1985 - Meldungen 715-747

1985 - Meldungen 715-747 rhartmann Mi, 1997-12-31 09:00

Europa

Bundesrepublik Deutschland

(715) Hamburg. Buddhisten und Moslems haben sich in jüngster Zeit stärker als bisher organisiert. Während die 20 000 deutschen und die 35 000 in der BRD lebenden ausländischen Buddhisten durch Gründung einer "Buddhistischen Religionsgemeinschaft" (BRG) hauptsächlich die Voraussetzung für eine Anerkennung als öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft schaffen wollen, geht es den Moslems um mehr: Das kürzlich gegründete "Büro für die Verkündigung und Ausbreitung des Islam im deutschsprachigen Raum" ist streng fundamentalistisch ausgerichtet und orientiert sich an den Traditionen der islamischen Urgemeinde im Raum Medina. Religion und Politik werden als "unlösbare Einheit" angesehen. Bislang sind nach Mitteilung der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen nur etwa 2 000 Deutsche aus freien Stücken zum Islam übergetreten. Hinzu kommen allerdings etwa 30 000 mit Moslems verheiratete und deshalb zum Islam übergetretene Ehefrauen sowie etwa 7 000 eingebürgerte Ausländer zusammen also etwa 40 000 Moslems deutscher Staatsangehörigkeit. (Süddeutsche Zeitung, 7.9.1985, und Deutsche Tagespost, 16.8.1985.)
(716) Hamburg. Mehrere Bundesländer erwägen die Einführung eines islamischen Religionsunterrichts, um den fundamentalistischen "Koranschulen" entgegenzuwirken, obwohl die verschiedenen, kaum durchorganisierten islamischen Gruppen keinen öffentlich-rechtlichen Status haben. Von den etwa 700 000 Moslemkindern (davon 650 000 Türken) erhalten die meisten keinen Religionsunterricht, jedoch besucht etwa die Hälfte die Koranschulen, die in der Türkei in dieser Form verboten sind. (Süddeutsche Zeitung, 20.8.1985.)
(717) Bogen/Niederbayern. Der katholische Pfarrer des Ortes verhinderte bei der Bezirksregierung eine Unterbringung von 20 ghanesischen Asylanten katholischen (!) Glaubens. Der Pfarrer wollte, "daß die Klosterkirche einen sauberen Eingang hat", und äußerte die Befürchtung, "liturgische Handlungen könnten gestört werden". Auch der Bürgermeister schloß sich der Auffassung an, "daß Arbeitslose, die da sitzen, keinen guten Eindruck machen". Der Geistliche ließ immerhin wissen, er werde "hellhäutige Asylanten" akzeptieren. Eine Mitarbeiterin bestätigte: "Die Ghanesen werden abgelehnt, weil sie so furchtbar schwarz sind." Nunmehr sucht der Sachbearbeiter der Bezirksregierung im Austausch gegen die Schwarzen nach mittelbraunen Asylanten". (Süddeutsche Zeitung, 23.8.1985.)
(718) Augsburg. Das Bischöfliche Ordinariat Augsburg hat zugegeben, daß Frauen bei Einstellung in einen kirchlichen Dienst nach einer bestehenden Schwangerschaft gefragt werden. Die SPD-Landtagsfraktion schrieb in ihrem Pressedienst, gerade die Kirche müsse alles unterlassen, was Schwangere benachteilige und ihre Einstellungschancen zum Beispiel bei der Caritas mindere. Die Bischöfliche Finanzkammer, die zur Antwort mehr als einen Monat brauchte, räumte ein, daß die Frage nach einer Schwangerschaft juristisch umstritten sei. Auf moralische Bedenken ging sie nicht ein. Sie verteidigte die kirchliche Praxis mit dem Hinweis, daß man bei Schwerbehinderten(!) ja ebenso verfahren dürfe "im Hinblick auf die besonderen gesetzlichen Verpflichtungen, die dem Arbeitgeber durch die Beschäftigung Schwerbehinderter entstehen. Auch für Schutz im Interesse der Mutter und des werdenden Lebens, so daß für den Arbeitgeber die Kenntnis der Schwangerschaft notwendig ist." Nach diesem zynischen Eingeständnis über den Zweck der Befragung fährt die Finanzkammer groteskerweise fort: "Im übrigen unterstellen Sie in Ihrem Schreiben nachteilige Folgen für die Bewerberin bei Beantwortung der Frage nach der Schwangerschaft, die Sie nicht beweisen können." (Augsburger Allgemeine, 24.8.1985.)
(719) Regensburg. In einem Artikel für die Offertenzeitung für die katholische Geistlichkeit Deutschlands sprach sich Altbischof Gräber gegen das "demokratische Prinzip" in der Kirche aus. Es gebe in ihr eine Autorität, "die von oben kommt und die nicht kapitulieren darf vor gewissen Räten, die ihren Namen verleugnend - sich beschließende Vollmachten durch parlamentarische Abstimmungen zubilligen." Der ehemalige Regensburger Würdenträger qualifizierte das demokratische System auch im weltlichen Bereich als "überholt" und "rückschrittlich" ab. Die Welt habe die Brüchigkeit dieses Systems längst erkannt und bewege sich im übrigen auf eine einheitliche Zentralregierung zu. Die Wahrheit liege in der Mitte zwischen Diktatur und "reinem Demokratismus". (Deutsche Tagespost, 11.9.1985.)
(720) Frankfurt. Nach Auffassung des konservativen, aber durchaus scharfsinnigen Publizisten Johannes Gross läßt die Abtreibungsfrage "selbst ihre lautstärksten Gegner nicht unbefleckt": "Der Erzbischof Wetter von München hat die Vernichtung der Ungeborenen mit den Auschwitzmorden gleichgestellt. Der Vergleich ist schlechtweg unerlaubt. Angesichts der offensichtlichen Schwierigkeit, einem Mitglied des hohen Klerus genauere moralische Distinktionen zu erläutern, soll ein kleiner, zur Mäßigung mahnender Hinweis genügen: ein Unterschied zwischen Auschwitz und Abtreibung besteht darin, daß die Kirche gegen die Abtreibung mit allen Kräften und in aller Öffentlichkeit still gewesen ist." (Wochenendmagazin der FAZ vom 4.10.1985.)
(721) Hamm. Nach Angaben der Katholischen Sozialethischen Arbeitsstelle (KSA) der Deutschen Bischofskonferenz ist von den ca. 26,6 Millionen Katholiken in der BRD mehr als eine Million suchtkrank. Mit rund 5% liegt dieser Anteil über der von den Gesundheitsbehörden für die Gesamtbevölkerung ausgewiesenen Rate. Wo die Meinung herrsche, "ein gläubiger Christ dürfe nie krank sein", müsse "mit höherem Medikamentenverbrauch gerechnet werden". (Katholische Nachrichtenagentur, 5.10.1985.)
(722) Westberlin. Der Referent im Bischöflichen Ordinariat der katholischen Kirche im Westteil des Bistums Berlin, Heinschke, stellte unter Hinweis auf die steigende Zahl der Kirchenaustritte und auf sinkende Besucherzahlen in den Gottesdiensten fest, der Rückgang im kirchlichen Leben gehe "an die Substanz". Der Gottesdienstbesuch sei in den letzten 20 Jahren um die Hälfte zurückgegangen, die Zahl der Säuglingstaufen und der kirchlichen Trauungen sei um jeweils ein Drittel gesunken. Die Kirchenaustritte hätten sich zwischen 1967 und 1974 versechsfacht, gegenwärtig hätten sie sich bei jährlich 2500 eingependelt, die Zahl der Katholiken in Westberlin betrage 278.000. (Volksblatt Berlin vom 4.12.1985.)
