Schule und Weltanschauung

Aus: IBKA Rundbrief Mai 2004

Verfassungsbeschwerde in Brandenburg ohne Erfolg

Die Verfassungsklage, die gegen das geänderte Branden­burger Schulgesetz an­gestrengt wurde, ist nicht zur Ent­schei­dung angenommen worden. Die Ände­rung, die am 1. August 2002 in Kraft getreten war, setzte den Kompromissvor­schlag des Bundesverfassungsgerichtes zum Religi­onsunterricht um. Die Ver­fassungsklage wurde von 60 evangelischen Eltern und Schülern angestrengt, denen der Kom­promiss nicht weit genug ging. Ihr pauschaler Vorwurf richtete sich darauf, dass der Religionsunterricht in Branden­burg gegenüber dem Unterrichtsfach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) in mehrfacher Hinsicht benach­teiligt werde und nach wie vor kein ordentliches Lehrfach sei. Die Beschwerde war den Richtern jedoch nicht differenziert genug begründet. Damit sind sämtliche den Religionsunterricht an den öffent­lichen Schulen des Landes Brandenburg betref­fenden Verfahren vor dem Bundes­verfas­sungsgericht erledigt. (1 BvR 1406/02)

Auch sächsische Schüler sollen nach christlicher Tradition erzogen werden

Die regierende CDU-Fraktion in Sachsen hat eine Änderung des dortigen Schulgesetzes durchgesetzt, die den Erzie­hungs- und Bildungsauftrag "insbesondere anknüpfend an die christliche Tradition im europäischen Kulturkreis" definiert. PDS, SPD und der juristische Dienst des Land­tages meldeten verfassungsrechtliche Be­denken an.

Die Änderung stelle einen extremen Eingriff in die Schulen, eine unzulässige Einengung und eine einseitige Orientie­rung dar. Die Zusammenführung von Staat, Kirche und Schule könne vor der Verfassung keinen Bestand haben, hörte man aus der PDS-Fraktion.

SPD-Fraktionschef Thomas Jurk nann­te den Vorstoß unverständlich und ver­antwortungslos. In einer Zeit, in der die Religionen aufeinander zugehen sollten, sei es fehl am Platze, das Christentum besonders hervorzuheben. Der neue Para­graph sei allerdings in der Praxis kaum umsetzbar. Die Sozialdemokraten ver­wiesen darauf, dass nach einer Blitz­umfrage nur 16 Prozent der Sachsen eine Schule auf christlicher Basis haben wollen.

Auch der Landesschülerrat lehnte die Neuregelung ab. Die Landesschüler­sprecherin forderte, die Schülerschaft sollte religionsneutral erzogen und das Schulgesetz allgemeingültig formuliert werden. Andernfalls würden Kinder aus nicht gläubigen oder andersgläubigen Familien deutlich benachteiligt.

CDU-Schulpolitiker Thomas Colditz zeigte sich verwundert über die Kritik. "Die Schule bleibt selbstverständlich weltanschaulich neutral", betonte der Abgeordnete. Die im Gesetz genannten Werte - darunter Ehrfurcht vor allem Lebendigen, Nächstenliebe, Frieden, Er­halt der Umwelt, Heimatliebe und Gerech­tigkeit - stünden auch in der sächsischen Verfassung. Es sei aber legitim und richtig, "die Wurzeln zu benennen, aus denen die Wertevorstellungen resultieren", so Colditz. Auch andere Bundesländer hätten einen Gottesbezug im Schulgesetz.

Die CDU kam mit ihrer Initiative einer Forderung der Evangelisch-Lutherischen Kirche Sachsens nach, die auf das Fehlen eines christlichen Bezugs im bisherigen Gesetzentwurf hingewiesen hatte. Landes­bischof Volker Kreß (Dresden) wies in einer Erklärung Vorwürfe zurück, das neue Gesetz verletze die weltanschauliche Neutralität in Schule und Staat. Die Aussagen seien vielmehr zeitgemäß, weil sie die Situation und die Erfordernisse Heranwachsender aufgriffen. Auch das katholische Bistum Dresden-Meißen be­grüßte den Hinweis auf das Christentum im Schulgesetz.

