf Erlösung vom "Teufel und von bösen Geistern" zu warten. Tausende Schaulustige verfolgten diese Art von Exorzismus auf dem Cavera-Berg im südbrasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul, darunter Anhänger der fanatischen Sekte "Pfingstkirche für den universellen Kreuzzug". Fünf Polizisten der nahen Kleinstadt Alegrete beobachteten das Martyrium, griffen jedoch ebenso wie der Polizeipräfekt nicht ein. Das Mädchen hatte nach eigenen Angaben am 30.Januar 1978 eine "Vision". Ein "Heiliger" habe ihr geraten, sie könne sich von den "bösen Geistern" nur wieder befreien, wenn sie sich drei Tage öffentlich ans Kreuz schlagen lasse. Eliana Barbosa trug das Holzkreuz den Berg hinauf, ließ sich daran festbinden und von ihrem Vater die Handflächen mit einem Messer aufritzen, da Festnageln polizeilich nicht "erlaubt" worden war.

Asien

VR China

• (139) Feb/Mrz 1978.Der Fünfte Nationale Volkskongreß in Peking billigte die neue Verfassung, die u.a. das Grundrecht der Religionsfreiheit enthält. Die seit 1970 an erster Stelle genannte Verpflichtung, die Führung der KP Chinas zu unterstützen, ist weggefallen. Unter den Delegierten der parallel zum Volkskongreß tagenden Politischen Konsultativkonferenz befanden sich neben buddhistischen und muslimischen Würdenträgern sowie tibetanischen Lamas auch 18 Vertreter christlicher Kirchen, darunter: Prälat Ignacius P'i-Shu-Shih, seit 16 Jahren "verschollen", einer der letzten, 1949 von Rom ernannten Bischöfe, Erzbischof von Sheng-yang, Mukden und Fengtien sowie Präsident der "Patriotischen Vereinigung Chinesischer Katholiken"; ferner Prälat Ciang Chia Shu, der 1960 ohne Zustimmung des Vatikans in sein Amt als Erzbischof von Schanghai eingesetzt worden war sowie Prälat Ting Kuang-Hsun, protestantischer Bischof und früherer Präsident des Theologischen Seminars in Nanking. Zur gleichen Zeit besuchten erstmals einheimische Chinesen die Sonntagsmesse in der katholischen Sankt-Josephs-Kirche in Peking (vgl. Tages-Anzeiger Zürich, Nr.50 vom 1.März 1978; Informationsdienst der Katholischen Nachrichten Agentur, Nr.10 vom 9.März 1978). Die von Papst Paul Vl." seit Jahren gehegte Hoffnung, mit den chinesischen Machthabern ins Gespräch zu kommen, hat neue Nahrung erhalten ... Jetzt scheint sich das Klima zu wandeln. Gutunterrichtete römische Kreise wollen wissen, daß im April (1978) ein katholischer Laie, dessen Name geheimgehalten wird, erstmals mit den neuen Machthabern in Peking über Religionsfragen sprechen wird - in offiziösem vatikanischen Auftrag." (In: Informationsdienst der KNA, Nr. 10 vom 9. März 1978; vgl. dazu MIZ Nr. 4/77, Internationale Rundschau, Meldung Nr. 111.) (...)

Vatikan

• (140) Jun 1978. Das Sekretariat für die Nichtglaubenden (Präfekt: Kardinal Franz König, Wien) veröffentlichte eine Studie über das Phänomen der "religiösen Gleichgültigkeit". Darin wird die Frage gestellt, "welche neue Form die Institution erhalten muß, um auf die Herausforderung der Zukunft antworten zu können". Eine "radikale Änderung unserer sensualistischen Kultur" müsse zu einer "Wiederentdeckung des Heiligen" führen.