(723) Koblenz/Freiburg. Die Kette von ins Gerede gekommenen kirchlichen Wohlfahrtsverbänden reißt nicht ab. Die konservativ-evangelische "Siloah-Mission" ließ einen großen Teil ihrer Spenden nicht etwa "Blinden und Aussätzigen" zugute kommen: Der Hamburger Professor Saake, führender Kopf der Spendensammler, erhielt ein fünfstelliges "Berater-Honorar". Außerdem betreibt er eine "Freie Universität Norddeutschland", deren Residenz "Siloah" kaufte. Gegen ihn sowie den "Missionsleiter" ermittelt die Staatsanwaltschaft Koblenz wegen Untreue und Steuerhinterziehung. Ein hessischer Lehrer bezog monatlich 3 000 "Honorar" im Monat, weil er in einem "Arbeitskreis Christlicher Publizisten" für das fromme Werk warb. Auch das Finanzgebaren der Caritas fand Kritik: "Solange die Caritas kein System der öffentlichen Abrechnung sowohl für die Gesamtbilanz als auch für Einzelaktionen gefunden hat: Spenden nicht empfohlen." So das Urteil des Experten Gerhard Müller-Werthmann im Kritischen Spenden-Ratgeber (Buchtitel: Markt der offenen Herzen). (Publik-Forum, 6.9.1985, KNA vom 9.10.1985.)
(724) Augsburg. Der umstrittene frühere Feldprediger und Militärbischof Kunst räumte bei der Entgegennahme des Augsburger Friedenspreises indirekt ein, daß die vorliegende Verletzung des Prinzips der Trennung von Staat und Kirche ohne Beispiel ist: "Die Stiftung des Rates der Stadt Augsburg ist der erste von einem säkularen Gemeinwesen stammende Preis in der Welt für einen ökumenischen (d.h. innerkirchlichen, d. Red.) Dienst." Im Laufe eines Gesprächs mit Jury-Mitgliedern und weltlichen wie geistlichen Würdenträgern wurde Kunst aufgefordert, er solle "seine Erinnerungen an ein bewegtes Leben in Kirche und Politik aufschreiben und der breiten Öffentlichkeit zugänglich machen." (Redemanuskript von Kunst vom 13.10.1985 und Evangelisches Gemeindeblatt Bayern, 27.10.1985.) Die MIZ-Redaktion schließt sich dieser Auforderung an und hofft, daß die "Erinnerungslücken" an die Zeit des Dritten Reichs kein allzu großes Ausmaß annehmen! (Vgl. auch MIZ 3/85 und diese Ausgabe.)
(725) Hildesheim. Das Bistum Hildesheim erwägt die Einführung einer "Ortskirchensteuer" zusätzlich zur bisherigen (Diözesan-) Kirchensteuer. Zunächst wurden die Pfarreien angewiesen, ihren Bedarf zu ermitteln. (Frankfurter Allgemeine Zeitung, 31.10.1985.)
(726) Hamburg. Das bislang relativ unabhängige "Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt" erhält eine veränderte Führung, in der die evangelische Kirche ein stärkeres Gewicht erhält. Das Blatt ist stark defizitär und wird von der EKD subventioniert. Die Wochenzeitung geriet in Mißkredit, als sie angesichts ihrer schwierigen finanziellen Situation zu fragwürdigen Methoden der Haustür- und "Drücker"werbung griff. (Evangelisches Gemeindeblatt Bayern, 3.11.1985.)