"Ökumenischer" Religions­unterricht gesetzeswidrig

Seit einiger Zeit versuchen die Schu­len, dem Lehrer- und oft auch Schüler­mangel im Religionsunterricht mit Model­len entgegenzuwirken, die rechtlich nicht abgedeckt sind oder sich in einer recht­lichen Grauzone bewegen.

In Berufsschulen, wo die Schülerzahl für die Einrichtung eines konfessionell getrennten Unterrichts möglicherweise zu niedrig ist, wird immer öfter nur pauschal "Religionsunterricht" angeboten. Dieser ist selbstverständlich entweder evangelisch oder katholisch, je nachdem, welche Fakultas das Lehrpersonal besitzt. Den Schülern und Eltern werden diese Fein­heiten aber nicht mitgeteilt. Sie halten den Unterricht regelmäßig für einen ökumeni­schen, manche gar für einen allgemeinen Unterricht in Ethik, da so selten von Religion und Gott die Rede ist. So meldete sich dann im IBKA-Diskussionsforum ein Schüler aus Nordrhein-Westfalen ganz verwundert zu Wort, als der Religions­lehrer ein Kruzifixposter aufhing: Dies dürfe er in einer neutralen Schule und in einem Unterricht für Schüler aller Weltanschauungen doch nicht. - Natürlich darf ein Religionslehrer während eines konfessionellen Unterrichts auch die ent­sprechenden Kultgegenstände der Religion verwenden. Nur sollten die Schüler und Schülerinnen zu Beginn des Schuljahres über den Charakter des konfessionellen Unterrichts aufgeklärt werden!

An anderen Schulen überlegt man, den konfessionellen Unterricht gleich offiziell zusammenzulegen und ein entsprechendes Schulcurriculum zu verfassen. Und das, obwohl es im Schulordnungsgesetz (NRW) eindeutig heißt: "Der Religions­unterricht wird nach Bekenntnissen ge­trennt in Übereinstimmung mit den Lehren und Grundsätzen der betreffenden Kirche oder Religionsgemeinschaft erteilt." Eine Rückfrage beim zuständigen Kultusminis­terium bestätigte die Gesetzeswidrigkeit:

"Hierzu teile ich Ihnen mit, dass vor dem Hintergrund der Rechtslage nicht an die Einrichtung eines Faches "Ökumeni­scher Religionsunterricht" ge­dacht ist. Grundlage für die Durchführung des Religionsunterrichts ist das Grund­gesetz, die Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen sowie das Schul­ordnungsgesetz. Danach ist der Reli­gionsunterricht grundsätzlich getrennt nach den entsprechenden Konfessionen durchzuführen, wobei jedoch die Möglichkeit besteht, dass einzelne Pro­jekte oder Veranstaltungen im Rahmen der ökumenischen Zusammenarbeit durchgeführt werden können.

Ich habe Ihr Schreiben zum Anlass genommen und die zuständige Bezirks­regierung über das möglicherweise geplante Vorhaben ... informiert und gebeten, das Gymnasium auf die Rechtslage hinzuweisen."

Unsere Bestrebung kann selbstver­ständlich nicht die Zusammenlegung von weltanschaulichen Fächern sein. Wenn die Schulen konfessionell getrennten weltan­schaulichen Unterricht organisatorisch nur noch mit Schwierigkeiten anbieten können, müssen sie darin bestärkt werden, an die Politik die Forderung nach Ab­schaffung des Religionsunterrichts in den Schulen zu stellen, nicht nach Zusammen­legung. Gemeinsamer, weltanschaulich neutraler Unterricht über Wertefragen ist eine denkbare Lösung.