• (141) Aug 1978. Am 26. August 1978 wurde der Italiener Albino Luciani als 264. Nachfolger auf dem "Stuhl Petri" zum neuen Papst Johannes Paul I. gewählt. Luciani wurde am 17. Oktober 1912 im venetianischen Canale d'Agordo (Provinz Belluno) geboren. Wie viele Einwohner der rückständigen, noch heute unterentwickelten Region mußte sich der Vater Lucianis - ein engagierter Sozialist - sein Geld als Gelegenheits- und Saisonarbeiter im Ausland (Argentinien, Deutschland) verdienen. Klassenkämpferische Auseinandersetzungen traten an die Stelle altvenitianischer Volksfrömmigkeit, Kirchentreue und konservativer Gesinnung. Die katholischen Bauernsöhne Venetiens, die in der Zeit der Gegenreformation und in den Revolutionen des 19. Jahrhunderts eine wertvolle Stütze der römisch-katholischen Kirche gewesen waren, erwachten aus ihrer politischen Lethargie. Viele Einwohner von Canale d'Agordo hatten seit Generationen mangels anderer Berufsmöglichkeiten die Priesterlaufbahn eingeschlagen, waren in die Mission oder in die Klöster gegangen. Nicht anders Albino Luciani. Er studierte Theologie und Philosophie in Feltre und Belluno. Am 7.Juli 1937 wurde er zum Priester geweiht. Seine Doktorarbeit an der Gregorianischen Universität in Rom galt dem umstrittenen Religionsphilosophen Antonio Rosinini, der im 19. Jahrhundert den Brückenschlag von Kant zum Katholizismus versucht hatte und deswegen mit einer Kirchenstrafe belegt worden war. Nach kurzem römischen Aufenthalt kehrte Luciani in das heimatliche Bistum Belluno zurück, wo er an seinem Heimatort als Religionslehrer und Kaplan wirkte. Von 1937 bis 1947 bekleidete er ferner den Posten des stellvertretenden Vizerektors und eines Professors für Dogmatik, Moraltheologie, kanonisches Recht und kirchliche Kunst am Seminar von Belluno. Er wurde Sekretär der Diözesansynode und suchte ständigen Kontakt zu den Geistlichen in den abgelegenen Bergdörfern. 1948 wurde er Provikar, 1954 Generalvikar der Diözese; außerdem Leiter des Amtes für Katechese. Er gehörte zu den ersten Priestern, die von Papst Johannes XXIII. im Petersdom zu Bischöfen geweiht wurden. Luciani wurde die Diözese Vittorio Veneto übertragen. Hier richtete er sein Hauptaugenmerk auf die Betreuung der Armen, auf die Caritasarbeit und praktizierte Sozialhilfe christlich-konservativer Prägung. Er war Teilnehmer am II. Vatikanum, ohne hier die Reformbewegung besonders zu unterstützen. Von 1972 bis 1975 war Luciani Vizepräsident der Italienischen Bischofskonferenz. 1969 ernannte ihn Papst Paul Vl. nach elfjähriger Tätigkeit in Vittorio Veneto zum Patriarchen von Venedig. In diesem Amt kämpfte Luciani kompromißlos gegen die atheistische Komponente in der historischen Arbeiterbewegung und gegen das Experiment der Arbeiterpriester. Er verbot einen katholischen Studentenverband, der Abtreibung und Ehescheidung auf seine Fahnen geschrieben hatte. Gleichzeitig wandte er sich gegen den "christlichen Atheismus", d.h. die religiöse Gleichgültigkeit unter den Taufscheinchristen. Im März 1973 wurde er Kardinal. Seine Vermittlungsversuche in harten Arbeitskämpfen und Streiks der Arbeiterschaft von Mestre und Marghera blieben erfolglos. In den Wahlkampfjahren 1975/76 kämpfte Luciani entschlossen gegen Kommunisten und Sozialisten sowie gegen alle Priester, die mit beiden Bewegungen sympathisierten. Luciani trat im Scheidungsreferendum als Verfechter der Unauflöslichkeit der Ehe auf und wehrte sich gegen die Legalisierung des Schwangerschaftsabbruchs, ebenso gegen eine Einführung des weiblichen Priesteramtes. - Luciani gilt als fester Verteidiger und Bewahrer der überlieferten katholischen Glaubens- und Sittenlehren. Immer wieder verweist er auf die "unverzichtbaren Dogmen".

  Mit Johannes Paul I. ist ein Mann zum Papst gewählt worden, der das Dogmengebäude der katholischen Kirche durch "Spiritualität" und Volksfrömmigkeit" als "guter Hirte" und "Seelsorger der Armen" ins 21. Jahrhundert hinüberretten soll. Über die diplomatische Tätigkeit des Vatikans durfte die Öffentlichkeit in Zukunft noch weniger als bisher erfahren.