(727) München. "Katholikenrat als Diffamierungshelfer" betitelte die Süddeutsche Zeitung den Bericht über eine Kampagne gegen den vorgesehenen Chefarzt für Gynäkologie am Krankenhaus München-Herlaching, Professor Jonatha. Eine Ulmer Katholikin hatte vor der Staatsanwaltschaft behauptet, der Arzt habe in einem Seminar von einem illegalen Schwangerschaftsabbruch im siebten Monat gesprochen. Am 31.10. brachte Bild-München einen Artikel - über das Gerücht, wohlgemerkt. Am 2.11. veröffentlichte das ärztliche Standesorgan einen Leserbrief der Denunziantin mit den gesammelten Vorwürfen. Jonathas Anwalt erwirkte eine Einstweilige Verfügung gegen die fanatisierte Briefschreiberin, die unter dem Druck der Tatsachen am 5. 11. das Handtuch warf, alle Behauptungen zurückzog und sämtliche Verfahrenskosten übernehmen mußte. Dennoch fragte der Katholikenrat München einen Tag später den OB nach dem Fall, der bei "einem Großteil der Bevölkerung auf absolutes Unverständnis" stoße, und forderte ein neues Anhörungsverfahren zur Besetzung der Chefarztstelle. Keiner der Ankläger hielt es für nötig, Jonathas Erklärung vom 16. 10. mit zu veröffentlichen, in der er alle Vorwürfe sachlich widerlegt hatte, oder bei der Ulmer Staatsanwaltschaft anzufragen, die den Fall mittlerweile eingestellt hat. Auch eine Entschuldigung des Katholikenrats wurde nicht bekannt. (Süddeutsche Zeitung, 7. 11. 1985.) - Die Krone setzte dem Skandal die rechtsorientierte katholische Deutsche Tagespost auf, die noch am 8./9. 11., also drei Tage nach Rücknahme der üblen Nachrede, auf Seite 1 das Gerücht weiterverbreitete. Bis Redaktionsschluß der MIZ erfolgte in der Deutschen Tagesspost keine Richtigstellung.
(728) Ludwigsstadt/Unterfranken. Der evangelische "Sektenpfarrer" Haack teilte mit, daß Sektenmitglieder vielfach keineswegs die Großkirchen verlassen, sondern eine "offene und latente Doppelmitgliedschaft" in Kauf nehmen. Selbst in kleinen Orten würden oft mehr als hundert verschiedene Religionsformen angeboten. (Evangelisches Gemeindeblatt Bayern, 10.11.1985.)
(729) Göttingen. Der Landeskirchenvorstand der Evangelisch-Reformierten Kirche verschickte an seine Kirchengemeinden einen (nach Ansicht entsetzter Empfänger) nationalistischen und frauenfeindlichen Artikel aus dem Springer-Blatt Die Welt mit der Bitte, "das Anliegen dieses Artikels in der Gemeindearbeit deutlich (zu) machen". Der Autor des Beitrags beklagt "das Aussterben des deutschen Volkes" und fordert zur Steigerung der "Nettoreproduktionsrate" der Deutschen eine Rückkehr berufstätiger Frauen zu Heim und Herd. Es könne nicht gleichgültig sein, "ob die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland aus Deutschen oder zunehmend aus Türken besteht". (Frankfurter Rundschau, 12.11.1985.)
(730) Hannover. Der Rat der EKD hat einen gemeinsam mit dem Bund der Evangelischen Kirchen der DDR entworfenen Fürbitte-Text für die kirchliche Friedenswoche eigenmächtig geändert. Unter anderem fehlt ein ursprünglich vorgesehenes Schuldbekenntnis. Auch Hinweise auf "Raketensilos" und Weltraumrüstung entfielen. Während der bisherige Ratsvorsitzende Lohse "nur liturgische Gründe" angab, präzisierte der EKD-Rat diese "liturgischen Gründe" dahingehend, der erste Text klinge "zu sehr nach Kundgebung". Der DDR-Kirchenbund sah sich veranlaßt, die Korrektur nachzuvollziehen, und begründete dies seinen Pfarrern gegenüber mit einem "Übermittlungsfehler". Die evangelische "Aktion Sühnezeichen" erklärte dazu, hier sei "nachweisbar geworden, welchen Druck die EKD auf die Kirchen in der DDR ausübt." (Frankfurter Rundschau, 12.11.1985.)

Deutsche Demokratische Republik
(731) West-Berlin. Nach Mitteilungen des Westberliner "lnformationsbüros West" geben Kirchen und religiöse Vereinigungen in der DDR 34 Wochenzeitungen und Zeitschriften heraus. (Süddeutsche Zeitung, 3.10.1985.)

Schweiz

(732) Zürich. Der Sektengründer Swami Omkarananda, Oberhaupt des "Divine-Light-Zentrums" in Winterthur und wegen Sprengstoffanschlägen sowie weiterer Delikte 1979 zu 14 Jahren Gefängnis verurteilt, wurde nun vorzeitig entlassen, mußte aber die Schweiz sofort verlassen. Seine Anhänger wehrten sich zunächst erbittert gegen die Ausweisung und boten eine Kaution von 4 Millionen Franken (etwa 5 Millionen DM) und eine "Entschädigung" von 2000 Franken für jeden weiteren Tag Haft ihres Chefs in der Schweiz. Nunmehr läßt der "Erleuchtete" mit beträchtlichem finanziellem Aufwand in Nordindien einen Ashram mit angeschlossener Schule errichten. (Neue Züricher Zeitung, 31. 10. 1985 und Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8. 11. 1985.)

Österreich

(733) Wien. 1984 haben in Österreich 32 126 Personen die katholische, 2 920 die evangelische, 224 die altkatholische Kirche und 45 die anderen anerkannten Religionsgemeinschaften verlassen. Die Großkirchen schrumpften damit wiederum um 0,5%, gemessen an ihren Bevölkerungsanteilen.

Niederlande

(734) Amsterdam/Den Haag. Zum ersten Mal hat sich ein christliches Gremium für die Straffreiheit der aktiven Sterbehilfe (bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen) ausgesprochen. Ein Ausschuß der niederländischen reformierten Kirche legte der Synode ein Papier mit dem Titel "Euthanasie en Pastoraat" zur Beratung und späteren Verabschiedung vor. Zu einer ähnlichen Auffassung kam ein Beraterausschuß der niederländischen Regierung (vgl. Meldung 714 in dieser Ausgabe). (Publik-Forum, 9.8. 1985 und Humanes Leben - Humanes Sterben, 3/85, S. 1.)

Frankreich

(735) Paris. ln mehreren Artikeln analysierte Le Monde die Partei des französischen Rechtsextremisten Le Pen. Die angesehene Tageszeitung kam zu dem Schluß, Le Pen strebe eine "römische Diktatur" und eine "diskriminatorische Gesellschaft" auf der Basis einer "starren katholischen Moral" an. Wenige Tage später plädierte der vom Papst offenbar in Gnaden wieder aufgenommene Traditionalistenbischof Lefebvre in einem Interview mit der neofaschistischen (!) italienischen Zeitung Secolo d'italia für die Wahl der "Nationalen Front": "Gott sei Dank gibt es die Nationale Front." Ideal sei jedoch eine echt katholische Regierung wie in der Vergangenheit jene von Franco und Salazar. Unterdessen melden Lefebvres deutsche Parteigänger innerhalb der katholischen Kirche eine starke Ausweitung ihrer Präsenz. Dazu trug auch der Münsteraner Bischof Lettmann bei, der einigen seiner Priester offiziell das Zelebrieren der Messe im traditionellen tridentinischen Ritus erlaubte (vgl. MIZ 1/85, Meldung 610).

Republik Irland

(736) Dublin. Der irische Gesundheitsminister warf der katholischen Kirche vor, wegen des jetzt erlaubten Verkaufs von Verhütungsmitteln eine Kampagne mit dem Ziel seines Sturzes zu entfachen. Diese Kampagne, an der "die katholische Kirche durch ihre höchsten Stellen beteiligt" sei, resultiere aus einer "zwanghaften und besorgniserregenden Beschäftigung mit sexuellen Fragen von überwiegend zölibatären Männern". (Frankfurter Rundschau, 11.10.1985.)
(737) Knock. 106 Jahre nach einer angeblichen Marienerscheinung wurde in dem irischen Wallfahrtsort Knock ein 40 Millionen DM teurer Flughafen fertiggestellt. Nach dem Papstbesuch im Jubiläumsjahr 1979 zeigten sich die Politiker plötzlich zur Finanzierung des Projekts bereit. Da der Flughafen im dünnbesiedelten nordwestirischen Bergland aber keinerlei wirtschaftlichen Sinn hatte, stellte die Regierung die Förderung des "Knock-Nonsense" (so Ministerpräsident Fitz-Gerald) 1982 ein - nachdem die Vorgängerregierung schon über 35 Millionen DM an Steuergeldern dafür verpulvert hatte. Den Rest trieb der Ortspfarrer dann aus Privatspenden auf. (Frankfurter Rundschau, 28.10.1985.) Bis in die Neuzeit hinein konnte das religiöse Renommee eines Wallfahrtsortes seine wirtschaftliche oder auch militärische Bedeutung fördern oder gar begründen; päpstliche Entscheidungen konnten diesem Gesichtspunkt Rechnung tragen. Ob aber ein solches Phänomen im 20.Jahrhundert und in einer abgelegenen, nebligen Berggegend möglich oder wünschenswert ist, darüber hat - Irland hin, katholische Tradition her - letztlich der Sachverstand der Iren zu entscheiden.

Spanien

(738) Madrid. Der spanische Militärbischof Estepa Llaurens vertrat in einem Interview mit der Katholischen Nachrichten Agentur die Auffassung, Spanien verdanke (ausgerechnet, d. Red.) dem Militär den Übergang zur Demokratie. Der Bischof, der gemäß dem Franco-Konkordat von 1953 auch als Staatsbeamter dem Militär angehört, räumte ein, daß zwar 95% der Spanier katholisch sind, aber nur 30% von ihnen sonntags zur Kirche gehen. "Damit", so trumpfte er dann auf, "liegen wir in Westeuropa (immer noch) an der Spitze." (Katholische Nachrichten Agentur, 20.9.1985.)
(739) Madrid. Die katholische Kirche Spaniens erhält 1986 wie bisher eine direkte staatliche Zuwendung von 240 Millionen DM. Die geplante Einführung einer Kirchensteuer, gegen die sich vor allem Juden und Protestanten aussprechen, verzögert sich weiter. Diese Steuer soll ein Prozent der Einkommensteuer betragen; genau wie in Italien soll jeder Steuerbürger das Recht haben zu bestimmen, ob eine Religionsgemeinschaft oder eine gemeinnützige Wohlfahrtseinrichtung Empfänger sein soll. (Katholische Nachrichten Agentur, 23.10.1985.)

Asien

Philippinen

(740) Manila. Der philippinische Kardinal Jaime Sin hat zur Versöhnung der Kirche mit dem Diktator Marcos aufgerufen, dem von vielen Seiten brutale Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Staat und Kirche seien auf den Philippinen zwar getrennt, er wolle aber gemeinsam mit der Regierung für das "Wohlergehen" des Volkes arbeiten. Deshalb sei die Kirche bereit, auch diejenigen wieder aufzunehmen, die aus persönlicher Überzeugung Gewalt angewendet hätten. (Süddeutsche Zeitung, 7.10.1985.)

Afrika

Kenia

(741) Nairobi. Der kenianische Notenbankpräsident Ndegna hat die Haltung der katholischen Kirche zur Geburtenkontrolle scharf kritisiert. Es sei "unannehmbar, daß gewisse religiöse Organisationen sich gegen erprobte und sichere Mittel zum Bremsen des zu raschen Bevölkerungswachstums stellen". Afrika südlich des Äquators habe "die höchste Fruchtbarkeitsrate der Welt und den niedrigsten Verbrauch von Verhütungsmitteln". Bei der gegenwärtigen Geburtenrate würde Kenias Einwohnerzahl bis 2050 von 18 auf 180 Millionen steigen, was eine Verdopplung in jedem Vierteljahrhundert bedeutet. (Süddeutsche Zeitung, 14./15.9.1985.)

Südafrika

(742) Johannesburg. Was den Großkirchen in der BRD wegen angeblich "nicht gewährleisteter seelsorgerischer Betreuung der Soldaten" nicht möglich sein soll, wurde kürzlich von südafrikanischen Kirchen praktiziert: Nach der anglikanischen hat nun auch die katholische Kirche ihre Militärseelsorger aus der südafrikanischen Armee zurückgezogen. Dieser Schritt wurde mit dem "Ärger und Zorn der Bevölkerung über die anhaltende Besetzung der Wohngebiete Schwarzer durch die Sicherheitskräfte" begründet.

Lateinamerika

Kolumbien

(743) Bogotß. Die Erzdiözese Bogotß legt ihr Geld sicher und gewinnbringend an. Nachdem sie mit Investitionen bei US-Firmen, insbesondere beim Frikadellen- und "Hamburger"-Konzern "Burger-King" bislang beste Erfahrungen gemacht hat, steigt sie nun mit 25% bei der kolumbianischen Tochter der US-Mutter "First National City Bank" ein. Vorerst legt sie dabei 600 Millionen Pesos (13 Millionen DM) an. (Publik-Forum, 23.8.1985.)

Brasilien

(744) Rio de Janeiro. Die evangelische Kirche Brasiliens hat nach den Worten ihres neuen Präsidenten in den Jahren der Militärdiktatur schwer gesündigt. Führende Lutheraner hätten erst viel zu spät die durch das Militär verübten schweren Folterungen eingestanden. Ein so eindeutiges Schuldbekenntnis von seiten der katholischen Kirche Brasiliens ist nicht bekannt. Selbst der Sympathisant der "Befreiungstheologie", Kardinal Arns, sprach sich lediglich für eine "objektive und historische Erfassung" der Folterverbrechen, jedoch gegen eine Bestrafung der Schuldigen aus. José Queiros, Institutsdirektor an der Katholischen Universität in Sßo Paulo, bezeichnete die Gewalt sogar als "Teil der brasilianischen Kultur". Schwächere seien in Brasilien schon immer geschlagen oder auf andere Art mißhandelt worden. (Rheinischer Merkur und Frankfurter Allgemeine Zeitung, 14.9.1985.)

Vatikan

(745) Bei einer Audienz für den Automobilrennweltmeister Alain Prost äußerte sich der Papst nicht nur lobend über den Autorennsport, sondern auch über die Bereitschaft der Automobilfirmen, das Rennen in Südafrika trotz politischer Spannungen nicht zu boykottieren. (Tageszeitung, 6.12.1985.) Daß der Pontifex maximus die Profitmotive der geschäftstüchtigen Rennmanager sehr wohl kennt, darf man auch bei seinem etwas naiven Gemüt getrost annehmen. Gegen materialistischen Konsum und für den Schutz des Lebens einzutreten, ist in allgemein gehaltenen Sonntagsreden und -predigten allemal leichter als im konkreten Fall. Aber das allein wäre ja nichts Neues, dafür gab es schon zu viele ähnliche Beispiele. Wirklich aufschlußreich sind diese Äußerungen, weil sie zweifelsfrei beweisen, weicher Seite in Südafrika des Papstes ganz persönliche Sympathien gehören.
(746) Überaus kühl wurde der Papst in Indien empfangen. Obwohl der päpstliche Reisemarschall Befürchtungen über eine neue Missionierungswelle als "lächerlich" abtat, bestätigte der Pontifex maximus einige Tage später genau diesen Zweck. Ein prominenter Hindu bezeichnete den Papst als "einen westlichen Sektenführer". Auch die Beziehungen zur indischen Regierung blieben gespannt. Zwar wich Wojtyla dem Thema "Geburtenregelung" zunächst aus - da in Indien jede Minute ein Kind geboren wird, befürwortet die Regierung eine wirksame Geburtenkontrolle -, wies zum Abschluß aber auf Äußerungen Gandhis gegen die Sterilisation hin. (Selbst der KNA-Berichterstatter räumte aber ein, daß es damals noch keine Pille gab und die Methoden der Abtreibung und Sterilisation medizinisch nicht mit den heutigen vergleichbar waren.) Das indische Fernsehen berichtete über die Reise lediglich in den Nachrichtensendungen. Die Christen in Bhopal waren einer KNA-Meldung zufolge darüber enttäuscht, daß der Papst ihre von einer Giftgas-Katastrophe heimgesuchten Stadt nicht in sein Besuchsprogramm aufgenommen hatte. (Katholische Nachrichten Agentur, 24. und 29.1.; 2., 8., 10. und 11.2.1986, Süddeutsche Zeitung, 17.1.1986, DER SPIEGEL, 27.1.1986.)
(747) Nach Abschluß der Rechnungsprüfung wurde bekannt, daß von den Außenständen des Banco Ambrosiano in Höhe von 613 Millionen Dollar 196 Millionen Dollar nicht an die Gläubiger zurückgezahlt werden. Obwohl die Vatikan-Bank IOR die Haftung für die zusammengebrochene Bank hatte, war sie seinerzeit nur zur Begleichung eines Teils der Schulden bereit (vgl. MIZ 2/84, Meldungen 527 und 528). Fast gleichzeitig sah sich der Vatikan veranlaßt, die Entsendung des am Ambrosiano-Bankrotts beteiligten Erzbischofs und (nach wie vor) Chefs der Vatikanbank, Marcinkus, als Apostolischen Pro-Nuntius nach Großbritannien zurückzuziehen. Indiskretionen hatten in der britischen Öffentlichkeit für erhebliche Unruhe gesorgt. Gegen Marcinkus besteht in Italien Haftbefehl. (Süddeutsche Zeitung, 11./12.1.1986, Katholische Nachrichten Agentur, .7.1.1986.)